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Würzburg: Nacht des Zufalls: Wie Röntgen in Würzburg die Strahlen entdeckte

Würzburg

Nacht des Zufalls: Wie Röntgen in Würzburg die Strahlen entdeckte

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    Wilhelm Conrad Röntgen auf einem Porträt von 1906 von Nicola Perscheid (Ausschnitt).
    Wilhelm Conrad Röntgen auf einem Porträt von 1906 von Nicola Perscheid (Ausschnitt). Foto: akg-images

    Es ist Freitag, spät abends. Der Professor experimentiert im Dunkeln in seinem Labor. Seit einiger Zeit beschäftigt sich Wilhelm Conrad Röntgen mit Kathodenstrahlen. Im Jahr zuvor hat er für sein Institut einen Entladungsapparat gekauft, einen großen Glaskolben mit zwei elektrischen Kontakten. Seit einem Vierteljahrhundert wissen Physiker, dass eine hohe elektrische Spannung in einem luftleer gepumpten Glaskolben eine schwache Leuchterscheinung hervorruft. Prallen die unsichtbaren Kathodenstrahlen auf die Glaswand, werden sie sichtbar.

    Das Forschungsfeld interessiert auch Röntgen. Dank einer Entwicklung des Physikers Philipp Lenard können die Wissenschaftler mit der mysteriösen Kathodenstrahlung auch außerhalb der Vakuumröhre experimentieren. Durch eine dünne Metallfolie als Fenster nämlich dringen die Strahlen nach draußen, in die Normalluft. Ein paar Zentimeter nur, doch immerhin.

    Röntgen ist fasziniert. Nachdem er nach einem freundlichen Brief von Lenard zwei solche Fensterblättchen bekommen hat, ein paar Tausendstel Millimeter dünn, kann er 1894 in seinem Labor all das nachvollziehen, was bis dahin über Kathodenstrahlen bekannt ist. Und so sitzt der Würzburger Professor, Inhaber des Lehrstuhls für Experimentalphysik, auch an diesem Novemberabend des Jahres 1895 in seinem Privatlabor im Institut am Pleicherring und experimentiert mit elektrischen Entladungen in einer nahezu luftleer gepumpten Glasröhre.

    Röntgens Labor im Physikalischen Institut der Universität Würzburg. Hier machte er am 8. November 1895 seine spektakuläre Entdeckung. 
    Röntgens Labor im Physikalischen Institut der Universität Würzburg. Hier machte er am 8. November 1895 seine spektakuläre Entdeckung.  Foto: Thomas Obermeier

    Das Physikalische Institut in Würzburg ist das modernste damals

    Auf den Tag genau 16 Jahre zuvor hatte Röntgens Vorgänger, der berühmte Experimentalphysiker Friedrich Wilhelm Kohlrausch, das von ihm entworfene und aufgebaute Institut eröffnet. Das modernste zu damaliger Zeit. Und jetzt arbeitet und wohnt Wilhelm Conrad Röntgen hier. Und sieht am 8. November 1895 etwas, was er nicht geplant und nicht erwartet hatte.

    Das Laboratorium ist fast dunkel. Nur die allgemein bekannten und mit bloßem Auge sichtbaren Leuchterscheinungen in der Röhre erhellen den Raum schwach. Röntgen umhüllt die Röhre mit schwarzem Karton. Und bemerkt, dass sich ein entfernt stehender Leuchtschirm aufhellt. Was ist das für ein Phänomen? Was passiert da? Die Frage lässt den 50-jährigen Physiker nicht mehr los.

    Neues Forschungsfeld Kathodenstrahlen: Bei seinen Experimenten machte der Würzburger Physiker Wilhelm Conrad Röntgen vor 125 Jahren eine Entdeckung, die die Medizin revolutionieren sollte.
    Neues Forschungsfeld Kathodenstrahlen: Bei seinen Experimenten machte der Würzburger Physiker Wilhelm Conrad Röntgen vor 125 Jahren eine Entdeckung, die die Medizin revolutionieren sollte. Foto: Thomas Obermeier

    Kristalle beginnen zu leuchten - aber Licht kann nicht die Ursache sein

    Sechs Wochen lang verbringt Röntgen nahezu Tag und Nacht im Labor. In die Wohnung einen Stock höher kommt er kaum noch. Alle experimentellen Methoden schöpft er aus, um das Geheimnis zu lüften. Ist er „Opfer einer Täuschung“? Kristalle, die bei einem seiner Experimente mit Gasentladungsröhren zufällig in der Nähe liegen, beginnen in der Dunkelheit des Labors grün zu leuchten. Licht kann nicht die Ursache sein, denn die Röhre ist von schwarzem Papier umwickelt.

    Röntgen legt Holz, Papierhefte und ein rund 1000 Seiten dickes Buch zwischen Kristalle und Röhre, doch nichts davon kann die geheimnisvollen Strahlen aufhalten. Als er irgendwann seine Hand in die Strahlen hält, macht er die wohl aufregendste Entdeckung seines Lebens: Auf dem Leuchtschirm sieht er die Schatten seiner Handknochen!

    „Es weiß keiner, wie es wirklich passiert ist“, sagt Roland Weigand vom Röntgen-Kuratorium Würzburg. Röntgen sollte später per Testament verfügen, dass nach seinem Tod sein Nachlass mit all seinen Aufzeichnungen verbrannt werde. Aber, so viel scheint sicher, der Physiker habe sich wohl hier wochenlang verbarrikadiert, sagt Roland Weigand. Habe sich ein Bett neben den Apparaturen aufgestellt und von seiner Frau Bertha das Essen bringen lassen. Der Verein, das Röntgen-Kuratorium, hat das Labor mit Originalausstattung wieder entstehen lassen: Sogar Röntgens Schreibtisch steht in den alten Räumen.

    Wilhelm Conrad Röntgen hat bislang unbekannte Strahlen entdeckt 

    Sicher ist: Strahlung musste in der Röhre entstanden sein, drang durch Glas, Karton und Luft, um schließlich die Moleküle im Leuchtschirm zum Leuchten anzuregen. Und die Handknochen schatteten die Strahlung ab. Wilhelm Conrad Röntgen hat neue Strahlen entdeckt. Er nennt sie X-Strahlen.

    Rätselhaftes Leuchten: In der Röntgengedächtnisstätte am Originalschauplatz werden Röntgens Experimente anschaulich. 
    Rätselhaftes Leuchten: In der Röntgengedächtnisstätte am Originalschauplatz werden Röntgens Experimente anschaulich.  Foto: Thomas Obermeier

    Am 28. Dezember 1895 reicht er bei der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft seine „Vorläufige Mitteilung“ über seine Beobachtungen ein. Die Bedeutung der Arbeit wird sofort erkannt, drei Tage später schon liegt das Manuskript in gedruckter Form vor. Röntgen beschreibt sein Experiment: Bei jeder elektrischen Entladung in der Röhre treten nicht nur Kathodenstrahlen, sondern auch andere Strahlen auf. Sie durchdringen schwarzen Karton. Und sie haben eine sehr große Reichweite in der Luft.

    Sonderdrucke der sensationellen Arbeit - mit Aufnahmen von Bertha Röntgens Hand

    100 Sonderdrucke schickt Röntgen am 1. Januar 1896 an Freunde und Kollegen. Samt Röntgenaufnahme der Hand seiner Frau Bertha, gemacht zwei Tage vor Weihnachten. Zehn Tage später ist seine sensationelle Arbeit weltweit bekannt. Die Sonntagsausgabe der „Neuen Presse“ in Wien berichtet schon am 5. Januar über die spektakuläre Entdeckung.

    Der deutsche Kaiser erfährt davon am 8. Januar, durch den Bericht der Berliner Zeitung. „Seine Majestät wollen den Vortrag Euer Hochwohlgeborenen morgen, Sonntag 5 Uhr im Sternsaal des hiesigen Schlosses entgegennehmen“ – so heißt es im Telegramm, das Wilhelm II. am 11. Januar 1896 an Röntgen schicken lässt. Der Physiker ist nach Berlin gereist und mit Hilfe der Kollegen dort kann er seiner Majestät die Versuche vorführen.

    Röntgens einziger öffentlicher Vortrag  über die X-Strahlen

    Öffentlich hält der 50-jährige Strahlenentdecker schließlich nur einen einzigen Vortrag über seine Entdeckung jenes Novemberabends: Am 23. Januar 1896 spricht er auf der Sitzung der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft in Würzburg vor Professoren und Generalen. Die Zeitungen berichten begeistert: Röntgen demonstriert, wie die Strahlen Papier, Blech, Holz und Blei durchdringen. Und schließlich auch die Hand des Anatomen und Geheimrats Albert von Kölliker. Die Finger mit dem „schwebenden“ Ring werden weltbekannt. Und der Anatom ist derjenige, der vorschlägt, die X-Strahlen umzubenennen: in Röntgenstrahlen.

    Röntgenaufnahme von Bertha Röntgens Hand aus dem Jahr 1896.
    Röntgenaufnahme von Bertha Röntgens Hand aus dem Jahr 1896. Foto: United Archivs WHA
    Das Röntgenbild, das beim einzigen öffentlichen Vortrag, den Röntgen über seine X-Strahlen hielt, entstand.
    Das Röntgenbild, das beim einzigen öffentlichen Vortrag, den Röntgen über seine X-Strahlen hielt, entstand. Foto: FZB-Ateliers
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