In der jüngsten Sitzung des Marktgemeinderates am Mittwoch stellten Maria-Antonette Graber und Lothar Menzel von der Regierung Unterfranken das Bauvorhaben der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete vor. 100 Geflüchtete aus Algerien, Armenien, Somalia, Elfenbeinküste und Afghanistan sollen in der neuen Unterkunft im Gewerbegebiet "Klingholz" in Reichenberg unterkommen. 26 Bungalows für je vier Personen mit eigener Kochgelegenheit, Dusche und WC plant die Regierung Unterfranken dort. Zusätzlich sind Räume für die Caritas vorgesehen, deren Personal zur Versorgung und Betreuung der Geflüchteten und für Fragen und Anliegen von Nachbarinnen und Nachbarn vor Ort sein wird.
Bürgermeister: Standort ungeeignet
Reichenbergs Bürgermeister Stefan Hemmerich hält die Wahl des Standortes für die Unterkunft für ungeeignet: "Wenn ich mir das Gewerbegebiet anschaue, würde ich da im Normalfall niemanden wohnen lassen wollen. Die Menschen haben dort keine Möglichkeit, Aktivitäten nachzugehen." Laut Menzel biete eine Unterkunft für Geflüchtete im Ortskern von Reichenberg jedoch ebenso wenig Möglichkeiten für die Geflüchteten zur Freizeitgestaltung, zum Einkaufen oder für eine ärztliche Versorgung. Vom "Klingholz" aus könnten sie mit dem Bus nach Würzburg fahren, so Menzel. Das ist vom Ortskern Reichenberg jedoch ebenso möglich.
Dem Marktgemeinderat lag in der Sitzung ein Schreiben der Gewerbetreibenden im "Klingholz" vor. Darin appellieren die Gewerbetreibenden, von denen einige am Mittwoch im Publikum der Gemeinderatssitzung saßen, an den Marktgemeinderat, sich gegen die Gemeinschaftsunterkunft im "Klingholz" auszusprechen. Schließlich könne die Attraktivität des Gewerbestandortes vermindert werden, sollte die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete dort entstehen.
Gemeinderätin und Integrationsbeauftrage Martha Morell zeigte sich ebenfalls besorgt. Sie sieht die Integration der Geflüchteten als "zwingend notwendig an, um Konflikte zu vermindern". Eine Integration von 100 Menschen in die Marktgemeinde mit nur insgesamt 4300 Einwohnern sei allerdings nicht möglich – "nicht in der Größenordnung". Die Regierung Unterfranken achte bereits darauf, dass keine Gemeinde überlastet werde, so Menzel. "Ich lehne mich mal aus dem Fenster. Nach der Gemeinschaftsunterkunft im ‚Klingholz‘ wird es keine weitere Unterkunft in Markt Reichenberg geben."
Bungalows rentieren sich nicht für wenige Personen
Die Gemeinschaftsunterkunft würde zwischen den Ortsteilen Albertshausen und Fuchsstadt entstehen. Albertshausen hat rund 400 Einwohner. Einer davon ist Gemeinderat Steffen Stenzel: "An mich wurde aus unserem Ort in den letzten Tagen sehr viel Sorge und Angst herangetragen. Die schiere Anzahl von 100 Personen wird uns überlasten." Weniger Personen im "Klingholz" unterzubringen, sei für die Regierung jedoch keine Option. Die Unterbringung der Geflüchteten in den Bungalows sei sehr teuer, erklärte Menzel. "Das rentiert sich nicht für nur 20, 30 oder 40 Personen."
Der Markt Reichenberg sei nicht per se gegen Geflüchtete oder dagegen, sie aufzunehmen, betonte Bürgermeister Hemmerich. "Als die Ukrainerinnen und Ukrainer kamen, haben wir uns auch nicht weggeduckt." Die rund 90 Ukrainerinnen und Ukrainer, die Markt Reichenberg 2022 aufgenommen hat, werden aufgrund ihres Sonderstatus in der Statistik über das Flüchtlingsaufkommen in den Gemeinden jedoch nicht berücksichtigt. "Ich habe Bauchschmerzen mit der Entscheidung zur Gemeinschaftsunterkunft im ‚Klingholz‘. Nicht, weil wir die Unterbringung nicht wollen, sondern weil wir Sorge haben, das nicht stemmen zu können."
Marktgemeinderat kann nicht über Bau entscheiden
Der Marktgemeinderat stimmte schließlich mit vier Stimmen für und zwölf Stimmen gegen den Bau der Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete im "Klingholz". Zwar hat die Gemeinde das Bauplanungsrecht inne, die Baugenehmigungsbehörde ist jedoch das Landratsamt Würzburg. Demnach entscheidet das Landratsamt in letzter Konsequenz darüber, ob es die Gemeinschaftsunterkunft im "Klingholz" geben wird – nicht der Marktgemeinderat.
Die Diskussion im Gemeinderat sei für die Regierung Unterfranken trotzdem wichtig, wie Menzel betonte: "Wir wollen ihnen Rede und Antwort stehen. Wir wollen das natürlich im Einvernehmen mit der Kommune machen und ihre Bedenken ausräumen." Bürgermeister Hemmerich meint dazu: "Wir haben die Hoffnung, dass noch ein paar Veränderungen am Bauvorhaben vorgenommen werden, die unsere Bedenken berücksichtigen."