Der Komponist Lorenz Dangel, geboren 1977 in Würzburg, aufgewachsen in Reichenberg, heute wohnhaft in Berlin, hält zum dritten Mal die Lola, den Deutschen Filmpreis, in Händen. Diesmal für seine Musik zum Kinofilm "Sterben". Im Gespräch verrät er, dass für ihn neben all dem "großen Kino" auch Würzburg eine Rolle spielt.
Herzlichen Glückwunsch aus Ihrer Heimat Würzburg nach Berlin! Nun also der dritte Deutsche Filmpreis für die beste Filmmusik, diesmal zu Matthias Glasners Kinofilm "Sterben". Nehmen Sie diese Lola wie die vorhergehenden entgegen?
Lorenz Dangel: Ehrlich gesagt hat mir die dritte Lola viel bedeutet, weil mir dieses Projekt so wichtig war und weil die Arbeit, die ich da gemacht habe, im Vergleich zu sonstigen Filmmusikprojekten sehr ungewöhnlich war. Die Aufgabenstellung, die ich in dem Film hatte, ist eigentlich die perfekte Melange aus meinen Welten. Auf der einen Seite die Filmmusik und auf der anderen Seite ein Kompositionsauftrag, der unabhängig vom Film entsteht, der dann aber im Film eingesetzt wird. Das war schon speziell, insofern habe ich mich besonders gefreut über diese Lola.

Sie sprechen die unterschiedlichen Welten an, in denen Sie sich bewegen. Der Kinofilm "Sterben" beginnt mit einem kurzen Videoclip, in dem ein kleines Mädchen dem Publikum eindringlich nahelegt, auf sein Herz zu hören. Ist so ein "Herzprinzip" auch Ihr Leitfaden bei der Auswahl neuer Projekte?
Dangel: Das ist eigentlich ein sehr schöner Gedanke, dass das Herz meine Leitlinie ist. Das sollte ich mir mal aneignen. Für mich ist es ein großer Reichtum und ein großes Geschenk, auf diesen verschiedenen Feldern arbeiten zu können. Tatsächlich spielt die intuitive Reaktion auf ein angebotenes Drehbuch oder einen Kompositionsauftrag eine entscheidende Rolle. Oft suche ich auch gerade die Abwechslung: Wenn ich fürs Konzert schreibe, ist das eine ganz andere energetische Arbeit – da fange ich morgens an und bin am Mittag platt, weil mein Kopf raucht. An Filmmusik kann ich bis spät in die Nacht hinein arbeiten, das ist eine andere Art von musikalischem Denken für mich.
"Ich hätte wirklich große Lust, irgendwann eine Oper für das Mainfranken Theater Würzburg zu schreiben."
Lorenz Dangel
Sie bezeichnen Ihre Rolle als Filmkomponist auch als die eines kreativen Dienstleisters. Bespielen dabei die Bühnen auch mit Auftragskompositionen oder Ballettmusik. Ist das eine Freiheit, die Sie sich erarbeitet haben, oder kann man das Prinzip als zeitgemäße Notwendigkeit verstehen?
Dangel: Es gibt viele Menschen, die nur das eine oder andere machen. Diese Vielfalt ist also nicht zwingend, im Gegenteil, es ist schwieriger. Ich habe mir das nicht jetzt erst erlaubt, sondern von vornherein so verfolgt. Vielleicht habe ich deshalb auch eine Spur länger gebraucht, um dort anzukommen, wo ich jetzt bin, als wenn ich mich nur auf die Filmmusik konzentriert hätte. Also zeitgemäß finde ich insofern einen guten Begriff, weil ich immer mehr zur Erkenntnis komme, dass diese seltsame Klassifizierung zwischen E- und U-Musik eigentlich absurd ist. Ich kämpfe sehr dafür, dass ich nicht in einer dieser Schubladen lande.
Vor welcher Schublade fürchten Sie sich am meisten?
Dangel: Das kann man so gar nicht sagen, aber mittlerweile achte ich schon darauf, dass nicht nur "Filmkomponist" Lorenz Dangel geschrieben wird, weil es einfach nur einen Teil meiner Arbeit beschreibt, auch wenn dieser Teil der medial präsenteste ist. Mein kreatives Bedürfnis sucht sich ja gerade diese unterschiedlichen Ausdrucksformen und Genres, dieser Aspekt ist Teil meines kompositorischen Schaffens. Damit müssen sich die Schubladen leider abfinden.

Bei all der Vielfalt, besteht nun bei dem großen Erfolg die Gefahr, sich zu verzetteln, wenn das Telefon nicht mehr stillsteht und der Briefkasten überquillt? Wie kann man sich Ihren Alltag jetzt vorstellen?
Dangel: Der ist genau das Gegenteil von allem, was Sie gesagt haben. Ich war bis vor zwei Tagen im Urlaub. Da hat das Telefon gar nicht geklingelt, außer wegen Glückwünschen, und mein Briefkasten ist erstaunlich leer. Das geht meistens nicht so schnell. Das braucht einen Moment, bis dann Regisseure oder Produzentinnen sagen, sie hätten da ein Projekt und erinnern sich dann an den Dangel. Ich würde mal sagen, in zwei, drei Monaten klingelt vermutlich ab und zu das Telefon. Es ist wirklich nicht so, dass ich hier überrannt werde.
Zum Antritt von Sir Simon Rattle als neuem Chefdirigenten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks ist am 7. Juli im Münchner Showpalast bei einem "Symphonischen Hoagascht" die Uraufführung Ihres Werkes "Phon" zu hören. In der Auftragskomposition verbinden Sie ursprüngliche bayerische Blasmusik und Symphonieorchester. Geht Simon Rattle gerne ins Kino, oder über welchen Weg kam er zu Ihnen?
Dangel: Das war auch so ein schubladenübergreifender Moment. An der Bayerischen Staatsoper war gerade mein Ballett "Der Schneesturm" zu sehen und es war tatsächlich so, dass der BR einen Komponisten gesucht hat, der stilistisch flexibel ist und sich auch auf die Herausforderungen der Rahmenbedingungen, zum Beispiel der Arbeit mit Laien-Ensembles, einlassen kann. Es war ein glücklicher Zufall, dass ich zu der Zeit an der Staatsoper zu hören war. Ich sollte dann Ausschnitte von Partituren meiner Arbeit schicken, die Sir Simon Rattle angesehen hat, und dann kam zwei Wochen später der Anruf. Da war es natürlich einfach, zuzusagen.
Käme ein Anruf aus Würzburg, wie würde dann Ihre Antwort ausfallen?
Dangel: Ich habe ja immer verschiedene Projekte im Kopf, die ich gerne mal machen würde. Und interessanterweise denke ich mir seit mehreren Jahren, ich hätte wirklich große Lust, irgendwann eine Oper für das Mainfranken Theater Würzburg zu schreiben. Da habe ich aber bisher noch nicht dran gearbeitet.
Symphonischer Hoagascht, Blasmusik trifft BRSO, zu sehen am 7. Juli ab 17 Uhr im Online-Livestream und um 20.15 Uhr im BR Fernsehen.