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Würzburg: NS-Vergangenheit: Werden in Würzburg Straßen umbenannt?

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NS-Vergangenheit: Werden in Würzburg Straßen umbenannt?

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    Eine der Empfehlungen zur Umbenennung: Nikolaus-Fey-Straße.
    Eine der Empfehlungen zur Umbenennung: Nikolaus-Fey-Straße. Foto: Fabian Gebert

    Das Thema birgt Zündstoff und hat das Zeug zur großen Debatte - und genauso könnte es auch kommen. Über vier Jahre lang hat sich eine elfköpfige Fachkommission mit der Frage beschäftigt, welche Würzburger Straßen und Plätze Namen von Menschen tragen, deren Rolle in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur eine problematische war. Konkret ging es um Personen, "deren aktive Lebensphase in die NS-Zeit fällt und von denen anzunehmen ist, dass sie sich in dieser Zeit diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen", so hieß es seinerzeit in der Aufgabenstellung der Stadtrates an die Kommission.

    Viereinhalb Jahre und 17 Kommissionstagungen später liegt jetzt ein Abschlussbericht vor - der nun Folgen für bis zu neun Straßennamen haben könnte. 

    Wann und warum wurde die Straßennamenkommission geschaffen?

    Den Beschluss zur Einsetzung einer "Würzburger Straßennamenkommission" fasste der Stadtrat am 15. Oktober 2015. Vorausgegangen waren zwei in der Öffentlichkeit teils stark diskutierte Umbenennungen. So hatte der Stadtrat im Juli 2015 beschlossen, eine 1985 nach dem früheren Würzburger Oberbürgermeister Helmuth Zimmerer (1912-1984) benannte Straße im Stadtteil Lengfeld umzubenennen, nachdem durch die Berichterstattung dieser Redaktion weitere Details zu seiner Verstrickung in das NS-Regime bekannt geworden waren. Bereits 2003 hatte es eine große Debatte um den Namenspatron der damaligen Carl-Diem-Halle (heute s.Oliver Arena) gegeben, anschließend wurde die Halle umbenannt. Der Sportfunktionär Diem (1882-1962), 1936 Chef-Organisator der Olympischen Spiele von Berlin, hatte unter anderem noch im März 1945 Hitlerjungen zum "finalen Opfergang für den Führer" aufgerufen. 

    Wer gehört der Kommission an?

    Der Kommission gehören derzeit neben dem Kulturreferenten Achim Könneke (Kommissionsleitung), Stadtarchivleiter Axel Metz und Stadtheimatpfleger Hans Steidle jeweils vier Vertreter aus der Wissenschaft und vier weitere aus dem Stadtrat an. Für die Wissenschaft sind Hannah Hien (Staatsarchiv), Peter Hoeres (Historiker, Universität Würzburg), Bettina Keß (Historikerin) und Niels Weise (Historiker, Institut für Zeitgeschichte München/Berlin) in der Kommission, für den Stadtrat Willi Dürrnagel (WL), Jürgen Weber (WL) sowie die seit Mai ehemaligen Stadtratsmitglieder Benita Stolz (Grüne) und Heinrich Jüstel (SPD). 

    Wie ist die Kommission vorgegangen?

    Bevor die Kommission ihre Arbeit aufnahm, hatte die Stadtverwaltung eine Liste derjenigen Würzburger Straßen, Plätze und Wege erstellt, deren Namenspaten vor 1928 geboren wurden und die zwischen 1933 und 1945 gelebt haben. Dabei ergab sich eine Liste von 120 Straßen. Bei 30 Namensgebern gab es laut Kommissionsbericht keinen großen Diskussionsbedarf – sie waren Gegner und/oder Opfer des NS-Regimes.  

    Für die restlichen 90 Personen entwickelte die Kommission ein spezielles Raster, nach dem dann biographische Informationen beschafft wurden. Kriterien waren unter anderem die politische Betätigung vor, während und nach der NS-Zeit, die Mitgliedschaft in NS-Organisationen und "besondere Verfehlungen". Ebenso untersucht wurden aber auch besondere Verdienste, die Verleihung von Orden und Auszeichnungen sowie Stellungnahmen der jeweiligen Person zum eigenen Wirken von 1933 bis 1945.

    Ebenfalls in der Debatte: der Kardinal-Faulhaber-Platz.
    Ebenfalls in der Debatte: der Kardinal-Faulhaber-Platz. Foto: Fabian Gebert

    Keinen Grund für eine Umbenennung sah die Kommission im reinen Mitläufertum. "Ein solches sieht sie bei jenen Personen als gegeben an, die das NS-Regime durch ihr Handeln – innerhalb oder außerhalb der Partei – gestützt haben, ohne in besonderer Weise aktiv in Erscheinung zu treten oder an Kriegsverbrechen, wie beispielsweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt gewesen zu sein", heißt es im Abschlussbericht. Eine "erhebliche Belastung" sahen die Experten dagegen in einer Beteiligung am Repressionsapparat der Nazis oder in Zuträgerdiensten. Bei neun der 90 verbliebenen Namenspaten sah die Kommission eine Umbenennung oder eine „Kontextualisierung“ für erforderlich.

    Was bedeutet eine "Kontextualisierung?

    Damit ist ein Zusatzhinweis am Straßenschild gemeint. Umfangreiche Erklärungen vor Ort soll es aber nicht geben. Die Ergänzungsschilder sollen „einen knappen, einheitlichen Hinweis darauf enthalten, dass Kontextualisierungsinformationen zu dem Straßennamen vorhanden sind“. Die eigentlichen Informationen sollen dann über einen QR-Code von einer Website abrufbar sein.

    „Dadurch soll zum einen der Prozess der Auseinandersetzung mit den Straßennamen transparent werden; zum anderen aber kann so auch im Falle von Umbenennungen deutlich werden, dass ein früherer Namenspate eine vielschichtige Persönlichkeit war, die neben den Verfehlungen, die zur Umbenennung führten, auch Verdienste hatte“, heißt es im Bericht.

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    Welche Straßennamen stehen jetzt zur Diskussion?

    Handlungsbedarf sieht die Kommission – teils einstimmig, teils mehrheitlich – bei den folgenden neun Namensgebern.

    Eine Umbenennung empfiehlt das Expertengremium im Falle folgender Namenspaten: Heiner Dikreiter (1893-1966; Maler und Kunstlehrer, Gründungsdirektor der Städtischen Galerie), Nikolaus Fey (1881-1956; Schriftsteller und Mundartdichter), Carl Schadewitz (1887-1945; Komponist, Dirigent und Musikpädagoge) und Hermann Zilcher (1881-1948; Musiker, Komponist und Begründer des Mozartfestes). 

    Im Fall des Zoologen und Nobelpreisträgers Karl Ritter von Frisch (1886-1982) empfiehlt die Kommission eine Umbenennung oder eine Kontextualisierung.

    Eine Kontextualisierung sollte laut Kommission bei den Namenspaten Armin Knab (1881-1951; Komponist), Peter Schneider (1882-1953; Mitbegründer des Frankenbundes) und Richard Strauss (1864-1949; Komponist) erfolgen. 

    Im Fall von Michael Kardinal Faulhaber (1869-1952) sieht die Kommission weiteren Aufklärungsbedarf und empfiehlt vor einer Entscheidung über eine Umbenennung oder Kontextualisierung eine öffentliche städtische Versammlung, an der Wissenschaftler und Experten in Sachen Faulhaber mitwirken sollen. 

    Sind die Empfehlungen der Kommission verbindlich?

    Die Empfehlungen sind nicht verbindlich. Sie dienen dem Stadtrat als Grundlage für weitere Beratungen und Entscheidungen. 

    Wie wird die Würzburger Bevölkerung in die Diskussion eingebunden?  

    Der Kulturausschuss beschäftigte sich mit dem Bericht in seiner Sitzung am 23. November. Dort beschloss der Ausschuss auf Antrag von Willi Dürrnagel einstimmig, die Empfehlungen der Kommission vor einer endgültigen Befassung im Stadtrat mit den Bürgern öffentlich zu diskutieren.

    Hat sich die Kommission auch mit künftigen Straßennamen beschäftigt?

    Die Kommission rät dem Stadtrat, künftig vor der Benennung von Straßen nach Personen, die die NS-Zeit im Erwachsenenalter erlebt haben, grundsätzlich deren Biographie besonders intensiv zu betrachten. Insbesondere soll dabei der Aspekt des Mitläufertums untersucht und "stärker negativ gewichtet" werden. 

    Wie geht es jetzt weiter?

    Im Gesamtstadtrat steht der Bericht am 10. Dezember auf der Tagesordnung. Dann dürfte wohl unter anderem über die vom Kulturausschuss beschlossene breitere Bürgerbeteiligung entschieden werden. Wie Kulturreferent Achim Könneke gegenüber dieser Redaktion sagte, könne er sich dazu digitale Formate vorstellen, sollten Präsenzveranstaltungen noch länger nicht möglich sein. Zudem soll der Abschlussbericht der Kommission auf der Website der Stadt veröffentlicht werden, ferner sind Informationsblätter für die Anwohner betroffener Straßen geplant. Könneke rechnet mit einem Zeitraum von anderthalb Jahren, bis feststeht, wie mit den neun problematischen Straßennamen verfahren wird. 

    Mitarbeit: Patrick Wötzel

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