Gerade hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) aktuelle Empfehlungen für eine gesunde Ernährung vorgestellt: nur noch ein Ei pro Woche, deutlich weniger Fleisch und Milchprodukte, weniger süße, salzige und fettige Speisen. Obst und Gemüse dagegen sollen etwa die Hälfte unserer Ernährung ausmachen, sagt die DGE.
Bevormundung oder gute Tipps? Werden die offiziellen Empfehlungen überhaupt beachtet? Annegret Hager, Ernährungstherapeutin beim VerbraucherService Bayern in Würzburg, erklärt, welche Ratschläge sinnvoll sind - und was täglich auf den Tisch kommen sollte.
Viele Menschen fühlen sich von den Empfehlungen in Sachen Ernährung bevormundet. Zurecht?
Annegret Hager: Das ist ein bisschen nach dem Motto "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass". Die Leute lesen gerne Ernährungsempfehlungen, aber viele möchten dann doch essen, was sie gewohnt sind. Wir wollen den Leuten nichts vorschreiben, sondern wir bieten in unseren Beratungsgesprächen individuelle Lösungsvorschläge zum Thema gesunde Ernährung.

Welchen Einfluss haben die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung?
Hager: Die DGE wurde 1953 als unabhängige wissenschaftliche Fachgesellschaft gegründet und widmet sich seitdem allen Fragen rund um das Thema Ernährung und Forschung. Ihr Fokus liegt auf der Bereitstellung von Informationen über neue Erkenntnisse und Entwicklungen. Für uns Ernährungsberaterinnen und -berater sind diese Richtlinien eine grundlegende Basis.
In Deutschland werden pro Kopf im Durchschnitt etwa vier Eier in der Woche gegessen. Die DGE empfiehlt nur noch ein Ei wöchentlich - warum?
Hager: Bei dieser neuen Empfehlung sind die verarbeiteten Eier in Aufläufen, Süßspeisen oder Kuchen aber nicht eingerechnet! Ein gesunder Erwachsener kann das Cholesterin in den Eiern kompensieren. Menschen, die unter Entzündungen wie beispielsweise Rheuma leiden, sollten den Verzehr von Eiern jedoch einschränken. Der Grund dafür liegt in der Arachidonsäure: Sie bildet Botenstoffe, die Entzündungen in den Gelenken begünstigt.
Dabei hört man doch immer wieder, dass man viele Proteine essen soll. Stimmt das?
Hager: Eine ausgewogene Ernährung kann den Proteinbedarf problemlos decken: etwa 0,8 bis 1 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Proteine sorgen für ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl, während Kohlenhydrate aus Weißmehlprodukten schnell wieder Hunger verursachen können. Milchprodukte, Fleisch, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte enthalten Proteine, daher sind zusätzliche proteinangereicherte Produkte nicht notwendig. Eine hochwertige Kombination von Proteinen besteht beispielsweise aus Kartoffeln und Kräuterquark.
Warum gelten Hülsenfrüchte und Nüsse als besonders gesund?
Hager: Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen sind nicht nur reich an pflanzlichem Eiweiß, sondern auch an Vitaminen, Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen und Ballaststoffen. Diese tragen zu einer gesunden Darmflora bei. Es wird empfohlen, mindestens einmal pro Woche Hülsenfrüchte zu verzehren, dazu zählen auch Aufstriche oder Hummus. Gut ist auch eine Handvoll Nüsse pro Tag. Nüsse enthalten lebensnotwendige Fettsäuren und sind förderlich für ein gesundes Herz.
Viele junge Leute schwören auf Hafermilch anstatt Kuhmilch. Ist das gesünder?
Hager: Es ist wichtig zu wissen, dass Hafermilch nur wenig Eiweiß enthält, dafür mehr Kohlenhydrate. Sojamilch kommt dem Eiweißgehalt von Kuhmilch am nächsten. Wenn pflanzliche Milchalternativen verwendet werden, sollte auf eine ausreichende Versorgung mit Kalzium geachtet werden.

Die DGE empfiehlt nur noch maximal 300 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche - vorher war es das Doppelte. Warum?
Hager: Unser hoher Fleischkonsum trägt einen Teil zur Klimabelastung bei. Und: Zu viel Fleisch und vor allem Wurst können den Menschen krank machen. Trotzdem empfiehlt die DGE bis zu zwei Portionen Fleisch in der Woche, weil es gut verfügbares Eisen, Zink und B-Vitamine enthält. Zu viel "rotes" Fleisch von Rind, Schwein, Lamm und Ziege und insbesondere Wurst erhöhen jedoch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Dickdarmkrebs.
In den sozialen Medien gibt es einen Trend, bei dem auch immer mehr gesunde Menschen ihren Blutzuckerspiegel tracken, um Gewicht zu verlieren. Ist das sinnvoll?
Hager: Ein konstanter Blutzuckerspiegel allein führt nicht zum Gewichtsverlust. Eine individuelle Beratung durch Ernährungsfachkräfte kann besser helfen. Durch die ständige Überwachung des eigenen Körpers kann eine zwanghafte Kontrolle entstehen. Es ist ratsam, den Blutzuckerspiegel regelmäßig beim Arzt messen zu lassen, wenn in der Familie bereits Diabetes aufgetreten ist.
Dann in aller Kürze: Wie sieht stoffwechselgesunde Ernährung aus?
Hager: Eine ausgewogene Ernährung besteht hauptsächlich aus einer Vielzahl von buntem Gemüse und Obst. Diese liefern wichtige Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken und ein Sättigungsgefühl bewirken. Empfehlenswert sind je nach Saison Beeren, Äpfel, Birnen, Zitrusfrüchte und Aprikosen. Diese können wir mit einer kleinen Portion Kartoffeln, Nudeln oder Reis, hochwertigem Pflanzenöl und einer Eiweißquelle wie Fleisch, Fisch, Bohnen, Käse, Tofu, Schinken oder Ei kombinieren. Es ist wichtig, nur dann zu essen, wenn man Hunger hat und nicht nur aus Gewohnheit. Beim Essen sollte man sich Zeit nehmen, gründlich kauen und Esspausen von vier bis sechs Stunden einlegen.
Und zum Trinken?
Hager: Wenn wir leistungsfähig sein wollen, brauchen wir viel Wasser. Es wird empfohlen, über den Tag verteilt mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit zu trinken, vorzugsweise Wasser oder kalorienfreier, ungesüßter Tee. Dünne Fruchtschorle ist ab und zu in Ordnung, Kaffee auch. Manche schwören auf ein Glas Leitungswasser mit Zitronensaft oder Apfelessig. Und: Vorsicht vor vielen nicht sattmachenden Kalorien in Softdrinks und alkoholischen Getränken!