Der Blick über die Zuckerrübenfelder im Landkreis Würzburg macht es deutlich: Selten in den letzten Jahren waren die Rüben so gut gewachsen, wie heuer. Der regenreiche Sommer trägt dafür die Hauptverantwortung, sagt Simon Vogel von der Rübenabteilung des Ochsenfurter Südzucker-Werks. "Den Leuten hat der nasse Sommer nicht gefallen, aber die Rübe mag es." In der Ochsenfurter Zuckerfabrik steht man nun in den Startlöchern für den Beginn der Rübenkampagne am 24. September. Sie beginnt in diesem Jahr unter besonderen Vorzeichen, die meisten davon sind aus Sicht der Rübenanbauer, positiv. Die kommenden Wochen werden darüber entscheiden, ob es ein gutes, oder gar ein sehr gutes Rübenjahr werden kann.

"Es war perfektes Wachswetter", sagt Vogel. Trockenperioden, in denen sich die Rüben buchstäblich schlafen legen und dabei auch die Zuckerbildung einstellen, blieben aus. Das Ergebnis ist eine um bis zu 80 Prozent höhere Blattmasse, wie die jüngste Proberodung ergeben habe. Solche Proberodungen führt die Rübenabteilung seit Anfang August regelmäßig durch, um die Erntemengen möglichst präzise prognostizieren zu können. Sie liefert wichtige Parameter - vom Bedarf an Hilfsstoffen für die Verarbeitung bis hin zur Anmietung von Lagern.
"Den Leuten hat der nasse Sommer nicht gefallen, aber die Rübe mag es."
Simon Vogel, Rübenabteilung Zuckerfabrik
21 Standorte, verteilt über das gesamte fränkische Anbaugebiet, werden dabei beprobt. Bei der Proberodung am 20. August lag der gemittelte Rübenertrag bei 75,2 Tonnen pro Hektar, das sind 15 Prozent mehr als der Durchschnitt der fünf Vorjahre. In Spitzenlagen des Ochsenfurter Gaus und des Würzburger Nordens wurden sogar über 90 Tonnen erreicht. Am meisten haben die Standorte profitiert, die in trockenen Jahren besonders leiden. "Die Gebiete, die sonst benachteiligt sind, werden einen ordentlichen Ertragssprung machen", sagt Simon Vogel voraus.
Weniger Zucker in der Rübe
Die kontinuierlichen Niederschläge in den vergangenen Monaten haben aber auch eine Schattenseite. Durch den Mangel an Sonne konnte weniger Zucker in den Rübenblättern gebildet werden. Um 14 Prozent liegt der Zuckergehalt der Rübe deshalb aktuell hinter dem Vergleichszeitraum der Vorjahre. "Eine Momentaufnahme", sagt Vogel, denn die Hoffnungen stützen sich auf einen sonnigen Herbst, in dem die Rüben dank der gesunden Blattmasse noch ordentlich Zucker anreichern könnten. "Das ist das Schöne in Franken, dass die Rüben auch im Herbst immer noch zulegen", so Vogel weiter.
Dass die Ernte dann nicht generell später beginnt, hat praktische Gründe. Winterfröste erschweren die Lagerung der Rüben und ihre Verarbeitung. Außerdem ist die Kapazität der Fabrik auf 15 000 Tonnen pro Tag beschränkt. "Der Kampagnenbeginn ist immer ein Kompromiss, um noch möglichst viel Zuwachs mitzunehmen und trotzdem rechtzeitig fertig zu werden", sagt Simon Vogel deshalb. Diesmal rechnet die Südzucker AG damit, dass die Kampagne bis in die zweite Januarhälfte dauern wird.
Weniger Schädlinge durch strenge Winterfröste
Strenge Winter wie der vorangegangene haben aber auch Vorteile. Viele Schädlinge, die milde Winter überdauern können, seien vor allem durch die Spätfröste zugrunde gegangen. Allen voran die gefürchteten Blattläuse. Sie richten zwar wenig direkte Schäden an, sind aber für die Übertragung von Viren verantwortlich, die die sogenannte Vergilbungskrankheit auslösen. Sie hat zur Folge, dass die Rübenblätter bereits im Frühsommer vergilben und ihre Zuckerproduktion einstellen.

Bis vor kurzem wurden die Saatkörner deshalb mit Beizmitteln behandelt, die Neonicotinoide enthalten. Weil diese auch für Bienen und andere Nutzinsekten gefährlich sind, wurden die Mittel EU-weit verboten. Nach einer drastischen Ausbreitung des Befalls im vergangenen Jahr haben die Verbände für das fränkische Anbaugebiet eine Notfallzulassung erwirkt, die den Einsatz unter bestimmten Auflagen weiterhin erlaubt.

Die Verbände rechtfertigen die Zulassung damit, dass das Mittel nicht versprüht, sondern mit dem Saatkorn in den Boden eingebracht wird, und Rüben nicht zur Blüte kommen und deshalb auch keine Bestäuber anziehen. Trotzdem kritisierten Imker und Naturschutzverbände die Notfallzulassung harsch.
Alternativen zum Einsatz von Neonicotinoiden gesucht
Mit Hochdruck werde deshalb seit Jahren an Alternativen zum Neonicotinoid-Einsatz gearbeitet, so Simon Vogel. "Der vielversprechendste Ansatz ist die Züchtung resistenter Sorten", sagt er, doch das sei langwierig. Bislang sei es lediglich gelungen, eine neue Sorte zu züchten, die gegen einen von vier relevanten Virenstämmen widerstandsfähig ist, gleichzeitig aber deutlich weniger Ertrag bringt.
Positiv ist hingegen die Entwicklung des Zuckerpreises an den internationalen Märkten. An der maßgeblichen Londoner Agrarbörse ist der Preis für Weißzucker in den vergangenen Wochen auf über 400 Euro pro Tonne angestiegen, das sind rund 40 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.
"Die Daten sprechen für einen Preisanstieg, den wir uns ebenso wünschen würden wie die Rübenanbauer."
Dominik Risser, Sprecher Südzucker AG
Das nährt die Hoffnung der fränkischen Rübenbauern auf höhere Verkaufserlöse der Südzucker AG und damit höhere Rübenpreise. Konzernsprecher Dominik Risser bleibt aber vorsichtig mit Vorhersagen. "Die Daten sprechen für einen Preisanstieg, den wir uns ebenso wünschen würden wie die Rübenanbauer", sagt er. Allerdings würden die Börsennotierungen nicht anhand realer Warengeschäfte gebildet, sondern aufgrund von Optionen auf die künftige Preisentwicklung. "Wir verhandeln derzeit über langfristige Lieferverträge, erst nach deren Abschluss kann man wirklich solide Prognosen treffen", so Risser.