"Wo wären wir, wenn wir unsere Ärmsten nicht arm halten würden?", sinniert der Kaufman Peachum gleich zu Beginn der Premiere von "The Beggar’s Opera" im Theater am Neunerplatz in Würzburg. Die kleine Puppe schüttelt das zottelige Haar: "Auch ich will nicht verhungern". Das muss als Grund reichen, für Korruption, Lug und Trug - heute, wie auch vor fast 300 Jahren, als John Gays Stück in London Premiere feierte.
Die "Oper für Arme" diente als Vorlage für Brechts "Dreigroschenoper" - es ist das bekannte Spiel zwischen Gangsterbanden um Liebe und Macht. Im Mittelpunkt: Räuberhauptmann Macheath , der sich aus taktischen Gründen gleich zwei Bräute gesucht hat: Die (als Puppe äußerst dralle) Kaufmannstochter Polly Peachum, und (die in Design und Charakter eher hochgeschlossene) Lucy Lockit.
Alle Figuren selbst entworfen und gebaut
All diese Figuren hat der Puppenvirtuose Thomas Glasmeyer entworfen und gebaut - und am Neunerplatz erweckt er sie augenzwinkernd und mit Leidenschaft für die Botschaft (die da vielleicht wirklich am Ende lautet, dass die Welt einfach böse ist) zum Leben. Begleitet wird er dabei von Richard Mayr an der Gitarre, denn schon ein Schild vor Beginn der Darbietung kündigt dem Zuschauer an: Das ist eine Oper, ergo wird gesungen.
Mal mehr, mal weniger frei intonieren die Puppen schließlich den "Der will an mein Geld-Blues" oder den "Die Zeiten werden schlechter-Song". Das klingt aus dem Mund des Puppenspielers Glasmeyer auch mal schräg - macht aber nichts. Denn schräg ist die Story um das Gerangel zwischen Liebe und Geld allemal - und die Inszenierung von Martin Menner transponiert den alten Text geschickt in die Neuzeit. Da haut Richter Lockit schon mal ein "Alle Likes nur Fake" in den Raum, und die geldgeile, fast schon "trumpeske" Mrs. Trapes ärgert sich lautstark über die Mietpreisbremsen.
Der Räuberhauptmann bekommt am Ende sein Urteil - aber wer zieht die Großen vor Gericht? "The Beggar’s Opera" beantwortet diese Frage nicht - trotzdem gab es viel Applaus und sogar ein paar Tränchen zur Premiere, als Puppenspieler Glasmeyer schließlich noch Unterstützer und Förderer im Publikum persönlich ehrte. Denn Puppenspiel - auch wenn es dank Netflix gerade mit Jim Hensons "The Dark Crystal" wieder Aufwind bekommt - braucht Förderer, gerade wenn es so fantasievoll und unique auch Gesellschaftskritik übt.