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Goßmannsdorf: Orchideenwiese: Wie sinnvoll sind die Ausgleichsmaßnahmen?

Goßmannsdorf

Orchideenwiese: Wie sinnvoll sind die Ausgleichsmaßnahmen?

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    An der Oberen Lehmgrube in Goßmannsdorf soll ein Baugebiet entstehen. Naturschützer würden die Fläche gern erhalten. Ihr Totholz ist Lebensraum für etliche Tierarten.
    An der Oberen Lehmgrube in Goßmannsdorf soll ein Baugebiet entstehen. Naturschützer würden die Fläche gern erhalten. Ihr Totholz ist Lebensraum für etliche Tierarten. Foto: Claudia Schuhmann

    Naturschützer meinen es ernst mit ihren Bemühungen um den Erhalt der als "Orchideenwiese" bekannt gewordenen Fläche an der Oberen Lehmgrube in Goßmannsdorf. Wie mehrfach berichtet, möchte die Stadt aus dieser Fläche ein rund 1,6 Hektar großes Baugebiet machen. Das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans aber zieht sich, da Naturschützer immer wieder Einwände gegen das Vorhaben vorbringen.

    Schon 2016 war über ein mögliches neues Baugebiet an der Lehmgrube diskutiert worden, der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan wurde im Sommer 2019 gefasst. Doch die Fläche ist mehr als nur schöner Baugrund: Sie ist ein ökologisch höchst wertvoller Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten. Auch in der jüngsten Bauausschusssitzung wurde wieder in langen Diskussionen um das Areal gerungen.

    "Die Leute lassen sich nicht auf eine Warteliste setzen."

    Bürgermeister Peter Juks (UWG)

    84 Seiten umfassen laut Bürgermeister Peter Juks (UWG) die Abwägungen aller Einwendungen und Anregungen, die die Stadtverwaltung vorgenommen hat. Wie im Bebauungsplanverfahren vorgesehen, hatten auch für das Baugebiet Obere Lehmgrube verschiedene Behörden und Träger öffentlicher Belange, aber auch Privatpersonen, Gelegenheit zu Kritik und Stellungnahme. Wie Juks mitteilte, sei nun beim Thema Ausgleichsflächen "nachgeschärft" worden. Weil das Vorhaben sogar dem Petitionsausschuss des Bayerischen Landtages vorgelegt worden war, habe sich die Stadt bei den beteiligten Behörden rückversichert, um alles korrekt abzuhandeln, so Juks. Die Stadt habe in dem Petitionsverfahren übrigens Recht bekommen.

    Dass den Belangen des Naturschutzes bei der Planung hinreichend Rechnung getragen wurde, daran hat Iris Eisenmann-Tappe (Grüne) trotzdem ihre Zweifel. Auch Bert Eitschberger (SPD) ist nicht restlos davon überzeugt, dass die Abwägung "ergebnisoffen" vorgenommen worden sei. Er erkannte vielmehr den dringenden Wunsch der Stadt, das Baugebiet auszuweisen. Eitschberger war neben Eisenmann-Tappe und Herbert Gransitzki (SPD) eines der drei Ausschussmitglieder, die den Planentwurf nicht billigen wollten. Sieben Mitglieder stimmten dafür.

    Solche Orchideen (Archivfoto) kommen auf der Fläche vor.
    Solche Orchideen (Archivfoto) kommen auf der Fläche vor. Foto: Iris Eisenmann-Tappe

    Für Peter Juks ist dieses Baugebiet mit seinen 14 Bauplätzen eine von nur noch wenigen Möglichkeiten, in Goßmannsdorf einheimischen jungen Familien Baugrund zur Verfügung zu stellen. Im ebenfalls neuen Baugebiet Wiesenweg beginnen demnächst die Tiefbauarbeiten, die einzige andere mögliche Fläche wäre in der Nähe des Bahnhofs, wo aber Juks zufolge zumindest in den kommenden zehn Jahren aufgrund der Lärmimmissionen von der Bahnstrecke ein Baugebiet nicht ausgewiesen werden kann.

    Bleibt also die Obere Lehmgrube. Iris Eisenmann-Tappe wies in der Sitzung auf einen Einwand des Amts für Ländliche Entwicklung (ALE) hin, demzufolge die Ausweisung des neuen Baugebiets den Zielen der Dorferneuerung zuwider laufe. Zunächst sei die Innenentwicklung voranzutreiben. Für Juks ist beides kein Widerspruch. Auch in die Entwicklung der Altorte investiere Ochsenfurt viel Geld, sagte er. Als Paradebeispiel nannte er Hopferstadt, wo mittlerweile kein einziger Hof mehr leer stehe und nun sogar die Scheunen ausgebaut würden. Wie er der Redaktion mitteilte, sei auch in Goßmannsdorf beabsichtigt, einzelne kleinen Höfe im Altort für Wohnzwecke nutzbar zu machen. Dennoch gebe es darüber hinaus gehende Nachfragen nach Bauplätzen.

    "Die Öffentlichkeit wird getäuscht, und das Artensterben schreitet voran."

    Iris Eisenmann-Tappe (Grüne), Stadträtin 

    Iris Eisenmann-Tappe forderte in der Sitzung Informationen über die Anzahl dieser einheimischen Interessenten. Dazu gebe es keinen konkreten Zahlen, antwortete der Bürgermeister. Sei kein Bauplatz zu bekommen, sähen sich die Bauwilligen eben in anderen Gemeinden um. "Die Leute lassen sich nicht auf eine Warteliste setzen."

    Für Iris Eisenmann-Tappe, die selbst etliche der behandelten Einwendungen vorgebracht hatte, ist der Verlust des Lebensraums an der Oberen Lehmgrube der schwerwiegendste Punkt. Ausgleichsflächen seien zwar vorgesehen, doch könne durch die geplanten Maßnahmen der Verlust der wertvollen Fläche eben doch nicht eins zu eins ausgeglichen werden, kritisiert sie. Der Wohnraumgewinnung werde ein höheres Gewicht beigemessen als dem Naturschutz.

    Zweifel an erfolgreicher Orchideen-Umsiedelung

    Dass die Verwaltung sich dabei an die rechtlichen Vorgaben gehalten hat und die Voraussetzungen formell erfüllt, will auch die grüne Stadträtin nicht rundheraus bestreiten. Trotzdem finde sie die Behauptung, es finde ein angemessener Ausgleich statt, unehrlich, sagte sie im Gespräch mit der Redaktion. Wer es ernst meine mit dem Erhalt bedrohter Lebensräume, der müsse mehr tun als passgenau am Wortlaut der Vorschriften entlang zu planen, so Eisenmann-Tappe sinngemäß. Ihre Meinung: "Die Öffentlichkeit wird getäuscht, und das Artensterben schreitet voran." Nicht nur in Goßmannsdorf, in ganz Deutschland sei das der Fall.

    Wer einen ehrlichen Ausgleich vornehmen wolle, müsse renaturieren, also ökologisch wertvolle Flächen schaffen, wo vorher keine waren. Das hält sie bei einer nun neu hinzugekommenen Ausgleichsfläche in der Nähe von Darstadt für nicht gegeben. Dort gebe es jetzt schon Orchideen, ein neues Ökosystem werde nicht geschaffen. Auch die geplante Umsiedelung der Goßmannsdorfer Orchideen hält Eisenmann-Tappe für nicht erfolgversprechend. Die promovierte Biochemikerin ist überzeugt davon, dass man in der Fachliteratur dazu etwas gefunden hätte, falls der Versuch je geglückt sei. Ihr ist aber keine entsprechende Publikation dazu bekannt. Die in der Sitzung anwesende Vertreterin des Planungsbüros Arc-Grün hingegen versicherte, sie selbst habe eine Orchideenumsiedelung woanders bereits mit begleitet.

    Satzungsbeschluss im April möglich

    Iris Eisenmann-Tappe erläuterte auch am Beispiel der Fledermaus, warum die in den Vorschriften für ausreichend erachteten Ausgleichsmaßnahmen aus ihrer Sicht zu nichts führen: Fünf alte Bäume an der Oberen Lehmgrube, in denen Fledermäuse derzeit Bruthöhlen haben, sollen abgeschnitten und die Stämme mit den Höhlen auf Ausgleichsflächen rund um das neue Baugebiet aufgestellt werden. Die Brutplätze bleiben so erhalten, aber: "Wo sollen die Fledermäuse denn Nahrung finden? Die Wiese, auf der sie bisher gejagt haben, wird dann bebaut sein", so Eisenmann-Tappe.

    Ein ähnliches Problem habe der Hirschkäfer, der für seine Existenz das Totholz von Eichen benötigt. Sechs alte Eichen an der Oberen Lehmgrube müssen dem Baugebiet weichen. Zwar soll auch hier das Totholz auf den Ausgleichsflächen als Hirschkäfer-Revier liegen bleiben. Doch wo soll in künftigen Jahren weiteres Eichen-Totholz herkommen, fragt Eisenmann-Tappe. "Hier wird nicht langfristig geplant."

    Bürgermeister Peter Juks hingegen hofft, dass nach einer weiteren Auslegungs- und Abwägungsrunde der Bebauungsplan im April als Satzung beschlossen werden kann. Er hält es zwar nicht für ausgeschlossen, dass die Gegner des Projekts weiterhin versuchen werden, dagegen vorzugehen, sagt aber: "In einer Demokratie sollte man auch einmal akzeptieren, dass es so in Ordnung ist."

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