Der Osram-Prozess am Landgericht Würzburg wegen verbotener Insider-Geschäfte mit Firmengeheimnissen endete anders als erwartet: Was zunächst nach einer schweren Straftat aussah, weckte am Ende selbst beim Gericht Mitleid. "Sie wurden aus Ihrem beruflichen Leben gerissen und sind tief gefallen", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Trapp dem 44-jährigen Ex-Manager des Leuchten-Herstellers Osram.
Hauptangeklagter nicht prozessfähig
Eigentlich zielte das Verfahren vor allem auf dessen 56-jährigen Bruder, einen Finanzberater aus dem Landkreis Würzburg. Doch gegen den war der Prozess nach einer Stunde vorbei: Ein Gutachter erklärte eindeutig: Der ist so schwer krank, dass er nicht fähig wäre, einen Prozess durchzustehen. Notgedrungen stellte die Kammer das Verfahren gegen ihn ein.
"Ein großer Teil betrifft Sie gar nicht," sagte der Vorsitzende zu dem Manager. "Was Ihnen zur Last liegt, können wir heute erledigen." Finanziell hatte der 44-Jährige nicht von verbotenen Geschäften des älteren profitiert. Der Finanzberater hatte 2015 und 2016 solche Informationen aus vertraulichen Gesprächen unter Brüdern zum eigenen Vorteil verwendet.
Ermittler wurden hellhörig
Der Finanzberater nutzte den Wissensvorsprung über naiv ausgeplauderte Einzelheiten zu Osram-Plänen in Malaysia, um an der Börse ein schnelles Geschäft für sich, Freunde und Kunden zu machen: Über eine Million Euro kassierte er dabei. Dann keimte der Verdacht von Geheimnisverrat – und der Osram-Mitarbeiter fiel aus allen Wolken, als die Polizei klingelte.
Denn als Aktiengesellschaft muss Osram mit Ad-hoc-Mitteilungen alle Aktionäre gleichzeitig über wichtige Unternehmensänderungen informieren. Nach Angaben des Manager-Magazins war der Osram-Mitarbeiter Leiter der Bilanzabteilung und des Controllings. So hatte er früher als andere Informationen über Firmenpläne, die noch unter Verschluss waren.
Tiefer Fall eines Managers
Für das naive Vertrauen in den Bruder zahlte der Manager einen hohen Preis: Der 44-Jährige verlor seinen Job – und bekam trotz eifrigem Bemühen keinen neuen. Sein Ruf in der Branche war „verbrannt“ - spätestens seit das Manager-Magazin 2017 unter vollem Namen über den Verdacht berichtete. Notgedrungen arbeitete er als selbständiger Unternehmensberater, tat sich aber schwer, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen.
Der ehemals gut dotierte Betriebswirt musste sein Geld sogar als Tennislehrer verdienen , um den Unterhalt für Frau und Kinder aufzubringen und sein Leben fristen zu können. Fatal dabei: Erst während der Ermittlungen wurde auch ihm bekannt, dass sein Bruder seit 2001 an schweren Depressionen litt, mehrfach in Kliniken war und sogar gedroht hatte, sich von einer Brücke zu stürzen.
"Ich kannte die ganze Tragweite des Falles nicht"
Ob der erkrankte Finanzberater zuletzt aus Verzweiflung die Informationen seines Bruders nutzte, um Kunden gegenüber sein Image als erfolgreicher Makler aufrecht zu erhalten? Der Gefragte zuckt hilflos mit den Schultern. "Ich kannte die ganze Tragweite des Falles nicht."
An der Erkrankung scheiterte immer wieder ein Prozessbeginn - und die Chance, beruflich wieder auf die Beine zu kommen. "Wir haben die Anklage zeitnahe zugelassen", verscherte das Gericht. Prozesstermine wurden anvisiert, verschoben, wieder gestrichen. Jetzt sagte ein Gutachter eindeutig: Der Finanzmakler ist so krank, dass er dauerhaft nicht prozessfähig wäre.
"Sie haben eine zweite Chance verdient"
Um den Fall zu Ende zu bringen, verständigte sich das Gericht mit Anklage und Verteidigung über eine Strafobergrenze für ein Geständnis. “Sie haben eine zweite Chance verdient,“ sagte der Vorsitzende. "Hoffentlich können Sie sie nutzen."Der Angeklagte machte reinen Tisch, seine Verfehlung war großem Vertrauen in den Bruder geschuldet. Er soll 180 Tagessätze zu 40 Euro zahlen und hat "große Hoffnung" auf einen beruflichen Neubeginn. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.