Sie plätschert und plätschert. Tagein, tagaus. Im Sommer wie im Winter. Nie wird sie versiegen, sagt die Überlieferung. Die Rede ist von der Ottilienquelle im kleinen Pfahlenheim.
Pfahlenheim? Ja, den Ort muss man suchen. Fast verschluckt von den hügeligen Feldern zwischen dem Städtchen Aub (Lkr. Würzburg) und der Autobahn Würzburg-Ulm (A7), liegt Pfahlenheim fernab jeglicher Tragweite. 100 Menschen leben in dem Dorf. Ein Gasthaus, ein Verein, eine Kirche. Stille allerorten. Hier hört die Welt auf.
Die Quelle muss man suchen - wie Pfahlenheim selbst
Genau das ist der Charme dieses mittelfränkischen Fleckchens Erde, der noch intensiver wird durch einen Ort voller Legenden: die Ottilienquelle. Sie muss man in Pfahlenheim suchen wie das Dorf selbst. Es ist keine Sehenswürdigkeit, auf die an jeder Ecke Schilder hinweisen. Doch hat man die Quelle am südwestlichen Ortsrand gefunden und hat man eine Neigung für schöne Geschichten, taucht man ein in ihren Zauber.
Das tun vor allem Pilger gerne. Denn die Quelle liegt gleich an zwei Fernwanderwegen: dem Kunigundenweg (Aub-Bamberg) und einem der vielen Ableger des Jakobswegs.
Bärbel Bandt kennt sich aus
Bärbel Bandt gehört zu den wenigen Pfahlenheimern, die sich um die Quelle kümmern und die noch einige Geschichten über sie erzählen können. Die 71-Jährige macht im Wechsel mit Karin Weigand vom Obst- und Gartenbauverein Führungen rund um die Quelle, deren Wasser so heilsam bei Augenleiden sein soll. Doch auch in anderer Hinsicht hat das Wasser Fans gefunden: „Wenn du das mal getrunken hast, willst du nichts mehr anderes“, zitiert Bandt einen Gast aus Baden-Württemberg, der ihr das mal nach einem Besuch in Pfahlenheim gesagt habe.
Welche Kräfte in dem Quellwasser wirklich liegen, hat noch niemand unter die Lupe genommen. Es habe vor Jahren nur mal eine bakteriologische Untersuchung gegeben, erinnert sich Bandt. Ergebnis: Mit dem Wasser sei in dieser Hinsicht alles in Ordnung – mehr aber auch nicht.
Im Ort geht man mit der Quelle gelassen um
Überhaupt geht man in Pfahlenheim mit dem Kleinod offenbar gelassen um. Mit dem typisch fränkischen „Bassd scho“ quittieren die Menschen dort die Tatsache, dass es die Quelle gibt. Immerhin hat der Obst- und Gartenbauverein vor knapp zehn Jahren die Grünanlage rund um die Quelle hergerichtet. Seither stehen dort eine Ruhebank und eine Tafel mit Infos zur Heiligen Ottilie.
Wenngleich die Quelle heute für die Einheimischen offenbar eine Selbstverständlichkeit ist, war sie früher durchaus von Rang: Im Bericht einer lokalen Zeitung von 1957 ist zu lesen, dass die Quelle in Pfahlenheim bei den Germanen wohl ein Opferbrunnen gewesen sei. Solche Brunnen „standen damals in ungemein hohem Ansehen“.
Quelle speist den Dorfbrunnen
Immerhin: Heute speist das Wasser der Ottilienquelle einen Brunnen der bei der Dorferneuerung vor einigen Jahren schick gemachten Ortsmitte. Die Brunnenanlage nennt sich Pfahlenheimer Rechen, weil sie drei Stelen hat. Eine symbolisiert den Jakobsweg, eine den Kunigundenweg (Aub-Bamberg) und die dritte die Ottilienquelle – dargestellt als Auge, das auf dem Wasser schwimmt.
Abgesehen von der Brunnenanlage fließt das Quellwasser ziemlich unscheinbar in den nahen Mühlbach, der einige Kilometer weiter in die Gollach mündet, die wiederum in Bieberehren (Lkr. Würzburg) die Tauber füllt, die letztendlich bei Wertheim im Main endet.
Die Quelle „hat etwas Besonderes“
So weit die Fakten. Sie verhindern nicht, dass die Ottilienquelle anzieht: „Sie hat etwas Besonderes“, ist Pfahlenheims evangelischer Pfarrer Jürgen Blum überzeugt. Da verwundert es nicht, dass Blum für jede Taufe das Wasser aus der Ottilienquelle holt. Überhaupt hängt die 1492 oder 1496 – die Angaben dazu gehen auseinander – in Stein gefasste und herrlich von Bäumen umsäumte Quelle mit der hundert Meter entfernten Kirche Sankt Ursula und Wendelin eng zusammen.
Im Chorraum des 570 Jahre alten Gotteshauses steht in einer Wandnische die Holzfigur der Heiligen Ottilie, Namensgeberin der Quelle.
Um die Figur eines unbekannten Meisters hüllen sich ähnliche Legenden wie um die Quelle. So soll sie nach einem Brand der ursprünglich katholischen Kirche während des Dreißigjährigen Kriegs unversehrt geblieben sein – ein Wunder. Das fanden die Menschen im benachbarten Rodheim so beeindruckend, dass sie den Pfahlenheimern die knapp einen Meter hohe Gnadenfigur abkaufen wollten.
Nachbarort machte einst ein betörendes Angebot
Ihr Angebot: Sie wollten so viele Geldstücke zahlen, wie – aneinander gelegt – auf den Weg zwischen den beiden Dörfern passen. Fünf Kilometer Strecke sind das – es wäre ein unglaubliches Vermögen zusammengekommen. Doch die Pfahlenheimer blieben unbeeindruckt, sie wollten ihre heute 500 Jahre alte Figur unbedingt behalten. Und so zieht sie nach wie vor Schaulustige an – auch katholische.
Die kaum kindsgroße Figur steht links im Chorraum in einer Nische. Kennt man ihre Bedeutung nicht, würde man es nicht weiter beachten. Eine Figur so unscheinbar wie der Ort, in dem sie sich befindet.
Auch die Kirche im Ort ist interessant
Für Pilger gibt es in der Kirche im Übrigen einen Stempel mit dem Abbild der Heiligen Ottilie samt Gästebuch. Der Charme des kleinen Gotteshauses ist wie gemacht für eine besinnliche Rast. Wunderbare Ruhe – wer soll hier auch stören?
Ob Ottilie je auch diese Ruhe erlebt hat, muss bezweifelt werden. Denn dass die Heilige einmal in Pfahlenheim war, gilt als eher unwahrscheinlich. So oder so, zum Ort gehört sie bis heute dazu als wäre sie von hier.

Die Heilige und ihre Quelle: Tipps und Fakten Die Heilige Ottilie (oder auch Odilie, Odilia, Odile, Oettel) kam Mitte des 7. Jahrhunderts in Ostfrankreich zur Welt – blind. Das hatte zur Folge, dass ihr Vater sie verstieß und töten lassen wollte. Eine Amme nahm das Kind heimlich in Obhut, es wuchs im Kloster auf. Bei ihrer Taufe im Alter von zwölf Jahren, so erzählt die Geschichte, wurde Ottilie plötzlich sehend. Später kehrte sie zu ihrem Geburtsort Schloss Hohenburg auf dem elsässischen Odilienberg zurück. Doch ihr Vater blieb zunächst unversöhnlich. Kurz vor seinem Tod vermachte er seiner Tochter aber doch noch das Schloss, wo Ottilie ein Kloster gründete. Zahlreiche Wunder spricht man ihr in dieser Zeit zu, so dass ihre Verehrung weite Kreise zog – unter anderem bis nach Bayern. Viele Quellen wurden nach ihr benannt. Deren Wasser gilt als heilend bei Augenleiden. Die Ottilienquelle in Pfahlenheim bietet sich bei Wanderungen oder Radtouren als Rastplatz an. Neben Schautafeln mit Informationen zur Quelle findet man dort auch Ruhebänke. In Pfahlenheim befindet sich eine Gastwirtschaft. Die Kirche mit der Heiligenfigur kann besichtigt werden. Weitere Infos bei Bärbel Bandt, Telefon (0 98 48) 457. Unser Autor empfiehlt eine familientaugliche Rad-Rundtour von Aub zur Ottilienquelle (18 Kilometer, auch als Wanderung machbar -hier alle Streckeninfos wie Höhenprofil, Verlauf und GPS-Daten zu dieser Tour).