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Würzburg: Bedeutet Fremdgehen wirklich das Aus der Beziehung oder ist es eine Chance? - Paartherapeutin aus Würzburg klärt auf

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Bedeutet Fremdgehen wirklich das Aus der Beziehung oder ist es eine Chance? - Paartherapeutin aus Würzburg klärt auf

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    Fremdgehen ist auch heute noch einer der häufigsten Trennungsgründe. Die Würzburger Paartherapeutin Barbara Biemer beantwortet spannende Fragen rund um das Thema.
    Fremdgehen ist auch heute noch einer der häufigsten Trennungsgründe. Die Würzburger Paartherapeutin Barbara Biemer beantwortet spannende Fragen rund um das Thema. Foto: Ivana Biscan

    Fremdgehen, Seitensprung oder Betrug: Egal wie man es auch nennen mag, Sex mit einer Person außerhalb der eigenen Beziehung ist Umfragen zufolge einer der häufigsten Trennungsgründe. Kein Wunder, denn wenn der Partner oder die Partnerin betrogen wird, ist nicht nur die Enttäuschung groß, sondern auch häufig das Vertrauen weg.

    Warum aber gehen Menschen immer wieder fremd? Und muss dies das Ende einer Beziehung bedeuten? Kann der Seitensprung auch eine Chance sein? Im Interview beantwortet Paar- und Sexualtherapeutin Barbara Biemer aus Würzburg Fragen rund um das Thema.

    Frage: Warum gehen Menschen fremd?

    Barbara Biemer: Das mag eine einfache Frage sein, sie ist aber nicht leicht zu beantworten. Es gibt ganz vielfältige Gründe dafür. Die können sowohl in der Beziehung liegen, als auch in der eigenen Person.

    Was gibt es denn für Gründe innerhalb einer Beziehung, die dazu führen können, dass Menschen fremdgehen?

    Biemer: Keine Beziehung erfüllt alle Bedürfnisse. Das ist unmöglich. Irgendwas bleibt immer unerfüllt. Wenn zum Beispiel eine Person in der Beziehung gern ins Kino geht und die andere nicht, dann kann das relativ einfach mit Freunden ausgeglichen werden. Geht es aber darum, dass man sich nicht mehr verstanden fühlt oder nicht mehr begehrt, dann kann es dazu führen, dass man sich mehr oder weniger aktiv einer anderen Person zuwendet. Dieser Ausgleich wird in der Beziehung in der Regel nicht so einfach hingenommen. Manchmal ist es auch so, dass in der Beziehung nichts als fehlend wahrgenommen wird, sich aber die Gelegenheit zum Fremdgehen bietet. Zum Beispiel, weil man plötzlich auf eine Person trifft, die einen besonderen Reiz auf einen ausübt.

    Barbara Biemer ist Diplom-Sozialpädagogin und Paartherapeutin in Würzburg - und spricht im Interview über Fremdgehen und die Hintergründe.
    Barbara Biemer ist Diplom-Sozialpädagogin und Paartherapeutin in Würzburg - und spricht im Interview über Fremdgehen und die Hintergründe. Foto: Thomas Obermeier

    Gründe, die in der eigenen Persönlichkeit liegen - was meinen Sie damit?

    Biemer: Es gibt Menschen, die brauchen so viel Aufmerksamkeit, Anerkennung oder Liebe, die ihnen ein Mensch allein gar nicht geben kann. Die Gründe dafür können weit in der Kindheit zurückliegen. Eine Möglichkeit kann dann sein, sich die Liebe und Anerkennung zusätzlich woanders zu holen. Das ist schwerwiegend, denn um dieses Fremdzugehen zu verändern, müsste die Person an ihrer Persönlichkeit arbeiten. Andere Menschen haben grundsätzlich Angst davor, verlassen zu werden. Deshalb kann ein Versuch sein, diesem Schmerz zu entgehen, nicht abhängig zu werden. Dafür halten sie immer ein bisschen inneren Abstand zur Partner:in und den füllen sie dann mit einer anderen Person auf. Das sind zwei tiefer liegende Aspekte, die schwerer allein innerhalb der Partnerschaft zu lösen sind, und häufig therapeutische Unterstützung brauchen.

    Gesellschaftlich wird das Fremdgehen häufig als etwas Schlechtes empfunden. Gibt es Gründe, die es nachvollziehbar oder verständlich machen, dass eine Person fremdgeht?

    Biemer: Natürlich ist es verständlich. Es gibt immer Gründe, warum jemand fremdgeht, und alle Gründe sind nachvollziehbar. Genauso ist der Schmerz der:des Betrogenen verständlich. Fremdgehen bedeutet, dass man gegen die bestehenden Regeln in der Beziehung verstößt. Öfter sind die Regeln gar nicht ausgesprochen, weil man davon ausgeht, dass beide das Gleiche wollen. Für eine Person kann Fremdflirten bereits Betrug sein, für die andere erst die gelebte Sexualität.

    "Es gibt immer Gründe, warum jemand fremdgeht."

    Sexualtherapeutin Barbara Biemer

    Unterscheiden sich bei Männern und Frauen die Gründe, warum sie fremdgehen?

    Biemer: Tendenziell zeigen Untersuchungen, dass bei Männern die Sexualität an höherer Stelle steht und bei Frauen die Intimität, also das Emotionale.

    Bei Frauen das Emotionale - was genau meinen Sie damit?

    Biemer: Jeder Mensch hat das Bedürfnis, gesehen zu werden und so akzeptiert zu werden, wie man ist. Das wollen Männer genauso wie Frauen. Beide sind aber nach wie vor unterschiedlich sozialisiert. Das heißt, Frauen suchen die Anerkennung eher darüber, dass sie sich als Mensch beachtet und wertgeschätzt fühlen. Über Gespräche oder darüber, dass sie zum Beispiel beim Ausgehen angeflirtet werden. Sexualität ist ein Teil der Wertschätzung.

    Und wie sieht das bei Männern aus?

    Biemer: In der Tendenz sagt man, dass Männer sich ihre Anerkennung eher über die Sexualität holen als über das Emotionale. Männer fühlen sich eher in ihrem Selbstwertgefühl gestärkt, wenn sie das Gegenüber erobern können und/oder das Gegenüber zum Orgasmus bringen. Ich spreche immer von einer Tendenz. Selbstverständlich gibt es Frauen und Männer und auch nicht-binäre Menschen.

    Man hört ja häufig den Satz: In einer gesunden Beziehung geht man nicht fremd. Stimmt das?

    Biemer: Naja, in welcher Beziehung ist alles toll? Jedem Menschen kann es passieren, dass man eine Person kennenlernt, die einen irgendwie berührt – trotz erfüllter Partner:innenschaft. Ich glaube, niemand kann beschwören, dass so etwas nicht passiert. Die Frage ist, was mache ich, wenn es dazu kommt?

    Unzufriedenheit in einer Partnerschaft kann aber auch ein Grund sein?

    Biemer: Ja, klar. Wenn man länger zusammenlebt, bekommt der Alltag eine größere Bedeutung. Das Liebevolle, Flirtende und Kribbelnde wird weniger. Es kann sein, dass man nachlässiger in der Beziehung wird oder egoistischer. Dann kann es sein, dass Fremdgehen eine Bedürfnisbefriedigung dessen ist, was man in der eigenen Beziehung nicht bekommt. Das kann eine Beziehung natürlich gefährden.

    Manchmal ist es also auch der Sex in einer Beziehung, der weniger wird oder fehlt?

    Biemer: Klar, der Sex tritt manchmal in den Hintergrund. Tendenziell kann man sagen, dass sich die Sexualität nach der Verliebtheitsphase verändert. Dann ist die Frage: Kann man mit der Veränderung leben? Vielleicht wird der Sex langweiliger oder seltener. Da kommt es darauf an, ob beide mit der Situation einverstanden sind, oder ob einer Person der Sex mehr fehlt. Und ob das Paar dann in der Lage ist, darüber zu sprechen und eine Lösung zu finden.

    "Einmal Fremdgehen ist anders als eine Affäre zu haben."

    Barbara Biemer, Paartherapeutin aus Würzburg

    Sie haben gesagt, dass eine Beziehung durch das Fremdgehen gefährdet sein kann. Heißt das, dass Fremdgehen nicht immer zwangsläufig das Ende einer Beziehung bedeuten muss?

    Biemer: Statistisch gesehen ist Fremdgehen der häufigste Trennungsgrund. Es muss aber keiner sein, wenn das Paar weiterhin ein Interesse daran hat zusammenzubleiben. Eine Beziehung kann auch daran wachsen – hört sich vielleicht komisch an. Und es gibt einen Unterschied: Einmal Fremdgehen ist anders als eine Affäre oder eine Außenbeziehung zu haben.

    Wie kann eine Beziehung durch Fremdgehen wachsen?

    Biemer: Durch das Fremdgehen wird die Beziehung durcheinander gerüttelt. Das kann hilfreich sein, ist aber keine Anleitung zum Fremdgehen. Durch den Vertrauensbruch hat die Beziehung quasi ihre Unschuld verloren, denn man merkt, dass es nicht mehr selbstverständlich ist, zusammenzubleiben.  Das ist sehr schmerzhaft und nicht einfach. Die Frage ist, ist man trotz des Schmerzes bereit, zu schauen: Was ist mit uns los? Wo stehen wir als Paar? Was brauchst du? Was brauche ich? Was braucht unsere Beziehung? Deshalb kann es für eine Beziehung etwas Gutes sein, weil man sich zusammensetzt und über Dinge ehrlich spricht.

    Eine Frage, die sich spätestens nach dem Fremdgehen für viele stellt: Sollte man es dem Partner oder der Partnerin sagen oder lieber für sich behalten?

    Biemer: Wenn es ein Fremdgehen gab und der:die Andere den Verdacht hat und es anspricht, dann sollte man es zugeben. Alles andere wäre doppelter Betrug. Wenn noch kein Verdacht besteht, sollte man erstmal für sich selbst klären: Was sind meine Gründe? Was bedeutet das für meine Beziehung? Wenn die Person das für sich selbst klären kann und sich selbst klar für die Beziehung entscheidet und das Fremdgehen loslässt, dann kann es sogar sein, dass es für die Beziehung nicht wichtig ist, darüber zu sprechen.

    Und wenn man es erzählen will, weil man ein schlechtes Gewissen hat?

    Biemer: Das kommt immer auf das Gesamte an. Will man mit dem Geständnis nur sein eigenes Gewissen erleichtern, hat aber kein Interesse daran, sich mit der Beziehung auseinander zu setzen -das finde ich, geht nicht!

    Hinweis: Diese Redaktion verzichtet in eigenen Texten auf Gender-Konstruktionen wie Sternchen, Doppelpunkt und Binnen-I. Wenn eine Gesprächspartnerin oder ein Gesprächspartner im Interview bewusst gendert, übernehmen wir diese Form und verwenden dafür dann Doppelpunkte.

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