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WÜRZBURG: Parkplatz am Viehmarkt: Wir sind die Camper

WÜRZBURG

Parkplatz am Viehmarkt: Wir sind die Camper

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    Aus Deutschland: Ingrid und Edgar Beiersdorfer waren im vergangenen Jahr 316 Tage unterwegs.
    Aus Deutschland: Ingrid und Edgar Beiersdorfer waren im vergangenen Jahr 316 Tage unterwegs. Foto: Thomas Obermeier

    Felipe VI. ist der König dieses Landes. Sieben Buchstaben. Edgar Beiersdorfer lehnt sich entspannt auf seinem blau-weißen Klappstuhl zurück und greift zum Kugelschreiber. Eine Frage über Spanien –  für den 67-Jährigen ein Klacks. Mit einem wissenden Lächeln füllt er die weißen Felder aus und legt das fertige Kreuzworträtsel auf die rot-weiß-gestreifte Tischdecke. „Da überwintern wir meist“, fügt seine Frau Ingrid erklärend hinzu. Die 66-Jährige sitzt auf der anderen Seite des silbernen Klapptisches und steckt ihre Sonnenbrille ins Haar.  316 Tage lang waren die beiden Oberfranken im vergangenen Jahr in ihrem Wohnmobil unterwegs – heute halten sie am Viehmarktparkplatz in Würzburg.

    „Das ist ein richtiges Idyll hier.“ Die Bad Staffelsteiner haben einen Platz direkt am Main ergattert. Nebenan urlauben Spanier und Belgier, vor ihnen schippert die „Alte Liebe“ über das Wasser. „Der da drüben liegt so abgelegen und es ist da nachts so laut“, sagt Edgar und deutet in Richtung des Campingsplatzes am Außengelände des Alten Hafens auf der anderen Uferseite. Im Internet hätten Sie den Tipp bekommen, sich unterhalb der Friedensbrücke hinzustellen. Seit 1990 wird der Platz bewirtschaftet, für die Tageskarte nimmt die WVV hier drei Euro, auf der anderen Flussseite sind es acht. „Der Viehmarktplatz ist aber definitiv nicht zum Dauercampen gedacht“, stellt Stadtsprecher Christian Weiß klar. Daher gäbe es auch keine Sanitäranlagen oder elektrische Versorgung. Einmaliges Übernachten? In der Grauzone.

    „Hier gibt es zwar keinen Strom oder Duschen, aber wir haben ja alles dabei“, erzählt Edgar und deutet auf das sieben Meter lange Fahrzeug hinter sich. „Das ist unser siebtes“, verraten die beiden stolz. Seit Jahrzehnten verbringen sie die meiste Zeit auf vier Rädern, zuhause wartet nur eine kleine Mietwohnung auf die Rentner. „Wir müssen unterwegs auf nichts verzichten.“ Edgar nimmt das Kreuzworträtsel wieder zur Hand. Die Bildzeitung, ein kleines Radio, eine Fliegenklatsche und Zeitschriften haben sich die Beiersdorfers mit in ihren Würzburger „Vorgarten“ genommen. „Und ein bisschen Wein“, sagt Ingrid und hält das halb volle Glas in die Höhe. Weißes Blüschen, helle Sandalen, schick frisierte Haare, tiefroter Lippenstift – die gelernte Anwaltsgehilfin entspricht nicht gerade dem Klischee einer Dauercamperin. „Ich geh gern bummeln und einkaufen.“ Aus vielen ihrer zig Urlaubziele hat sie ein Andenken im Schrank. „Es ist gut, wenn die Frau ein Hobby hat“, erklärt ihr Gatte das Rezept einer funktionierenden Beziehung auf Rändern.

    Das Rezept für eine perfekte Ehe – auf dem Viehmarktplatz am Würzburger Mainufer scheint man es gefunden zu haben. „Wir sind seit 40 Jahren verheiratet“. Der glatzköpfige Pierre Meuffels lässt den Korken knallen. Mit seine Marij tuckert der 59-Jährige die Romantische Straße entlang. „Da kommt man automatisch hier raus“, erklärt er seinen Standort. Zum allerersten Mal sind die beiden in Deutschland – und das, obwohl sie nur rund zehn Kilometer von der Grenze entfernt im belgischen Maaseik leben. Den Tag über seien sie durch die Stadt gelaufen, hätten sich den Dom und den Marktplatz angeschaut. „Es ist perfekt, dass man zu Fuß direkt überall hinkommt“, schwärmt Pierre.

    Jetzt sitzen sie eingekästelt von zwei Wohnmobilen auf gepolsterten Klappstühlen, blicken Richtung Festung – und reden. „Wir haben uns immer was zu sagen“, betont der pensionierte Krankenhausfotograf. Seine Marij lächelt. Obwohl sie kein Deutsch spricht, nickt die 58-Jährige nach jedem Satz ihres munter plaudernden Ehemanns. „Man fängt mit einem kleinen Zelt an und wird dann immer größer“, schildert dieser den Werdegang eines Campers. Frankreich, Portugal, Dänemark oder Spanien hätten sie in den letzten zwei Jahren schon bereist – und das nur, weil sich die Frau im Hause durchgesetzt habe. „Sie hat mich überredet, ein Wohnmobil zu kaufen“, sagt Pierre fast akzentfrei, rückt seine markante Brille zurecht und schenkt einen fränkischen Wein ein. Die deutsche Sprache habe er beim Fernsehschauen gelernt, fügt er beiläufig hinzu und greift zum Glas. Fünf Monate im Jahr erkunden die beiden Europa in ihrer fahrenden Wohnung, Freunde nehmen sie auf ihren Reisen nie mit. „Wir mögen das zu zweit.“ Pierre schaut seiner Marij in die Augen, für einen kurzen Moment sind die Klappstühle, Urlauber und Wagen um sie herum verschwunden. Dann sagt er etwas auf flämisch. Seine Marij lacht.

    Aus Spanien: Carmen und Godfrey Vella sind vor drei Monaten zuhause gestartet.
    Aus Spanien: Carmen und Godfrey Vella sind vor drei Monaten zuhause gestartet. Foto: Thomas Obermeier

    Wer derzeit abends am Ufer des Viehmarktparkplatzes vorbeischlendert, findet kaum einen einsamen Menschen. Die meisten Camper, die hierher kommen, sind Ehepaare. Männer und Frauen, die ihre Berufs- und Familienzeit hinter sich gelassen haben. Die im Campen etwas gefunden haben, das sie mit Leidenschaft erfüllt, ihren Horizont erweitert, sie als Paar näher zusammenbringt – und schlicht glücklich macht.

    „Ich war 64, als wir uns entschieden haben, ein Wohnmobil zu kaufen“, sagt Godfrey Vella und faltet eine riesige Deutschlandkarte auf. Zuhause habe sich nichts mehr verändert, man habe sich gelangweilt und wenig Neues gesehen. „Und für Urlaube im Hotel fehlte das Geld“, fügt seine Frau Carmen hinzu. Vor gut drei Monaten sind die Spanier aus der Hafenstadt Alicante gestartet, sind durch Frankreich, Dänemark, Norwegen und Schweden gefahren, haben immer dort angehalten, wo es ihnen gefallen hat – meist auf Farmen oder Weingütern.

    „Dank Gott für den Sturm, sonst wären wir jetzt nicht hier in Würzburg“, sagt Carmen und zupft an ihrem knallig orangefarbenen Kleid. Wegen des Wetters hätten sie sich entschieden, in Würzburg Halt zu machen – und es keine Sekunde bereut. „Das ist einfach eine super Stelle.“ Godfrey blickt von seiner Karte auf. Sein Blick gleitet von den Weinbergen über die Friedensbrücke zu den Türmen der Stadt. Ein Panorama wie aus dem Katalog – dabei hätten sie den Viehmarktplatz nur zufällig beim Abfahren entdeckt. Ein ebensolcher sei ihre Begegnung in der Würzburger Innenstadt eben gewesen. „Wir haben Schweizer getroffen, die vor ein paar Wochen in Leipzig neben uns gecampt haben“, erzählen sie. Das Campingvolk sei eben doch irgendwie wie eine große Familie – auch, wenn viele nur zu zweit unterwegs sind.

    Aus Frankreich: Joycelyne und Serge Ducas wollen auf ihrer Tour durch Deutschland viel radeln.
    Aus Frankreich: Joycelyne und Serge Ducas wollen auf ihrer Tour durch Deutschland viel radeln. Foto: Thomas Obermeier

    So auch Serge und Jocelyne Ducas. Die Franzosen sind vor drei Wochen aus der Nähe von Lyon zu ihrer Deutschlandtour aufgebrochen, die Frage nach dem Warum können sie leicht beantworten: „Es sind kaum Franzosen hier“, sagt Serge strahlend und knöpft den obersten Knopf seines Karohemdes zu. „Wir wollen aktiv sein, aber zu zweit“, verdeutlicht seine 60-jährige Frau, öffnet die hintere Klappe des Wohnmobils und deutet auf die beiden Fahrräder. Nicht nur zum Radeln sei der Standort perfekt: „Man ist direkt in der Stadt, kann sich aber auch erholen.“

    Ganz so inkognito können Enrica und Daniele Paletti in Würzburg nicht urlauben. „Hier campen viele Italiener“, sagt der 56-Jährige, als er seinen Klappstuhl mit dem Rücken zum Main aufstellt. Sie beide wohnen in der Nähe des Gardasees, daher sei die Landschaft für sie hier interessanter als das Wasser. Einmal im Jahr fahren die Palettis im Wohnmobil durch Europa, die nächste Station sei der Schwarzwald. „Aber jetzt bleiben wir erst einmal hier“, sagt Daniele, lächelt, und lässt sich in den Klappstuhl plumpsen.

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