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Würzburg: Permanente Schmerzen nach Zeckenstich: Zwei Betroffene aus Unterfranken berichten über Borreliose

Würzburg

Permanente Schmerzen nach Zeckenstich: Zwei Betroffene aus Unterfranken berichten über Borreliose

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    Vorsicht, Zecken!  Vor allem nach sommerlichen Wald- und Wiesenspaziergängen sollte man sich genau auf die blutsaugenden Milben untersuchen.
    Vorsicht, Zecken!  Vor allem nach sommerlichen Wald- und Wiesenspaziergängen sollte man sich genau auf die blutsaugenden Milben untersuchen. Foto: Florian Schuh, dpa

    Weil sie als Kind am Waldrand lebte, hatte sie immer wieder mal einen Zeckenstich. Und so machte sich Angela J. aus Würzburg keine großen Gedanken, als sie 2008 nach einem Spaziergang  eine Zecke entdeckte. Sie entfernte sie wie immer vorsichtig und beobachtete die Einstichstelle ein paar Tage lang. Doch die blieb unauffällig. Keine Wanderröte oder ähnliche Merkmale einer Borreliose waren zu sehen. 

    Ein gutes halbes Jahr später begannen permanente Kopfschmerzen und Schmerzen in den Beinen, erzählt die Würzburgerin. Es dauerte ein weiteres halbes Jahr, bis die Ärzte viele andere Krankheiten ausgeschlossen hatten und der Verdacht auf Borreliose fiel. Sie habe sofort mit einer Antibiotika-Therapie begonnen, sagt die 41-Jährige. Damit gelten Borreliosen als gut behandelbar. 

    Angela J.: Muskel- und Nervenschmerzen und starke Schlafstörungen 

    Doch bei ihr hätten sich die Bakterien nicht vollständig vertreiben lassen: "Das bleibt mir wohl mein Leben lang." Und trotz aller Vorsichtsmaßnahmen erwischte es sie zwei Jahre später beim Pilzesammeln erneut, erzählt Angela J.. Diesmal folgte dem Zeckenstich die für eine Borreliose typische ringförmige Wanderröte. Nach einer zweiten Antibiotika-Therapie unterzog sich die Würzburgerin 2012 dann wegen anhaltender Beschwerden einer Nervenwasser-Untersuchung. Die habe Gewissheit gebracht: "Die  Erreger sind immer noch da, es handelt sich um eine Neuroborreliose." Selbst drei Antibiotika-Therapien hätten die Erreger nicht besiegen können.  

    "Das bleibt mir wohl mein Leben lang."

    Borreliose-Patientin Angela J. aus Würzburg

    Hauptproblem seien die Muskel- und Nervenschmerzen in den Beinen, schildert die 41-Jährige. Vor allem bei Belastungen würden die sehr heftig werden, im Sommer stärker als im Winter. "Ich kenne keinen Tag ohne Schmerzen, aber man gewöhnt sich daran." Beruflich in der Pflege tätig, muss Angela J. bei der Arbeit oft und lange stehen. Abends dann kämen unweigerlich die Beschwerden. Lange Shopping-Touren habe sie sich abgewöhnt. Längere Autofahrten würden ihr Probleme bereiten. 

    Hinzu kämen seit mittlerweile über 10 Jahren permanente Schlafstörungen, sagt die 41-Jährige. An Durchschlafen sei nicht zu denken, maximal vier Stunden am Stück. Ihr sei medizinisches Cannabis gegen die Schlafstörungen und die Schmerzen empfohlen worden. Aber sie finde in in Würzburg keinen niedergelassenen Arzt, keine Ärztin, die mit ihr diesen Therapieweg gehen würden.   

    Wichtigstes Ziel: Leben nicht von der Krankheit bestimmen lassen

    Sie habe inzwischen gelernt, ihr Leben nicht von der Borreliose bestimmen zu lassen, sagt Angela J.. Eine Zeitlang habe sie gehadert, warum es ausgerechnet sie getroffen habe. Jetzt sei ihr das wichtigste, sich auf keinen Fall von der Krankheit beherrschen zu lassen: "Natürlich weiß  ich, dass zum Beispiel ein Zoobesuch mit den Kindern mich noch ein paar Tage später beschäftigen wird. Ich mache ihn trotzdem."      

    Genau wie die geliebten Wald- und Wiesenwanderungen. Wenn sie trotz aller Vorsicht wieder eine Zecke erwischt, markiere sie die Einstichstelle und beobachte sie genau. Sie fürchte die blutsaugenden Milben nicht mehr. Nur wenn ihre Kinder einen Zeckenstich haben, seien Ängste und Sorgen groß. 

    Sabine G.: Zeckenstich gar nicht bemerkt

    Sabine G. aus dem Landkreis Würzburg  hatte den Zeckenstich zunächst gar nicht bemerkt. Erst ein dauerhaftes Jucken am Bein ließ sie aufmerksam werden. Sie entdeckte die typische Wanderröte, die auf eine Borreliose hinweist. Ihr Arzt bestätigte den Verdacht und attestierte eine Lyme-Borreliose. Nach der klassischen 30-tägigen Antibiotika-Therapie sei zwar der rote Fleck verschwunden, berichtet die 57-Jährige. Doch andere Beschwerden hätten sie immer heftiger belastet. Immer wieder habe sie Lähmungserscheinungen im Bein gehabt, sei sehr oft müde gewesen: "An Sport war gar nicht mehr zu denken." 

    Einmal sei es so schlimm gewesen, dass sie in die Notaufnahme eines Krankenhauses ging. Dort habe man bezweifelt, dass eine Borreliose die Ursache sei und ein Lumbalsyndrom, einen Hexenschuss, vermutet. Die verabreichten Spritzen hätten gar nichts gebracht.    

    Ernährung komplett umgestellt - und langsam mit Sport begonnen

    Heute gehe es ihr wieder gut, sagt Sabine G., auch die Schmerzen nach langen Spaziergängen seien verschwunden. Sie führt dies auf eine komplette Umstellung ihrer Ernährung zurück. Vor allem viel und Obst und Gemüse stünden jetzt auf dem Speiseplan. Gleichzeitig habe sie begonnen, auf dem heimischen Rudergerät langsam wieder Sport zu machen und die Belastungen nach und nach zu steigern.   

    Eine Untersuchung auf Borreliose habe ergeben, dass sie noch leicht über den Normalwerten liegen,  Beschwerden habe sie mittlerweile aber keine mehr. 

    Infektionsmediziner August Stich: Immer mehr Zecken mit Borrelien

    Die Borreliose sei in der Tat ein zunehmendes Problem, sagt Prof. August Stich, Chefarzt an der Missioklinik in Würzburg. Auch in Unterfranken seien viele Zecken mit Borrelien infiziert: "Das hat nach allem, was wir wissen, in den vergangenen Jahren durch den Klimawandel auch zugenommen", sagt der Spezialist für Infektionskrankheiten. Das liege zum einen an der wachsenden Zeckenpopulation, zum anderen an der Zunahme der Wirtstiere für die Zecken. Es gebe Regionen, in denen jede zweite Zecke die Bakterien in sich trage.

    Professor August Stich leitet die Tropenmedizin an der Missioklinik des Klinikums Würzburg Mitte.  
    Professor August Stich leitet die Tropenmedizin an der Missioklinik des Klinikums Würzburg Mitte.   Foto: Daniela Kalb, Öffentlichkeitsabteilung am KWM

    "Das führt aber keineswegs bei jedem Zeckenstich zu einer Borreliose-Erkrankung", sagt Stich. Da  die Borrelien im Magen-Darmtrakt der Zecke leben, wachse die Gefahr einer Infektion, je länger eine Zecke unbemerkt am Körper bleibe. Das sei der Unterschied zur Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), bei der die Erreger im Speichel der Zecke sitzen und sofort überragen würden.

    Typisches Zeichen: Wanderröte um die Einstichstelle

    "Das klinische Bild einer Borreliose ist sehr schillernd", sagt der Tropenmediziner. Die Wanderröte, die häufig um die Stichstelle zu beobachten ist, zwinge sofort zu einer antibiotischen Behandlung. Das sei die beste Möglichkeit, die Bakterien unschädlich zu machen. Es gebe hierbei auch keine Resistenzen. Doch diese Röte trete nicht immer auf, sagt Stich. Im Verlauf der Krankheit könne es dann zu Gelenkbeschwerden und Entzündungen am Herzen oder am Nervensystems kommen. Häufig seien Nervenlähmungen, vor allem im Gesicht. Das sehe man immer wieder auch bei Kindern, sagt der Mediziner, sei aber meist gut behandelbar.

    Borreliose auf "Projektionsfläche" für andere Beschwerden

    Allerdings sei die Borreliose auch eine "Projektionsfläche" für viele andere Beschwerden wie Burnout,  Depression oder degenerative Gelenkbeschwerden, sagt Stich. Bei viele dieser Betroffenen habe sich das Immunsystem in der Vergangenheit zwar schon mit einer Borrelien-Infektion auseinandergesetzt. Doch nur selten sei eine Borreliose dann auch die Ursache der aktuellen Beschwerden. Da mache dann weder Antibiotika noch manch andere teure Therapie einen Sinn, sagt der Tropenmediziner und warnt vor Scharlatanerie mit unnützen Maßnahmen. Behauptungen, es gebe schlummernde Borrelien-Bakterien oder interzellulären Formen der Erreger, seien wissenschaftlich widerlegt.

    Wenn die Borreliose spät auftritt

    In sehr selten Fällen komme es zu einer Spät-Borreliose, sagt der Infektionsexperte. Wenn die Erreger nicht behandelt worden seien, könnten sie ins zentrale Nervensystem eindringen und dort eine entzündliche Erkrankung auslösen. Dies könne nur über eine Untersuchung des Nervenwassers diagnostiziert werden. Hätten die Borrelien bereits etwas zerstört, könnten noch die Symptome behandelt werden. "Dann aber immer noch Antibiotika geben zu wollen, macht keinen Sinn, wird aber leider oft praktiziert."

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    Zeckenstich - und mögliche FolgenEin Zeckenstich kann sowohl eine Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) als auch eine Borreliose auslösen. Gegen die FSME, die unter anderem mit einer Hirnhautentzündung einhergehen kann, gibt es eine Impfung, nicht jedoch gegen die in ganz Deutschland verbreitete Borreliose.Die Borreliose, auch Lyme-Krankheit genannt, kann vielgestaltig und unterschiedlich schwer verlaufen und betrifft überwiegend die Haut, aber auch Nervensystem, Gelenke oder Herz. Auch Wochen oder Monate nach der Infektion kann es noch zu Entzündungen und Nervenlähmungen kommen. Verursacht wird die Borreliose durch Bakterien der Art Borrelia burgdorferi, die überall in Deutschland durch Zecken übertragen werden können. Von Juni bis August tritt die Borreliose gehäuft auf. Das Infektionsrisiko ist geringer, wenn die Zecke frühzeitig entfernt wird, und steigt nach längerem Saugen der Zecke von mehr als zwölf Stunden an. Die meisten Infektionen mit Borrelien verlaufen unbemerkt. Sie sind nicht immer leicht zu erkennen. Ein typisches Zeichen, das bei etwa 90 Prozent der Fälle auftritt, ist die sogenannte Wanderröte an der Einstichstelle: eine mindestens 5 cm große ringförmige Hautrötung, die meist in der Mitte blasser ist als am Rand und sich über Tage langsam nach außen verbreitet. Wer eine Wanderröte bemerkt, sollte schnell zu Ärztin oder Arzt.fqu

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