Nach ersten erfolgreichen Pilotprojekten ist inzwischen klar: Denkmalschutz und Stromerzeugung durch Photovoltaik-Anlagen vertragen sich auch auf den Dächern der Würzburger Altstadt. Das geht aus einem Zwischenbericht von Stadtplaner Georg Sahner hervor, der im Auftrag der Stadt derzeit die Grundlagen für ein Kommunales Denkmalschutzkonzept (KDK) erarbeitet. Bei einer Bürgerbefragung haben sich 62 Prozent von 120 Befragten für einen flächendeckende PV-Anlageneinbau auf den Dächern der Innenstadt ausgesprochen, 99 Prozent würden sie tolerieren.
Sein Stuttgarter Büro G.A.S. war unter anderem an der Planung der bisher größten PV-Anlage auf einem denkmalgeschützten Gebäude in Bayern beteiligt: Die Erlöserschwestern werden mitten in der Innenstadt in diesem Jahr rund 120.000 Kilowattstunden Solarstrom erzeugen, ohne dass der Blick auf die Dachlandschaft beeinträchtigt wird: Für die denkmalgerechte Optik und Farbe sorgen rund 19.000 Photovoltaik-Dachziegel, die nur aus nächster Nähe als solche erkennbar sind.

Auch Carl Schlier, der Inhaber des Modehauses Schlier in der Domstraße, lässt gerade die Dächer seines Anwesens instand setzen und Photovoltaikanlagen installieren. In der prominenten Lage musste er differenziert vorgehen: "Für die Dächer, die von der Festung aus nicht zu sehen sind, haben wir eine klassische Genehmigung für ganz normale PV-Anlagen bekommen. Für die Domstraßen-Südseite Richtung Sternplatz haben wir dagegen eine andere Lösung gewählt, eine sogenannte Indach-Anlage." Dabei werde die Anlage nicht auf die Dachziegel, sondern anstelle der Ziegel montiert. Die farblich ans übrige Dach angepassten Module seien vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLFD) freigegeben.
Nachteil: höhere Kosten und geringere Effizienz
Für die Belange des Denkmalschutzes hat Schlier Verständnis. "Bei einer Stadt wie Würzburg verstehe ich, dass man die Optik der Dächer erhalten will. Da gibt es eben Spielregeln. Wir haben uns sehr frühzeitig mit der Stadt in Verbindung gesetzt, um alles zu erfüllen, was gefordert wird." Bei seinem Projekt sei er von der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs GmbH (WVV) sehr unterstützt worden: "Das gesamte Verfahren für den Erlaubnisantrag bei der Stadt und den Förderantrag beim BLFD lief über die WVV." Er sei froh, dass die jetzige Lösung gefunden worden sei. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: "Die Indach-Anlage ist teurer als klassische PV-Module, und die Effizienz ist schlechter."

Diesen finanziellen Wermutstropfen müssen die Hauseigentümer in der Innenstadt in Kauf nehmen, denn der klimaneutralen Energieerzeugung steht der gesetzlich geregelte Denkmalschutz gegenüber. Dazu kommt, dass viele Gebäude in der Altstadt durch ihre gewerblichen Nutzungen einen besonders hohen Energieverbrauch haben – insgesamt werden laut WVV in der Altstadt pro Jahr mehr als 60 Gigawattstunden Strom verbraucht.
Begeisterung über bisherige Lösungen in der Altstadt
"Wir wollen eine Lösung, die für unser Altstadt-Ensemble adäquat erscheint", betonte daher Baureferent Benjamin Schneider, als der Zwischenbericht auf dem Weg zur Denkmalschutz-Satzung kürzlich im Stadtrat vorgestellt wurde. Von der integrierten Anlage auf dem Kaufhaus-Dach in der Domstraße ist Stadtplaner Georg Sahner ebenso begeistert wie vom Projekt der Erlöserschwestern: "Wenn sie es nicht wissen werden sie nicht merken, dass bei Schlier eine PV-Anlage auf dem Dach ist."

Nach einer genauen Analyse der Altstadt aus allen Blickwinkeln mit 3D-Modellen und Algorithen hat G.A.S., immer in enger Zusammenarbeit mit dem BLFD und der unteren Denkmalschutzbehörde, die Dächer in vier verschiedene Kategorien denkmalrechtlicher Anforderungen eingeteilt. Es sind Dächer dabei, die von der Festung und von der Straße aus nicht oder kaum zu sehen sind, dort können die üblichen PV-Anlagen genehmigt werden (Kategorie 4). In der Kategorie 1 geht es um die zahlreichen historischen Gebäude, die das Stadtbild prägen: Residenz, Falkenhaus, Alte Universität, Juliusspital…
Große Sorgfalt bei historischen Gebäuden
"Diese historischen Solitäre muss man mit höchster Sorgfalt angehen, um die damit verbundene Präsentation der Stadt zu erhalten", sagt Sahner. Höchste Sorgfalt bedeutet eine Planung bis ins kleinste Detail, zum Beispiel bei der demnächst vorgesehenen Installation von Photovoltaik auf dem Rathaus. Die Dächer am Grafeneckart fallen in die sensible Kategorie 2, weil sie aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln stark in Erscheinung treten.
Die Kategorien und die daraus folgenden unterschiedlichen Genehmigungsgrundlagen sollen von der Bauaufsicht jetzt ein Jahr lang in der Praxis erprobt und dann in Form einer Satzung vom Stadtrat beschlossen werden. "Im besten Fall haben wir dann Leitplanken und eine Verfahrenssicherheit", so Benjamin Schneider. Genehmigungsmöglichkeiten für Balkon- oder Fassadenkraftwerke sind in der Satzung übrigens nicht vorgesehen: Die bisher vorhandene Technologie "erscheint uns mit den denkmalrechtlichen Anforderungen nicht vereinbar".