Angesichts von Tausenden Toten und Hunderttausend Obdachlosen, verursacht durch das Bombardement des 16. März 1945, erscheint die Frage nach dem Inhalt von Bankschließfächern und Tresoren eher nebensächlich. Doch für die Überlebenden war sie wichtig: Wenn schon die Wohnung mit allem Besitz verbrannt war, so hatte womöglich der Inhalt eines Schließfachs oder ein Koffer mit Kleidungsstücken im Keller einer Bank den Brand überstanden. Nur: Wie konnte man im Chaos nach der Bombennacht an die Sachen herankommen?
Der 56-jährige Karl Brod, Mitarbeiter der Deutschen Bank, hat die chaotischen Verhältnisse einige Monate später beschrieben. Zwei Tage nach dem Angriff ging er am Sonntag, 18. März, von seinem Zimmer am Judenbühlweg erstmals in die zerstörte Stadt, sah Leichen auf den Straßen und im Kassenraum liegen, die noch nicht beerdigt waren. Das Bankgebäude (am heutigen C&A-Standort) war weitgehend ausgebrannt, doch die Fassade stand noch. Brod erfuhr, dass eine gelähmte Bewohnerin am 16. März in dem Haus starb, weil man sie nicht rechtzeitig in den Luftschutzkeller hatte bringen können.

Eine fatale Fehlentscheidung der Würzburger Feuerlöschpolizei
Das schockierte Karl Brod, doch gleichzeitig war er erleichtert, dass der begehbare Tresor im Keller die Bombardierung unbeschadet überstanden hatte. Es drohe kein Feuer mehr, versicherte ihm die Feuerlöschpolizei, weshalb keine Brandwache aufgestellt wurde. Das war eine fatale Fehleinschätzung, wie sich schon in der folgenden Nacht zeigte.
In einem angrenzenden Keller brach erneut Feuer aus, das in die Räume vor dem Tresor übergriff, alles dort gelagerte Material der Bank vernichtete und die Tresortür zum Glühen brachte. An ein Betreten der Tresorräume war zunächst nicht zu denken.

Doch die Überlebenden brauchten dringend Geld. Brod und ein Kollege ließen sich in der ebenfalls ausgebombten Reichsbank am heutigen Berliner Platz 200.000 Reichsmark aushändigen, mit denen am 22. März in einem noch benutzbaren Raum der Deutschen Bank, der allerdings weder Fenster noch Türen besaß, ein notdürftiger Betrieb in Gang kam. Ausgezahlt wurden 150 Reichsmark pro Haushaltsvorstand sowie 50 Reichsmark für jedes weitere Familienmitglied – pro Monat. An jedem Abend musste der Kassier das restliche Geld mit nach Hause nehmen, da sich die Tresortür seit dem Brand nicht mehr öffnen ließ.
Die Tresortür war nicht mehr richtig zu schließen
Für die Bank war das ein unhaltbarer Zustand, notierte Karl Brod später. Viele Kunden drängten darauf, dass endlich der Tresor geöffnet würde, "weil sie infolge Totalverlustes ihrer Habe dringend ihre Verwahrstücke mit ihren Kleidern, Wäschestücken und Schuhen benötigten". Auch die Filiale selbst hatte Interesse daran, ihr Kontenmaterial aus dem Tresor herauszubekommen, da sie bei den Auszahlungen nur auf die Angaben der Kunden angewiesen war.

Am Montag, 26. März, öffnete ein Schlosser die Tür unter großer Mühe bei Kerzenlicht, denn Strom gab es zehn Tage nach der Brandnacht noch nicht. Allerdings vermochte er die Tür, nachdem die wichtigsten Unterlagen und Gegenstände herausgeholt waren, nicht mehr zu schließen. Karl Brod: "Durch die starken Erschütterungen beim Angriff am 16. März war eine Senkung, wenn auch nur von wenigen Millimetern, eingetreten, die aber genügte, um die Tresortüre nicht mehr so in ihren Rahmen zu bekommen, dass noch die Kombination funktionierte und sich die Zapfen in den Rahmen einfügten."

Offen durfte die Tür natürlich keineswegs bleiben und so wurde sie in den Rahmen gepresst. Lediglich Eingeweihte wussten, dass sie nicht verschlossen war und mit einem Stemmeisen oder Pickel geöffnet werden konnte. "Sorgen machte uns, dass es kein elektrisches Licht mehr gab und die Tresoranlage nur mit Kerzenlicht betreten werden konnte", schrieb Karl Brod. Die Deutsche Bank verweigerte deshalb ihren Kunden den Zutritt, was für viele eine große Härte bedeutete, weil sie lebensnotwendige Dinge herausholen wollten.
In der zerstörten Bank waren Plünderer am Werk gewesen
Dann folgte vom 31. März bis 6. April der verlustreiche Kampf um Würzburg, der mit der Einnahme der Stadt durch US-Truppen endete. Am 14. April, einem Samstag, stand Karl Brod erstmals wieder vor seinem Arbeitsplatz: "Der einst so stolze und mächtige Bau der Deutschen Bank war eine Brandruine, bei der nur noch die Fassade und ein kleinerer Teil der unteren Räumlichkeiten des linken Flügels stand", notierte er. "Die schwere eichene Haustüre war aufgebrochen und im Hausflur lagen aufgerissene und aufgeschlitzte Koffer, Kleidungs- und Wäschestücke und sonstige Gebrauchsgegenstände in wirrem Durcheinander herum. Was war hier geschehen?"

Mit einer Kerze in der Hand stieg Brod in den Keller und war zunächst erleichtert: Die Tresortür schien unversehrt. Doch als er und der Bankdirektor die Tür mit einem Pickel aufwuchteten, erschraken sie: Der Tresor war während des Kampfes oder kurz danach geplündert worden: "In den Gängen lagen aufgebrochene Kisten und Koffer, Kleider, Wäsche, Schuhe, Papiere und Belege in Haufen aufgeschichtet."
Am 18. April übernahm ein amerikanischer Offizier sämtliche Tresorschlüssel. Von diesem Tag an stand ein GI bei Tag und Nacht Wache, so dass zumindest keine weitere Plünderung zu befürchten war. Doch bis zur Wiederaufnahme des provisorischen Betriebes sollte es noch Wochen dauern. Erst ab dem 12. Mai, vier Tage nach der deutschen Kapitulation, wurde wieder Geld ausgegeben, und zwar dieselben Beträge wie im März.

Im Mai 1945 gab es wieder elektrisches Licht
Am 18. Mai konnte der von den Amerikanern eingesetzte Oberbürgermeister Gustav Pinkenburg endlich bekanntgeben, dass die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, die Bayerische Vereinsbank und die Deutsche Bank wieder Zutritt zu ihren Tresoren mit den verwahrten Gegenständen gewährten. Kerzen und Taschenlampen seien mitzubringen. Erfreulicherweise, so Karl Brod, war dies bei der Deutschen Bank nicht mehr notwendig: "Am Tag zuvor hatten wir nach zweimonatiger Unterbrechung wieder elektrisches Licht erhalten."

Zwei Monate später kehrte Karl Brod an seinen eigentlichen Arbeitsplatz, die Deutsche Bank in Mannheim, zurück. Sein 31-seitiger Text über die Zeit um den 16. März 1945 und die Zustände im Haus am Kaisergärtchen, wohin er im September 1944 versetzt worden war, lag jahrzehntelang unbeachtet auf einem Würzburger Dachboden. Vor einiger Zeit wurde er von Lothar Michel, dem Inhaber des Cineworld-Kinos im Mainfrankenpark, entdeckt.