Ein Dutzend Kameras sind auf die beiden Angeklagten gerichtet, als sie an diesem Montagvormittag den Schwurgerichtssaal am Landgericht Würzburg betreten. Das Medieninteresse am Fall um mutmaßliche Gewalt in der Kita Greußenheim (Lkr. Würzburg) ist groß. Eine Erzieherin soll dort vor drei Jahren Kinder misshandelt haben. Die 30-Jährige kommt zum Prozessauftakt mit schwarzem Kapuzenpulli, Sonnenbrille und Mundschutz in den Saal.

Staatsanwalt Ingo Krist spricht in seiner Anklage von "rohen Misshandlungen". Die Erzieherin soll zwischen September und Dezember 2021 immer wieder Kleinkinder gequält haben. Die Anklage wirft der 30-Jährigen vorsätzliche Körperverletzung in acht Fällen vor, außerdem Nötigung, Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie gefährliche Körperverletzung.
Mitangeklagte als Belastungszeugin: "Ich hatte Angst, dass mir keiner glaubt"
Ihre 37-jährige Vorgesetzte wird der Unterlassung beschuldigt, weil sie diese Straftaten mitbekommen und nicht verhindert hat. Die Mitangeklagte gibt dies selbst am Montag vor der großen Strafkammer zu: "Ich weiß, dass ich es nicht aufgehalten habe und nicht die Wahrheit gesagt habe. Ich stand alleine da und hatte Angst, dass mir keiner glaubt", sagt die Erzieherin.
Seit Oktober 2018 in der Kita Greußenheim tätig, leitete sie die Gruppe, in der die Hauptangeklagte seit 2020 arbeitete. Im September 2021 habe es erste "schlimmere Fälle" mit einem Jungen gegeben, sagt die 37-Jährige. Ihre Ex-Kollegin habe ihn "von Anfang an nicht so gerne" gemocht. "Auch die Mama konnte sie nicht leiden."

Ihre damalige Kollegin habe den Jungen gepackt, auf Schulterhöhe gehoben und "auf den Boden geknallt", schildert die 37-Jährige vor den drei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Auch mit anderen habe sie das gemacht. Die Kinder hätten "vor Schmerzen geweint".
Weiter berichtet die Mitangeklagte und zugleich Belastungszeugin, wie die Erzieherin Kinder unter anderem in einen abgedunkelten Raum eingesperrt habe. Ein Mädchen, das nicht essen wollte, habe sie zweimal so gefüttert, dass es gewürgt und sich dann erbrochen habe.
Die Angeklagte bestreitet die Vorwürfe: Keine Absicht, Kindern weh zu tun
Die 30-jährige Angeklagte bestreitet diese Vorwürfe. Ihr Verteidiger Hanjo Schrepfer sagt: "Meine Mandantin hat in keinem Fall ein Kind auf den Boden geknallt. Es war ein unsanftes Auf-den-Po-Setzen, eine Maßregelung, die bestimmt heftiger war, als es sein sollte, aber nicht mit der Absicht, Kindern weh zu tun."
Auch ein Mädchen sei zwar gefüttert worden, damit es das von den Eltern mitgebrachte Essen isst, so der Anwalt. Aber nicht, um es zu quälen. Dass sich das Kind erbrochen habe, hätte nichts mit dem Füttern zu tun gehabt, sagt Schrepfer. Das sei öfter vorgekommen.
Als massivsten Fall von Körperverletzung führt die Anklage die Kopfverletzung eines Kleinkindes auf. Die Belastungszeugin erinnert sich so: Ihre Ex-Kollegin habe das Kind gepackt und weggezogen. Aus 1,20 Meter Höhe sei es "ungebremst mit dem Kopf auf den Fußboden aufgeschlagen".

Die 30-jährige Beschuldigte schildert diesen Vorfall als ein unglückliches Versehen. Sie habe den Jungen aus dem Bett hopsen lassen wollen. "Ich war an diesem Tag sehr angespannt", sagt sie. Angespannt und überlastet sei sie im Herbst 2021 öfter gewesen, auch weil ihre Vorgesetzte häufig krank gewesen sei. "Ich musste oft alleine acht Kinder in den Schlaf bringen." Außerdem habe sie in der Zeit private Probleme gehabt.
Neben der Beweisaufnahme zu den vorgeworfenen Fällen beschäftigt das Gericht am ersten Prozesstag die Frage, wie in der Greußenheimer Kita damit umgegangen wurde. Sie hätten die Ursache der Kopfverletzung des Kleinkindes vor den Eltern verschwiegen, sagen beide Angeklagten. Die Vorgesetzte wartete bis September 2022, bis sie ihre Beobachtungen der Kita-Leitung schilderte. Daraufhin schaltete die Gemeinde Greußenheim die Polizei ein und suspendierte beide Erzieherinnen.
Privates und Berufliches: Kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen den beiden Frauen
Die Fehlerkultur in der Kita und der Umgang mit überlasteten Mitarbeiterinnen werden das Gericht in den nächsten Prozesstagen beschäftigen. Außerdem wird es darum gehen, wie glaubhaft die Ausführungen der beiden Frauen jeweils sind.

Die Nachfragen des Gerichts um den Vorsitzenden Richters Thomas Schuster bringen an diesem Montag ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen den beiden Frauen ans Licht. Private Dreiecksverbindungen lösten offenbar Eifersucht und Ärger aus - was sich auf ihr Miteinander in der Kita auswirkte.
Bei der Fortsetzung der Verhandlung ab Freitag dürften diese Hintergründe eine Rolle spielen.