Immer häufiger werden Bürgermeister und Gemeinderäte zum Ziel verbaler und auch körperlicher Angriffe. Das hat eine Umfrage des Magazins Kommunal für das ARD-Politmagazin "Report München" ergeben. Von den mehr als 1000 Bürgermeistern, die sich beteiligt haben, geben über 40 Prozent an, dass ihre Rathäuser schon mit Hass-Mails zu tun hatten. In rund acht Prozent der Kommunalverwaltungen gab es sogar körperliche Attacken auf Politiker oder Mitarbeiter. Werden auch in Unterfranken Kommunalpolitiker bedroht? Erschreckende Beispiele zeigen: Hassbriefe, Todesdrohungen und Einschüchterungsversuche gibt es auch in der Region.
"Todesurteil" für Haßfurts Bürgermeister
"Im Namen des Volkes" steht in dem Brief, der mit "National Sozialistischer Untergrund" unterschrieben ist und eine Ansammlung von fremdenfeindlichen und antisemitischen Parolen enthält, die in der unverhohlenen Drohung gipfeln: "Volksverräter... Sie werden mit dem Tode bestraft!". Im Februar 2018 fand der Haßfurter Bürgermeister Günther Werner, ebenso wie acht weitere Mitglieder des Stadtrates, quer durch alle Fraktionen, dieses anonyme Schreiben in ihren privaten Briefkästen. Der Unbekannte hetzte darin gegen die Unterbringung von Geflüchteten, vor allem gegen das Kirchenasyl der evangelischen Pfarrerin. Die Polizei ermittelte wegen Volksverhetzung und Bedrohung. Der Fall liegt beim Landeskriminalamt in München.
Anonymer Drohbrief an 44 Schweinfurter Stadträte
"Wir kriegen dich! Aus unserer Liste stehen sie ganz oben." Ähnlich liest sich der Brief an 44 Schweinfurter Stadträte vom November 2017. Auch hier wurden die Kommunalpolitiker als Volksverräter verunglimpft und dazu aufgefordert, das Land zu verlassen. Da kein Täter ermittelt werden konnte, wurde das Verfahren eingestellt, sagt Ursula Haderlein, die Leitende Oberstaatsanwältin in Schweinfurt.

Von Einschüchterungsversuchen berichtet auch Horst Herbert, Bürgermeister der Gemeinde Kolitzheim (Lkr. Schweinfurt). 2015 wollte die neonazistische Partei "Die Rechte" einen ehemaligen Gasthof im Ortsteil Stammheim als bayerische Parteizentrale nutzen. Als sich der Ort geschlossen dagegen stellte, wurden die Wohnanschriften von 20 Gemeinderäten auf Facebook öffentlich gemacht. "Ein Demonstrationsmarsch durchs Dorf führte gezielt an den Häusern der Gemeinderäte vorbei. Auf Facebook wurde ein Bild von mir, mit entsprechenden Kommentaren darunter, geteilt", so Herbert.
Anonyme Drohung gegen Gaukönigshofens Bürgermeister
Auch Bernhard Rhein, Bürgermeister von Gaukönigshofen (Lkr. Würzburg), berichtet von anonymen Droh-E-Mails, die ihn nach dem Axt-Attentat am 18. Juli 2016 in einem Regionalzug bei Würzburg erreichten. Der Attentäter war vor seiner Tat in der Gemeinde als minderjähriger Flüchtling in einer Pflegefamilie untergebracht. "Ich wurde als Gutmensch bezeichnet und werde schon sehen, wo ich lande", erzählt der Bürgermeister. Er löschte die Nachrichten.
Doch nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten beschleicht so manchen Politiker auch in Unterfranken ein mulmiges Gefühl. "Als Kommunalpolitiker ist man nie gefeit. Wenn ich nachts von einer Sitzung heimlaufe, schaue ich mich schon manchmal um", sagt Haßfurts Bürgermeister Günther Werner.
Immer weniger wollen Bürgermeister werden
Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Uwe Brandl, sieht die Entwicklung mit sehr großer Sorge: "Wenn das so weitergeht, ist das eine Gefahr für die Demokratie", sagte Brandl gegenüber dieser Redaktion. Die zunehmenden verbalen und körperlichen Attacken auf Politiker sind nach Brandls Einschätzung auch verantwortlich dafür, dass sich immer weniger Menschen in der Kommunalpolitik engagieren wollen. In mehr als 100 Gemeinden in Bayern gebe es für die Kommunalwahlen 2020 noch keinen Kandidaten. "Die Leute fragen sich angesichts dieser Anfeindungen natürlich: Warum soll ich mir das noch antun", sagt Brandl. Er war selbst schon in einer extremen Lage. Ein anonymer Täter hat vor 15 Jahren angedroht, seine Tochter zu entführen: Er habe damals die Polizei eingeschaltet. Die Drohung blieb ohne Folgen. Doch auch aus dieser eigenen Erfahrung heraus fordert Brandl einen besseren Schutz für Kommunalpolitiker