Im vergangenen Jahr hatte er Premiere, der „Mainfranken Graveller“: eine mehrtägige Selbstversorgerfahrt, die einmal im Uhrzeigersinn um die Region Mainfranken herumführt. Und zwar nicht auf der Straße, sondern, wo immer es geht, auf Feld- und Waldwegen oder wenig befahrenen Nebenstraßen. Schotter statt Asphalt! Ausgedacht hat sich die Route der Würzburger Fahrradfreak Jochen Kleinhenz für die Region Mainfranken GmbH. Jetzt gibt es die Neuauflage: Am 31. Mai startet auf der Landesgartenschau in Würzburg der „Mainfranken Graveller 2018“. Die Route ist fast die selbe wie im vergangenen Jahr – aber nur fast. Jochen Kleinhenz erzählt warum.
Herr Kleinhenz, mögen Sie keinen Asphalt?
Ich mag ihn schon, er fährt sich schön und leicht. Aber wo Asphalt ist, sind meistens Autos. Und die mag ich nicht mehr so sehr.
Deshalb lassen Sie sich lieber durchrütteln.
Es rüttelt und schüttelt gar nicht so arg. Auf Schotter lässt es sich erstaunlich gut fahren, natürlich nicht mit schmalen Reifen. Rennräder brauchen Asphalt.
Was unterscheidet den Mainfranken Graveller von einer klassischen Radwanderstrecke?
Vordergründig eigentlich nichts. Wir fahren auf vielen Strecken, die auch als touristische Routen in oder durch Mainfranken ausgewiesen sind. Unterschied ist, dass der Graveller viele kleine Routenabschnitte zu einem großen Ganzen, zu einer Rundfahrt zusammenfügt. Die meisten Routen führen von A nach B, etwa der Mainradweg oder der Main-Werra-Radweg. Der Graveller versucht, möglichst die Kontur von Mainfranken nachzufahren. Mit kleinen Abweichungen dort, wo es uninteressant ist, stur dem Prinzip „außen herum“ zu folgen.
Wo wäre das langweilig?
Wo die Tour deutlich abweicht, ist im Grabfeld. Wenn man von der Rhön Richtung Haßberge fährt, folgt der Graveller nicht der Grenze zu Thüringen, sondern zieht ein ganzes Stück weiter südlich ins Mainfränkische rein und verläuft auf der ehemaligen Bahntrasse im Saaletal bis Bad Königshofen. Im Spessart oder ganz klassisch auf der Hochrhön geht es dagegen oft direkt an der Grenze lang.
Was ist für Sie die schönste Passage?
Da gibt es keine. Oder mehrere. Wunderschön ist im Steigerwald, wenn man von Zell am Ebersberg Richtung Zabelstein am Böhlbach entlang fährt, sechs Kilometer über ein langgezogenes Tal mit einem leichten, angenehmen Anstieg. Und das Tal ist wirklich wun-der-schön! Im 45-Grad-Winkel gehen die Hügel links und rechts hoch, das hat fast alpinen Charakter, wenn es nicht so eingewaldet wäre.
Und wo ist der meiste Verkehr? Wo lässt es sich nicht vermeiden, Autos zu begegnen?
Sicherlich auf der Hochrhönstraße, die als offizielle Radroute ausgewiesen ist. Oder zwischen Iphofen und der Mautpyramide bei Gollhofen – dort muss man teilweise auf der Straße fahren, aber zwischen kleinen Dörfern, da ist der Autoverkehr nicht wirklich erwähnenswert. Insofern hat der Graveller kaum Strecken, wo es mit Autos wirklich nervig ist, auch die Hochrhönstraße ist nicht wirklich schlimm.
Gibt?s üble Passagen?
Ganz grundsätzlich ist es beim Graveln so: Es gibt wunderschöne Strecken, aber wenn man da zwei, drei Wochen später hin kommt, waren vielleicht zwischendurch die Harvester wieder am Werk und haben ein Schlachtfeld auf den Wegen hinterlassen. Die sind quasi umgepflügt und schon für Wanderer kaum noch begehbar. Und noch mal drei Wochen später ist alles schön glattgezogen. Es gibt keine Garantie.
Weicht die Route dieses Jahr von der Strecke 2017 ab?
Definitiv! Der größte Unterschied ist der erste Gipfel, der angefahren wird, der Geiersberg im Spessart. Den sind wir im vergangenen Jahr vom Süden her angefahren. Die geplante Strecke hat sich als Schiebe-Passage herausgestellt, senkrecht die Wand hoch durch etwas, was vor 30 Jahren mal ein Weg gewesen sein mag. Jeder hat da geflucht. Jetzt kommen wir von Osten, vom bewirteten Forsthaus Sylvan her. Und der nördlichste Ort Weimarschmieden fällt – leider – raus, da geht teils halsbrecherische Rumpelpfade. Wir begnügen uns vorerst mit Fladungen als nördlichster Gemeinde. Dafür kommt neu Geiselwind rein. Der kleine Schlenker im Steigerwald bietet sich an.
Es geht auch um Sehenswürdigkeiten?
Es geht um Mainfranken – einerseits wörtlich „um Mainfranken herum“, andererseits auch um die tolle Natur, die netten Menschen, denen man unterwegs begegnet, die interessante, oft spannende Geschichte . . .
Befahrbare Geschichte?
Direkt am Weg, immer wieder. Zu Beginn gibt es gleich zwei markante historische Wegabschnitte: im Spessart die Birkenhainer Straße von der Bayerischen Schanz hinunter ins Sinntal, die im Mittelalter der Handels-Highway schlechthin war. Dort sind heute noch viele alte Hohlwege nebeneinander erkennbar als Gräben. Und nach dem Wechsel in die Rhön folgt gleich die Strecke 46, diese Autobahnruine mit bizarren Brückenbauwerken, auch interessant. Das ist Geschichtsunterricht im Vorbeifahren.
Wie lange waren die Teilnehmer im vergangenen Jahr denn unterwegs?
Etliche der 13 Starter sind gleich am zweiten Tag ausgestiegen, weil sie gemerkt haben: Die 600 Kilometer schaffen sie nicht in vier Tagen. Zu Ende gefahren hat den kompletten Graveller niemand. Der einzige, der durch alle sieben Landkreise gekommen ist, hat 70 Kilometer vor Schluss aufgegeben, am Abend des vierten Tages. Das ist eine gefährliche Ecke dort, nach Iphofen: Wenn man Würzburg schon riechen kann, aber noch mal in den Süden runter bis Tauberrettersheim soll. Trotz Abbruch eine sagenhafte Leistung!
Klingt nicht nach Spaß-Veranstaltung.
Doch! Jetzt hat der Mainfranken Graveller zumindest einen Ruf. Und spannend ist, dass von den Mitfahrern des vergangenen Jahres fast alle wieder dabei sind. Da sind noch Rechnungen offen.
Darf ich beim Graveln im Hotel übernachten?
Ja sicher, man darf machen, was man möchte. Es ist angenehm, wenn man abends mal duschen und warm essen kann. Es gibt aber Leute, die genau das nicht unbedingt wollen. Das heißt, man hat am Rad so viel Gepäck dabei wie nötig – und so wenig wie möglich. Da gehört eine kleine Übernachtungsgrundausrüstung dazu, vielleicht auch eine kleine Küchenausstattung.
Mit wie viel, wie wenig Kilo am Rad gehen Sie an den Start?
Deutlich unter 20. Wahrscheinlich sind es so 17 oder 18 Kilo Gesamtgewicht, Rad plus Gepäck.
Ein Wettrennen will der Mainfranken Graveller nicht sein. Worum geht es?
Manche fahren ihn zwar wie ein Rennen, aber nicht gegen andere, nur gegen sich selbst. Man kann die Tour auch in zwei Wochen fahren, das ist okay! Die Leute, die in der Gravel-Szene unterwegs sind, wollen am Tag aber schon eine klare dreistellige Kilometerzahl abspulen. Es gibt auch keine Preise oder Stoppuhren. Wettrennen geht anders. ,Erlebnis statt Ergebnis‘ ist der beste Spruch, den ich immer wieder höre und lese . . .
Wie sportlich muss man für die 600 Kilometer denn sein?
Nicht übertrieben sportlich. Langstreckenfahren ist weniger eine physische, mehr eine psychische Angelegenheit, vor allem, wenn man alleine fährt – das hat viel mit dem Willen und mit dem Kopf zu tun. Die Muskeln kann man trainieren. Wer regelmäßig mal eine 50-Kilometer-Runde fährt, schafft aus dem Stand auch das Dreifache am Stück. Vier Tage hintereinander je 150 Kilometer – das ist dann schon wieder etwas anderes, aber lässt sich auch trainieren. Auch für mich, jedes Mal wieder aufs Neue anstrengend, ist das Losfahren.
Das sagen Sie? Als überzeugter Radfahrer?
Ich bin eigentlich überzeugter Fußgänger, aber das dauert zu lange, da kommt man halt nicht rum. Die nächste Option ist das Fahrrad – das Optimum aus Geschwindigkeit, Komfort und Achtsamkeit gegenüber der Umwelt. Es gibt für mich nichts besseres, um mich fortzubewegen.
Also gut. Wer die 600 Kilometer nicht fahren will, aber einfach mal ein bisschen graveln. Was macht der?
Im Spessart oder auch im Steigerwald würde ich das Graveln nicht einfach ohne Planung anfangen, zumindest nicht ohne Kompass. Aber eigentlich gilt: Aufs Fahrrad – und los.
Jochen Kleinhenz Jochen Kleinhenz, Jahrgang 1968, stammt aus der Rhön und lebt und arbeitet seit 1988 in Würzburg. Jahrzehntelang war der Diplom-Designer, der ein Grafisches Büro hat, eher mürrischer Alltagsradler, bis er Fahrradbegeisterter wurde: Vom MTB (2011) über das Rennrad (2012) kam er vor einem Jahr auf den Gravel-Geschmack – die ideale Kombination aus beiden Radtypen, sagt er. Lange Jahre war Kleinhenz auch Aktiver für die Radverkehrsförderung in Würzburg (AG Radverkehr, Radverkehrsbeirat), konzentriert sich momentan aber lieber auf Mittel- und Langstrecken quer durch Mainfranken und darüber hinaus. Er nimmt an mehrtägigen Selbstversorger-Fahrten teil – zum Beispiel dem Candy B. Graveller von Frankfurt nach Berlin entlang der historischen Luftstrecke der Rosinenbomber – und hat, zusammen mit AAsa Petersson von der Region Mainfranken GmbH, den Mainfranken Graveller initiiert. Über seine Touren schreibt er auch in einem Blog: https://meinfahrradundich.wordpress.com/
Graveln und der Mainfranken Graveller 2018 Wörtlich übersetzt bedeutet „Gravel“ im Englischen zwar Schotter, aber das Graveln gilt in der Radfahrer-Szene als Synonym für das Fahren abseits der Straße: dort, wo mit einem Rennrad kein komfortables Vorwärtskommen mehr möglich ist. Graveln heißt Radfahren auf Wald-, Forst- und Wiesenwegen – abseits vom Autoverkehr. Der Mainfranken Graveller 2018– kurz MfG18 – ist eine mehrtägige Selbstversorgerfahrt, die einmal im Uhrzeigersinn um die Region Mainfranken herumführt. Start- und Zielpunkt ist Würzburg. Die Strecke umfasst ca. 600 km Länge und ca. 9.000 Höhenmeter (Anstiege gesamt), führt durch vier Mittelgebirge (Spessart, Rhön, Haßberge, Steigerwald) und einige flachere Abschnitte (Landkreis Würzburg, Grabfeld, Ochsenfurter Gau). Fahren kann die Strecke jederzeit jedermann individuell. Aber es gibt auch eine gemeinsame Tour: Der MfG18 startet am Donnerstag, 31. Mai 2018, um 10 Uhr auf dem Gelände der Landesgartenschau. Die Teilnehmer sind mit Trackern unterwegs, jeder kann dann schauen, wer wo gerade unterwegs ist: www.wiefuerdichgemacht.com/mainfrankenblog/ Die Anmeldefrist ist eigentlich schon abgelaufen, aber Nachzügler können sich noch über die Website melden. Oer per Mail an: mfg18@meinfahrradundich.de