Entschieden wurde am anderen Ende der Welt: Vor 40 Jahren, am 30. Oktober 1981, beschlossen die Teilnehmer der 5. Komiteesitzung der Unesco im australischen Sydney, den Speyrer Dom in den Kreis der Welterbestätten aufzunehmen. Und außerdem: die Residenz, samt Hofgarten und Residenzplatz in Würzburg. Drei Jahre nach dem Aachener Dom sollten zwei weitere bedeutende Bauwerke aus Deutschland in die illustre, damals noch kleine Runde von 112 Welterbestätten kommen.

Balthasar Neumanns Schloss und der Hofgarten – das erste Welterbe Bayerns! Oberkonservator Dr. Alexander Wiesneth von der Bayerischen Schlösserverwaltung und einer der Verantwortlichen für die Welterbestätte, findet es vier Jahrzehnte später noch „ein bisschen bemerkenswert“ und, doch vielleicht auch kurios. „Erstaunlich, dass man auf Würzburg kam“, sagt Wiesneth. Aber ja, fügt der Stättenmanager gleich an: "Die städtebauliche Einheit und Verortung der Residenzanlage mit Hofgarten und Schlossplatz innerhalb der Stadt Würzburg ist außergewöhnlich." Der Antrag, der damals bei der Weltkulturbehörde gestellt worden war, sei mit fünf Seiten geradezu "schmalbrüstig" gewesen. Zumindest "im Vergleich zum Riesenbrimborium", das heute mit umfangreichen Gutachten, Nachweisen, Belegen und Dokumenten für neue Kandidaten gemacht werden muss.
Zwei Aufnahmekritierien waren für die Würzburger Residenz entscheidend: dass sie erstens "ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft" darstellt. Und zweitens "ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften" ist und damit "einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Menschheitsgeschichte versinnbildlicht". Als einer der prächtigsten, außergewöhnlichsten und homogensten Fürstenhöfe Europas und Inbegriff des Barock sollte die Residenz den Welterbetitel tragen dürfen. Und weil sie – mit Originalität, ehrgeizigem Bauprogramm und einer geradezu internationalen Zusammensetzung des Baubüros – vor 300 Jahren als gemeinsames Meisterwerk wichtiger Künstler ihrer Zeit entstand.
Die Schirmherren Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn und Fürstbischof Christoph Franz von Hutten hatten Anfang des 18. Jahrhunderts das Projekt ehrgeizig vorangetrieben. Und so ein Sinnbild des Hof- und Kulturlebens zu Zeiten des Feudalismus geschaffen: unter Leitung des Hofarchitekten Balthasar Neumann in drei Phasen ab 1720 erbaut, ausgestaltet und mit herrlichen Gärten versehen.

Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde die Würzburger Residenz seit 1945 zum Gegenstand sorgfältiger und zahlreicher Restaurierungsmaßnahmen. Auch das wohl ein Grund, warum die Entscheidung in Sydney günstig ausfiel, sagt der Oberkonservator. Der Wiederaufbau sei beispielhaft gewesen. Und die Residenz damit "auch Ausdruck der Widerstandskraft der Gesellschaft und ihres kulturellen Erbes". Nicht nur das berühmte Deckenbild über dem Treppenhaus, das der Venezianer Giovanni Battista Tiepolo schuf, oder die prachtvollen Wandgemälde des Kaisersaals – vieles konnte gerettet, rekonstruiert und erhalten werden. Und so wurden die über Jahrzehnte andauernden denkmalpflegerischen Grundsatzdiskussionen sowie die handwerklichen Leistungen der Restauratoren von der Unesco bei der Nominierung als "beispielhaft" bewertet. Trotz der enormen Zerstörungen sollte eben Würzburg als eine der ersten Städte in Deutschland ein "Weltkultur-Gut" erhalten.

Schon als im Mai 1720 der Grundstein für die Residenz gelegt wurde, hatte der Bau als „Schloss über den Schlössern“ gegolten. Balthasar Neumann (1687-1753) hatte ursprünglich den Auftrag gehabt, einen Vorzeigebau für die Fürstbischöfe zu schaffen. Er sollte auf gewaltige Dimensionen anwachsen: fast 170 Meter lang, rund 300 Räume, mit etwa 670 Quadratmetern das zweitgrößte zusammenhängende Deckenfresko der Welt. Im Gegensatz zu anderen barocken Residenzanlagen, deren Bauzeit über Jahrzehnte andauerte und die trotzdem oft nicht fertiggestellt wurden, war der Rohbau in Würzburg immerhin schon nach 24 Jahren bis 1744 vollendet.
Weltweit wurden seit den ersten Eintragungen 1978 über 1150 Kultur- und Naturstätten aufgenommen. Mittlerweile ist Deutschland mit 51 Stätten auf der Unesco-Liste vertreten. Acht davon aus Bayern: neben der Würzburger Residenz die Wallfahrtskirche "Die Wies" in Oberbayern, jeweils die Altstadt von Bamberg und Regensburg, die Grenzen des Römischen Reiches (Limes), die prähistorischen Pfahlbauten rund um die Alpen, das Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth und das Augsburger Wassermanagement-System, der Donaulimes und – ganz neu – Bad Kissingen als eines der "Großen Bäder Europas".
Wenn es nach dem Freistaat geht, sollen auf die neue Vorschlagsliste Deutschlands zum künftigen Welterbe: der Justizpalast Nürnberg als Schauplatz der Kriegsverbrecherprozesse sowie der Münchner Olympiapark mit den Sportstätten der Olympischen Spiele 1972.
Und die Würzburger Residenz? In den vergangenen sieben Monaten wurde das teils barocke Wappen über dem Haupteingang der Residenz aufwendig restauriert, gereinigt und konserviert. Es strahlt nun wieder in voller Pracht.