Der Stoff ist berühmt: "Zwei junge Liebende, die trotz aller Widrigkeiten zueinander finden – und dafür alles aufs Spiel setzen", heißt es in der Ankündigung des Jungen Theaters. Diese Geschichte mit 41 Zehn- bis 14-Jährigen als Musical umzusetzen, klingt herausfordernd: angefangen von der Sprache Shakespeares über Kuss-Szenen bis hin zum Suizid der beiden Hauptdarsteller.
"Wer bist Du, die mein Herz im Sturm erobert hat? Hab' ich Sie hier schon mal gesehen? Ich bitt' Euch, bleibt!" Der zwölfjährige Alwin Wald und die gleichaltrige Marit Striffler stehen sich gegenüber und sollen sich bei diesen Worten in die Augen sehen. "Er ist der tollste Mensch, den du je gesehen hast!", ruft Frederike Faust, Leiterin des Jungen Theaters der Frankenfestspiele Röttingen, "und du, Romeo, hast dich schockverliebt in diese Frau!" Die Kinder müssen kichern, wie noch so oft bei diesen Proben.

Doppelt besetzte Hauptrollen und viel Kichern
"Es ist ein bisschen peinlich und komisch, sich die ganze Zeit anzuschauen", sagt Celian Gronert (13), der ebenfalls den Romeo spielt – die beiden Hauptrollen sind jeweils doppelt besetzt. "Echt schwierig, romantisch zu sein und so zu tun, als ob man jemanden liebt", findet Alwin. "Die erste große Liebe ist in dem Alter noch kein Thema", so Faust. Ihr Trick: "Stellt euch vor, ein Popstar steht vor euch."
Auch die Geschichte des Klassikers ist den meisten Kindern neu: "Wir haben das Stück zusammen durchgelesen", sagt Celian. Satz für Satz arbeiten sich die Schülerinnen und Schüler bei den Proben durch den Text. Was sich nicht gut sprechen lässt oder von den Kindern nicht verstanden wird, wird umformuliert. "So wie bei Shakespeare redet man ja im Alltag nicht", sagt Julia-Darstellerin Emma Reißmann-Balling (12). "Wir haben eine 'Romeo und Julia'-Version gewählt, in der die Sprache nicht so kompliziert ist", erklärt Faust.

Stück wird für das junge Publikum entschärft
Um das Ganze auch einem jungen Publikum zeigen zu können, führen Clowns durch das Stück: Bei heiklen Szenen verdecken sie das Geschehen durch Schilder. "Es soll nicht zu gruselig werden – wenn Menschen erstochen werden oder Romeo und Julia sich umbringen, sieht das Publikum nur das Resultat", sagt Frederike Faust. Auch "Kussszenen" werden von den Clowns verdeckt.
Die Thematik hinter der tragischen Liebesgeschichte samt Familienfehde ist zeitlos: Es geht um einen Klassenkampf und die Schere zwischen Arm und Reich. "Während Julias Familie, die Capulets, schuften, trinken die Montagues den ganzen Tag Champagner", so Faust. Verzweiflung und der Kampf um Gerechtigkeit, Hass und Liebe, die alles bewegen kann – "Romeo und Julia" spricht Themen und Gefühle an, die beim Blick aufs Weltgeschehen aktueller denn je erscheinen.

Die einen feiern, die anderen schuften
Die vom Jungen Theater gewählte Version des Stücks spielt in der Zukunft: Die Eingangsszene ist ein Silvesterball, auf dem ins Jahr 2084 hineingefeiert wird – eine Anspielung auf den dystopischen Roman "1984" von George Orwell. "Es ist eine tolle Neuinterpretation des Stoffes", sagt Bühnenbildnerin Antje Eckhoff-Fieber. "Die einen können nur deswegen dauernd feiern, weil die anderen schuften."
Diesen Kontrast zwischen den Welten der beiden Familien will Eckhoff-Fieber auch im Bühnenbild umsetzen: Während die Szenen mit den Montagues auf einer riesigen Discokugel spielen sollen, wird die Welt der Capulets durch ein Zahnrad dargestellt. Alles ist überdimensioniert – von Feier-Szenen mit gigantischem Sektglas bin hin zu Szenen im Büro auf einem riesigen aufgeklappten Laptop, "die Kinder spielen dann auf der Tastatur".

Engagierte Jugendliche und ein eingespieltes Leitungsteam
Um ein solches Stück auf die Bühne bringen zu können, ist das volle Engagement aller Beteiligten gefragt. Von Oktober bis Anfang Mai ist das Team mit Proben beschäftigt – inklusive Probenwochenende alle 14 Tage. Die 41 Kinder, die hierfür aus der ganzen Region nach Röttingen kommen, wissen, warum sie dies tun: Hier können sie schauspielern, singen und tanzen, neue Freunde finden und einfach Spaß haben. "Es ist wie Freizeit, hier treffen alle zusammen, man muss nirgends hin", meint Emma.

Das Leitungsteam ist gut aufeinander eingespielt: Regisseurin Frederike Faust, Choreografin Angelina Lochner (unterstützt von den Schülerinnen Lotte Löbert und Saskia Landwehr) und Bühnenbildnerin Antje Eckhoff-Fieber, die bei Bedarf auch die Probenleitung übernimmt, kennen und schätzen sich aus langjähriger Zusammenarbeit; ebenso wie Matthias Engel, der sich um die Kostüme kümmert.
Was sie alle antreibt, ist die Leidenschaft fürs Theater. "Ich finde es toll, Kinder mit Weltliteratur in Berührung zu bringen", sagt Frederike Faust. Und wenn sich bei der Abschlussrunde alle im Kreis aufstellen und mit 'Wir waren spitze!'-Rufen verabschieden, ist die Vorfreude auf die nächste Probe schon spürbar.
Das Musical "Romeo und Julia" hat am Freitag, 9. Mai, um 10 Uhr, Premiere bei den Frankenfestspielen; weitere Aufführungen sind am 10. und 11. Mai um 16 Uhr sowie am 12. Mai um 10 Uhr. Mehr Infos und Tickets unter: frankenfestspiele-roettingen.de