Wer wegen des Besitzes geringer Mengen Cannabis einen Eintrag im Bundeszentralregister (BZR) hat, könnte sich bald freuen: Das Cannabisgesetz (CanG), das der Bundestag Ende Februar beschlossen hat und das am 1. April in Kraft treten soll, sieht rückwirkende Straffreiheit vor. Laut Bundesgesundheitsministerium bedeutet dies, dass eingetragene Verurteilungen wegen Besitz, Erwerb und Anbau von Cannabis bis zu 30 Gramm beziehungsweise drei Pflanzen auf Antrag aus dem Register gelöscht werden können.

Die geplante Regelung sorgt bundesweit für rege Diskussion. Und auch bei den Staatsanwaltschaften in Unterfranken gibt es unterschiedliche Meinungen.
Schweinfurter Oberstaatsanwalt sieht kein Grund, rückwirkend zu annullieren
"Ich halte diese Regelungen in rechtspolitischer Hinsicht für überflüssig, denn nach bisherigem Recht waren die Taten strafbar", sagt Reinhold Emmert, Oberstaatsanwalt in Schweinfurt. Er sehe keinen Grund, die Folgen rechtmäßig erfolgter Verurteilungen rückwirkend zu annullieren. "Für besondere Einzelfälle, zum Beispiel die laufende Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen nunmehr straffreien Verhaltens, hätte man sicher geeignete Regelungen finden können", meint Emmert.
Tobias Kostuch, Oberstaatsanwalt in Würzburg, kann den Ansatz hingegen nachvollziehen. "Bei den Fällen, die jetzt erst noch zur Vollstreckung anstehen, wäre es kaum vermittelbar, warum sie noch vollstreckt werden sollen, wenn das Gesetz dafür gar nicht mehr existiert", sagt Kostuch. Die geplante Tilgung der Einträge im BZR geht seiner Meinung nach jedoch zu weit. Für die Staatsanwaltschaften und Gerichte würde dies nur erheblichen Mehraufwand bedeuten.
Genaue Prüfung und eventuell neues Strafmaß nötig
Denn die Staatsanwaltschaften müssen nun alle Akten zu Verfahren wegen Cannabisbesitz der vergangenen Jahre erneut sichten und dabei prüfen, ob ein rückwirkender Straferlass in Betracht kommt. Dabei spielt es laut Kostuch keine Rolle, wann das Vergehen verübt wurde, sondern ob die Vollstreckung schon abgeschlossen ist. In diesem Fall "tritt keine rückwirkende Straffreiheit ein", sagt der Oberstaatsanwalt. "Der Verurteilte kann lediglich die Löschung der Eintragung im BZR beantragen." Ist die Vollstreckung noch nicht abgeschlossen, trete Straffreiheit ein.
"Ein besonders hoher zeitlicher, personeller und organisatorischer Aufwand wird bei den Urteilen entstehen, denen neben nunmehr straffreiem Verhalten Taten zugrunde liegen, die unverändert strafbar sind", sagt Emmert. Wenn beispielsweise jemand verurteilt worden sei, weil er einmal mit Amphetamin handelte und ein anderes Mal Cannabis bei sich hatte, müsse die einheitlich ausgesprochene Strafe neu festgesetzt werden. "Ist aber jemand deshalb verurteilt worden, weil er mit Amphetamin gehandelt hat und dabei in nunmehr straffreiem Umfang Marihuana besessen hat, muss die Strafe nicht nachträglich angepasst werden."
Staatsanwaltschaften Würzburg und Aschaffenburg sichten Altverfahren bereits seit Ende 2023
Bei der Staatsanwaltschaft Schweinfurt ist noch nicht klar, wie viele Akten jetzt neu geprüft werden müssen. Reinhold Emmert geht aktuell von rund 500 aus. Die Würzburger Staatsanwaltschaft hat laut Tobias Kostuch bereits alle 1200 Verfahren gesichtet. Bei rund 150 bis 200 müsse das Urteil voraussichtlich abgeändert werden, sagt der Oberstaatsanwalt. Für das Sichten der Unterlagen seien einige Überstunden vonnöten gewesen.

Auch die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg hat bereits seit Ende 2023 mehr als 600 Strafakten gesichtet und geprüft. Ein rückwirkender Straferlass werde vermutlich für 400 in Betracht kommen. Die Staatsanwälte und Rechtspfleger dort hätten "die Aufgabe durch zusätzliche Arbeitszeit erledigt", sagt Oberstaatsanwalt Marco Schmitt. "Sie haben während der Woche länger gearbeitet und teilweise auch am Wochenende die Verfahren gesichtet."
Nur so sei es möglich, rechtzeitig auf die ab 1. April geplante rückwirkende Straffreiheit zu reagieren. Tobias Kostuch hält die Zeit für sehr knapp: "Ich würde mir wünschen, dass man die Rückwirkungsregelung zum Beispiel mit einer halbjährigen Übergangsfrist ausgestaltet."