Als sich am Donnerstag rund 200 Menschen in der Würzburger Innenstadt zu einem Gedenkmarsch versammeln, ist es fast auf den Tag genau 80 Jahre her, dass der Vernichtungsfeldzug des NS-Regimes gegen Jüdinnen und Juden auch in Würzburg angekommen war: Am 27. November 1941 hatte in der Stadt die erste Gruppendeportation in die NS-Vernichtungsstätten stattgefunden.
Mehr als 200 Menschen waren damals von den Nationalsozialisten durch die Innenstadt zum Güter- und Ladebahnhof in der Aumühle getrieben worden. Von dort aus wurden die Jüdinnen und Juden über Nürnberg bis nach Schirotawa bei Riga gebracht.
Nur 63 Shoah-Überlebende aus Würzburg
Das genaue Schicksal der über 200 jüdischen Männer, Frauen und Kinder aus Würzburg lässt sich nur schwer rekonstruieren. Historiker vermuten, dass der Großteil von ihnen im Wald von Bikernieki in Riga an offenen Massengräbern erschossen wurde. Von insgesamt 2000 deportierten Jüdinnen und Juden aus Würzburg überlebten nur 63 die Shoa.
Seit dem Jahr 2000 ruft die Gemeinschaft Sant'Egidio gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg jährlich zu der Gedenkveranstaltung auf. Am Donnerstagabend liefen die Teilnehmenden nach zwei Redebeiträgen am Kiliansbrunnen auf dem Bahnhofsvorplatz in einem Schweigemarsch durch die Stadt zum Rathausinnenhof, wo vier weitere Redebeiträge folgten.
In den Reden ging es nicht nur um die Geschichte, sondern auch um die Gegenwart. "Eine Verbindung herzustellen zwischen staatlich angeordnetem Mord und den heute staatlich verhängten Maßnahmen zur Pandemieeinschränkung ist für mich unnachvollziehbar", verurteilte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, entsprechende Versuche aus der "Querdenken"-Bewegung.
"In einer Gesellschaft, in der einzelnen Bevölkerungsgruppen ihre Würde abgesprochen wird, ist niemand mehr in Sicherheit", sagte Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt mit Blick auf den Terror gegen jüdische Mitmenschen während des NS-Regimes. Auch Schuchardt bezeichnete Vergleiche mit den heutigen Pandemiemaßnahmen als "inakzeptabel". Deswegen werde die Stadt auch weiterhin Veranstaltungen der "Querdenken"-Bewegung besonders im Blick haben.
Würzburger Schülerin hält bewegenden Appell an junge Generation
Einen bewegenden Appell richtete Mia-Lamia Husak, Schülerin der Würzburger St.-Ursula-Schule, an ihre Generation. "Wenn die letzten Zeitzeugen sterben, müssen wir zu Zweitzeugen werden", fordert die 18-Jährige. Sie merke, dass in ihrer Altersklasse eine Müdigkeit bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte einsetze – und das zeitgleich mit einem Anstieg von Antisemitismus in der Gesellschaft und besonders im Internet.

"In der Rede der Schülerin wurde die Verbindung von dem, was vor 80 Jahren geschehen ist, und Gedankengängen, die heute wieder in den Köpfen von viel zu vielen Menschen herumschwirren, sehr deutlich", nahm Josef Schuster Bezug auf die Ansprache der Schülerin und betonte, dass gerade deswegen Gedenkveranstaltungen wie die jetzige sehr wichtig seien.
Einig waren sich der Zentralratspräsident und die Elftklässlerin in der Antwort auf die Frage, was die Gesellschaft und jeder einzelne Mensch tun kann, damit ein Verbrechen wie die Shoa nie wieder geschieht: Die Menschen müssten sich bilden und informieren – und Zivilcourage zeigen.