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Würzburg: Samstagsbrief: Die FDP macht es Randalierern mit dem Waffenrecht leicht, Herr Dürr!

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Samstagsbrief: Die FDP macht es Randalierern mit dem Waffenrecht leicht, Herr Dürr!

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    Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, hält nichts von einer Verschärfung des Waffenrechts. 
    Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, hält nichts von einer Verschärfung des Waffenrechts.  Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Sehr geehrter Herr Dürr, kann man eine Partei ernst nehmen, die sich für den ungehinderten Zugang zu Schreckschusswaffen stark macht? Kann man also die FDP ernst nehmen?

    Das frage ich mich seit der Reaktion Ihrer Partei auf die Silvesterrandale in Berlin. Dort hatten zum Jahreswechsel Hunderte von Randalierern unter anderem mit Schreckschusswaffen Einsatzkräfte attackiert und zum Teil verletzt. SPD-Innenministerin Nancy Faeser will zügig das Waffenrecht verschärfen und etwa den Kauf  von Schreckschusswaffen erlaubnispflichtig machen. Und die FDP? Beharrt auf dem freien Zugang zu Berettas, Sig Sauers und Walthers im Schreckschussformat.

    FDP: Eine Verschärfung des Waffenrechts ist nicht notwendig

    Eine Verschärfung des Waffenrechts sei nicht notwendig. Das haben Sie, Herr Dürr, gerade gesagt. Und hinzugefügt: "Statt neue Verbote zu verhängen, sollten wir dafür sorgen, dass die Waffenbehörden in den Kommunen besser ausgestattet und ausgebildet werden." Klingt beim ersten Hinhören sinnig, dieser Satz. Ist er aber nicht, denn er geht voll am Thema vorbei. Das glauben Sie nicht? Dann riskieren Sie doch mal einen Blick ins Internet.

    Im Online-Versand: Schreckschusswaffe so leicht zu haben wie ein Gartenzwerg und eine Gießkanne

    Tatsächlich ist beim Online-Versandhandel der Kauf einer Schreckschusswaffe nicht schwieriger als der Kauf einer Gießkanne oder eines Gartenzwergs. Wer will, kann eine Beretta- oder eine Sig Sauer-Nachbildung samt Munition hindernisfrei heute bestellen und übermorgen geliefert bekommen. Die bestbewertete Schreckschusspistole etwa, schwärmen die fast ausnahmslos männlichen Kunden von Deutschlands größtem Verkaufsportal, sehe "cool“ aus, habe "ein realistisches Gewicht von rund 700 Gramm", liege "satt in der Hand“, schieße genau auf zehn Meter. Und sie entspricht laut den Käufern "1:1 dem scharfen Original". Ein Rezensent jubelt: "Genau das Richtige für Jugendliche, die ans Schießen rangeführt werden, aus Spaß an der Freude."

    Wenn eine Waffe im Haus herumliegt, ist es nur ein kleiner Schritt, sie mitzunehmen

    Das ist es, was Sie wollen, Herr Dürr? Dass Jungspunde weiter "aus Spaß an der Freude" mit ein paar Klicks originalgetreue Waffen bestellen können, sie sodann satt in der Hand spüren und erlaubnisfrei abdrücken können?

    In Berlin haben Hunderte von jungen Randalierern zum Jahreswechsel Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr mit Schreckschusswaffen und Feuerwerk beschossen. Jetzt diskutiert das politische Berlin über Konsequenzen. 
    In Berlin haben Hunderte von jungen Randalierern zum Jahreswechsel Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr mit Schreckschusswaffen und Feuerwerk beschossen. Jetzt diskutiert das politische Berlin über Konsequenzen.  Foto: Paul Zinken, dpa

    Zugegeben, unser aktuell gültiges Waffenrecht kennzeichnet nur den Kauf und das Schießen mit der Schreckschusswaffe auf dem eigenen Grundstück als erlaubnisfrei. Wird die Waffe außerhalb des Grundstücks geführt, bedarf es eines kleinen Waffenscheins. Aber seien wir ehrlich, Herr Dürr: Wenn so eine Waffe schon mal im Haus herumliegt, ist es für einen jungen Kerl, der angeben oder einen draufmachen will, nur ein kleiner Schritt, die Waffe auch mitzunehmen – zum Beispiel zu einer Silvester- oder demnächst zur Faschingsparty. Es wäre viel sicherer, solche Waffen wären nicht da oder zumindest schwieriger, also nur mit Erlaubnis, zu bekommen.

    Laut Gewerkschaft der Polizei sind rund 15 Millionen Schreckschusswaffen im Umlauf

    Ironischerweise hat Ihre Partei genau diesem Plan, Schreckschusswaffen nur mit Erlaubnisschein kaufen zu dürfen, bereits zugestimmt –im Koalitionsvertrag der Ampelregierung. Wenn Ministerin Faeser jetzt auf diesen Erlaubnisschein drängt, will sie ja nur vollziehen, was drei Koalitionspartner ohnehin vereinbarten.

    Haben Sie das vergessen, Herr Dürr? Oder ist Ihre Aussage vielmehr populistisch motiviert und zielt auf die Besänftigung und Umwerbung der Millionen von Waffenbesitzern in Deutschland? Denn das sind viel mehr als man meint: Laut Gewerkschaft der Polizei sind in Deutschland rund 15 Millionen (!) Schreckschuss-, Signal- oder Reizgaswaffen im Umlauf. Kleine Waffenscheine, die zum Führen dieser Waffen berechtigen und deren Besitzer auf Drogendelikte, auf Straftaten, auf polizeilich bekannte Auffälligkeiten oder verfassungsfeindliche Aktivitäten geprüft worden sind, haben allerdings nur rund 700.000 Personen.

    Schreckschusswaffen können töten oder verletzen

    Ich darf deshalb auf Ihren Satz zurückkommen, demzufolge wir kein schärferes Waffenrecht bräuchten, sondern nur die Waffenbehörden besser ausstatten sollten: Was bitte sollte denn eine bessere Ausstattung der Waffenbehörden bringen, wenn die Behörden Waffenbesitzer nicht registrieren können? Solche Politikersätze, die Sachverhalte verschleiern, ärgern mich.

    Deshalb möchte ich Sie dringend bitten, sich ab jetzt ernsthaft mit der Materie zu beschäftigen: Täten Sie das, könnten Sie lesen, dass Schreckschusswaffen Menschen schwer verletzen oder gar töten, werden sie im Nahbereich angewendet. Vielleicht verstehen Sie dann auch, warum es Rettungskräfte, Polizeibeamte oder Feuerwehrleute nicht schätzen, wenn sie weiter im Einsatz für uns Menschen mit diesen Waffen bedroht werden.

    Mit besten Grüßen,

    Gisela Rauch, Redakteurin

    Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.MP

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