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Würzburg: Samstagsbrief: Herr Buschmann, Ihre Corona-Regeln für den Herbst sind mir zu kompliziert und undurchsichtig!

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Samstagsbrief: Herr Buschmann, Ihre Corona-Regeln für den Herbst sind mir zu kompliziert und undurchsichtig!

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    Justizminister Marco Buschmann (FDP) am Mittwoch bei der Bundespressekonferenz zum Entwurf des Infektionsschutzgesetzes.
    Justizminister Marco Buschmann (FDP) am Mittwoch bei der Bundespressekonferenz zum Entwurf des Infektionsschutzgesetzes. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Sehr geehrter Herr Minister Buschmann,

    ich finde es absolut richtig, dass wir uns für den Fall wappnen, dass wir uns im Herbst mit einer bedrohlicheren Virusvariante konfrontiert sehen. Ich befürchte jedoch, dass die neuen Corona-Regeln, die von Oktober an gelten sollen, bei der breiten Bevölkerung auf Unverständnis stoßen. Bei mir tun sie es jedenfalls. Denn sie sind verwirrend, realitätsfern und undurchsichtig.

    Wenn ich Ihren Entwurf des neuen Infektionsschutzgesetzes richtig interpretiere, könnten uns skurrile Szenarien blühen. Ein hypothetisches Beispiel: In Würzburg muss ich im Winter in einem Café eine Maske tragen – zumindest bis ich meinen Sitzplatz erreiche. In der Pizzeria nebenan bringt mir die Maske hingegen gar nichts, weil die Wirtin per Hausrecht bestimmt hat, dass Gäste dort nur mit negativem Corona-Test essen dürfen. 

    Es droht das große Comeback des föderalen Flickenteppichs

    Bei einem Besuch des Kölner Weihnachtsmarkts muss ich eine FFP2-Maske aufziehen, obwohl ich dort an der frischen Luft bin. In Berlin dürfte ich aber ohne Test und Mundschutz in einem Techno-Club feiern – denn ich bin frisch geimpft. Besonders aufpassen muss ich jedoch bei der Zugfahrt zurück nach Würzburg: Denn selbst im halbleeren ICE gilt stets die Maskenpflicht, während ich bei einer Fahrt mit der übervollen Regionalbahn für jedes Bundesland einzeln googeln darf, was dort gerade gilt. Wer soll da bitte noch durchblicken? Es droht das große Comeback des föderalen Flickenteppichs, Herr Buschmann.

    Zugegeben, ein konstruierter Fall. Doch Ihr Gesetzesentwurf ermöglicht ein solches Regelchaos. Der Bund sollte nicht völlig offen lassen, wann die Länder welche Instrumente zur Virusbekämpfung einsetzen dürfen. Zumindest nicht solange unklar ist, welche konkreten Voraussetzungen für die Einführung dieser Maßnahmen überhaupt gelten.

    Transparenz ist die Grundlage dafür, dass die Leute solche Maßnahmen überhaupt mittragen

    Sollen Landesregierungen die Kriterien für eine Maskenpflicht in Innenräumen einfach nach Gusto festlegen? Und was ist mit schärferen Maßnahmen wie dem Mindestabstand oder der begrenzten Besucherzahl für Veranstaltungen? Sie sagen zwar, dass letztere Instrumente nur zum Einsatz kommen, wenn die Länder eine "konkrete Gefahr für die kritische Infrastruktur" oder die "Stabilität des Gesundheitswesens" feststellen. Doch das klingt, wie Sie bei der Bundespressekonferenz richtig festgestellt haben, für uns Journalisten "sehr offen" – und nicht nur für uns.

    Es kann nicht sein, dass nur Verwaltungsjuristen kapieren, wann und warum Maßnahmen drohen, die unser aller Leben einschränken. Die Bürgerinnen und Bürger verdienen Transparenz. Sie ist die Grundlage dafür, dass die Leute solche Maßnahmen überhaupt mittragen. Doch diese Klarheit vermisse ich in Ihrem Gesetzesentwurf!

    Diese Belastungen dürfen Sie den Menschen nicht leichtfertig aufbürden

    Die Leute sind der Pandemie nach fast zweieinhalb Jahren überdrüssig, viele haben unter Corona gelitten. Für Gastronomen und Kulturveranstalter war diese Zeit eine Zumutung. Doch sie sind es, die im Herbst wohl wieder Tests, Masken oder Impfstatus kontrollieren müssen und die dann den Frust der Entnervten zu spüren bekommen werden.

    Und egal ob für Schülerinnen, Zugreisende oder Kinobesucher: Das Atmen durch Masken über einen längeren Zeitraum bedeutet eine Einschränkung der Lebensqualität, die sie in der kalten Jahreszeit nun womöglich weiterhin hinnehmen müssen. Diese Belastungen dürfen Sie und die Bundesregierung den Menschen nicht leichtfertig aufbürden, nicht wenn es nicht unbedingt sein muss. 

    Irgendwann muss "dieser ganze Mist" vorbei sein

    Welche Regeln noch sinnvoll sind, ist ja ohnehin umstritten. So klingt die Sommerwelle seit Wochen ab, obwohl keine neuen Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. In Ländern wie in Frankreich oder Schweden ist von der Pandemie im Alltag oft gar nichts mehr zu spüren. Und der Virologe Hendrik Streeck sieht sogar Anlass zur Hoffnung und schreibt in einem Beitrag für "Die Zeit", dass wir darüber diskutieren müssen, "inwiefern ein Katalog an Maßnahmen für Gesunde und Jüngere in der Zeit von Impfungen, Immunität und Medikamenten noch notwendig ist".

    Das können wir nicht ignorieren, Herr Minister. Wir brauchen ein Licht am Ende des Tunnels. Irgendwann muss "dieser ganze Mist", wie sie es ausdrückten, vorbei sein. Womöglich bleibt das Virus noch länger gefährlich für uns: Doch wir dürfen die Einschränkungen unserer Freiheiten und Rechte nicht zur neuen Normalität werden lassen. Diese müssen Ausnahmen bleiben und zumindest gut begründet sein. Das sehen Sie als Liberaler doch sicher ähnlich, Herr Buschmann, oder?  

    Mit freundlichen Grüßen

    Corbinian Wildmeister

    Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.MP

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