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Würzburg: Samstagsbrief: Viel Glück mit den alten Heizungen und der Energiewende, Herr Minister Habeck!

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Samstagsbrief: Viel Glück mit den alten Heizungen und der Energiewende, Herr Minister Habeck!

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    Will den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen Anfang 2024 verbieten: Bundesklimaminister Robert Habeck (Grüne).
    Will den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen Anfang 2024 verbieten: Bundesklimaminister Robert Habeck (Grüne). Foto: Michael Kappeler, dpa

    Sehr geehrter Robert Habeck,

    der Mensch ist grundsätzlich träge. Denn wenn wir Bilder von bis zur Bedeutungslosigkeit geschmolzenen Gletschern oder immer schlimmeren Unwettern sehen, heißt es reflexartig: Ja, man müsste dringend was gegen die Klimakatastrophe tun.

    Das ist der Bogen hin zu einem Gesetzentwurf in dieser Woche, mit dem Sie für Wirbel gesorgt haben: Der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen in Wohnhäusern soll schon Anfang Januar 2024 verboten werden. Ich meine: Damit das klimaschädliche Kohlendioxid und den Raubbau an den Bodenschätzen unseres Erdballs eindämmen zu wollen, ist ein zeitgemäßes Unterfangen.

    Ich unterstelle Ihnen, Herr Habeck, dass Sie mit dem Plan dreierlei zeigen wollen: Es bleibt keine Zeit mehr für den Schwenk, es dürfen beim Klimaschutz keine Ausreden mehr gelten, die Bundesregierung tritt aufs Gas.

    Da bin ich grundsätzlich bei Ihnen. Aber wie so oft, steckt der Teufel im Detail. Wenn ich durch die Dörfer der Region fahre, sehe ich immer das Gleiche: In die Jahre gekommene Häuser, in denen offensichtlich noch ein, zwei meist betagte Menschen wohnen. Welche Heizungen dort im Keller stehen, ahne ich. Passivhäuser sind es jedenfalls nicht.

    Rechne ich meine Beobachtung auf die Republik hoch, deckt sie sich mit dem, was neulich im "Focus" zu lesen war: "In Deutschland fällt fast ein Drittel der Wohnhäuser in die schlechtesten Effizienzklassen G oder H."

    Energieeffizienz von alten Häusern: Es ist noch viel zu tun

    Es ist also noch außerordentlich viel zu tun. Dabei gebe ich dem FDP-Bauexperten Daniel Föst Recht, als er Sie, Herr Habeck, vor wenigen Tagen kritisierte: Ein generelles Verbot von fossiler Heizenergie "wird viele Menschen hart treffen und finanziell überfordern".

    Förderung hin oder her: Mal eben mehrere Tausend Euro zum Beispiel für eine Pelletheizung oder Dachisolierung aus dem Ärmel zu schütteln, das schaffen in der Tat nur wenige. Jene betagten Menschen in den alten Häusern auf dem Land oder Familien mit zwei, drei Kindern schon gleich gar nicht. Erst recht nicht in Zeiten, in denen der herkömmliche Wocheneinkauf zum Luxus geworden ist und es immer schwieriger wird, vom Einkommen Erspartes zur Seite zu legen.

    Haushalte beim Energiesparen helfen - aber wer soll das bezahlen?

    Vor diesem Hintergrund haben Sie, Herr Habeck, einen korrekten Ansatz: Laut Medienberichten streben Sie eine so hohe Förderung an, dass Menschen auch mit kleinerem Geldbeutel nicht davon abgehalten werden, ein Haus zu sanieren oder eine klimafreundliche Heizung einbauen zu lassen. Ihnen wird zusammen mit dem Finanzminister bestimmt schnell einfallen, woher Sie sich das Geld wieder holen.

    Abgesehen davon kommt eine weitere Herausforderung um die Ecke: Wer soll das alles machen mit der Energiewende? Haben Sie mal in jüngster Zeit bei einem Heizungsbauer oder Energieberater angerufen, um einen Termin zu bekommen? Sie werden im Idealfall ein müdes Lächeln geerntet haben.

    Pickepacke volle Auftragsbücher, aber nicht genügend Personal: Handwerker haben derzeit ein zwiespältiges Dasein. Aber ohne sie wird es halt nichts mit dem Ziel Ihrer Bundesregierung, die Immobilien im Land bis 2045 klimaneutral zu bekommen.

    Da ist noch das Riesenproblem mit dem Fachkräftemangel im Handwerk

    Wenn Sie als Wirtschaftsminister das Fachkräfteproblem gerade im Handwerk schnell lösen, wird man Ihnen ein Denkmal bauen. Wenn Sie dann auch noch den hysterisch gewordenen Energiemarkt zähmen, baue ich Ihnen eines.

    Denn wie laut sind in der Vergangenheit all die Energieexperten gewesen mit Ihrer Werbung vor allem für Pellets statt Heizöl. Wer sich darauf eingelassen hat, hat jetzt den Salat: 2022 kostete eine Tonne Pellets im Durchschnitt gut 500 Euro – doppelt so viel wie vor einem Jahr. Das verpönte Öl ist wieder sexy geworden.

    Mit dem Klimawandel gibt es keine Verhandlungen

    Bei Brennholz sieht es ähnlich heftig aus: Für einen Schüttraummeter muss man derzeit im Raum Würzburg bis zu 120 Euro hinblättern – gegenüber 70 Euro vor zwölf Monaten. Bleibt die Frage: Wer soll das alles bezahlen?

    Und jetzt kommen Sie auch noch mit dem Bann über den Öl- und Gasheizungen daher, Herr Habeck. Ich kann vor allem Vermieterinnen und Vermieter verstehen, die sagen: Mir wird das alles zu viel.

    Dennoch: Lassen Sie nicht locker. Es gibt zurzeit sehr viele Krisen, die gelöst werden müssen. Doch der Klimawandel ist die einzige, bei der auf der anderen Seite des Verhandlungstisches niemand sitzt. Mit dem Klimawandel kann man keine diplomatischen Gespräche führen. Er hat die Regie.

    Insofern gilt: Bleiben Sie energisch im Kampf für die Rettung der Erde, Herr Habeck. Aber behalten Sie stets im Blick, wie viel Sie den Menschen zumuten. Es ist ein Balanceakt, Sie haben meinen Respekt. Viel Glück.

    Mit freundlichen Grüßen, Jürgen Haug-Peichl, Redakteur

    Persönliche Post: der SamstagsbriefJedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Das ist ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.MP

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