Schaufensterpuppen liegen vor dem Amtsgericht in Würzburg in einer langen Reihe. "Da hat die Pharma ihren Müll abgeladen. Das sind die toten Menschenkinder", sagt Robert Franz durch ein Megafon. Die Szene stammt aus einem seiner vielen Videos, die der selbsternannte "Gesundheits-Guru" auf der Video-Plattform YouTube zeigt. "Ich muss mit meinen Nahrungsergänzungsmitteln ständig vor Gericht", sagt Franz im Video aus dem Jahr 2021.
Diese Mittel, Tierfutter und andere Produkte seiner Marke verkauft er über seinen Versandhandel mit Sitz in Unterfranken – nach eigener Aussage ein millionenschweres Geschäft. Kürzlich klagte der laut Handelsregister 61-Jährige vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg wegen zwei seiner Produkte. Denn er kann die Beanstandung der Mittel durch das Landratsamt Würzburg nicht nachvollziehen, wie er gegenüber dieser Redaktion sagt.
Mittel für "Tyrannosaurus" und "Weihnachtsmänner"
Franz, der vor Gericht nicht selbst erschien, sondern seinen Anwalt schickte, wollte sich gegen eine Anordnung des Landratsamts wehren. Die Behörde hatte ihn aufgefordert, die Nahrungsergänzungsmittel "Zeolith für Tyrannosaurus" und "L-Arginin + L-Citrullin für Weihnachtsmänner" aus dem Handel zu nehmen.

Ein Toxikologe des Bayerischen Landesamts für Gesundheit (LGL) hatte das Zeolith untersucht und eine mögliche Schädigung des Nervensystems vor allem bei Kleinkindern unter langfristiger Einnahme berechnet. Als Zeolithe werden laut Verbraucherzentrale silikathaltige Mineralien bezeichnet; Produkte damit seien häufig stark mit Aluminium und Blei belastet. Das zweite Produkt wies unter anderem auf dem Etikett den Hinweis "bei Bluthochdruck und erektiler Dysfunktion" auf. Das ist eine "krankheitsbezogene Angabe", die bei dem Produkt den Eindruck einer heilenden Wirkung erzeugen kann - was bei einem Nahrungsergänzungsmittel nicht zulässig ist.
Sind die Mittelchen eine neue Produktschiene - oder ein Werbe-Gag?
Doch sind die Produkte überhaupt für Menschen gedacht? "Die Menschen haben mich enttäuscht", sagt Franz jedenfalls in einem seiner YouTube-Videos, und: "Ich kümmere mich jetzt um Fabelfiguren, um Aliens, um Tiere und Weihnachtsmänner." Aus seinem Nahrungsergänzungsmittel "Arginin-Pulver" habe er einen Scherzartikel gemacht.
Scherzartikel seien nicht genormt und daher sei das Landratsamt nicht zuständig, sagt Franz im Video. In der Tat bewirbt der 61-Jährige auf YouTube "Vitamin B50 für Gartenzwerge", "Arginin für Weihnachtsmänner" oder "Urgesteinsmehl für Triceratops". Vor Gericht kam zur Sprache, dass das Produkt "für Weihnachtsmänner" als Reaktion auf die Anordnung des Landratsamts teilweise mit Aufklebern als "nicht zum menschlichen Verzehr" gekennzeichnet waren. Das Lebensmittelrecht umgehen wollte Franz damit nicht, erklärte sein Anwalt.
Spielwaren und Scherzartikel sind zunächst einmal keine Lebensmittel
Auf der Internetseite der Bayerischen Staatskanzlei geht es in einem Beschluss genau um das Produkt "für Weihnachtsmänner" – und um die Definition von Lebensmitteln in Abgrenzung zu Scherzartikeln. Denn die beiden Begriffe sind nicht so leicht zu trennen. Zwar seien Scherzartikel zunächst keine Lebensmittel, heißt es im Beschluss. Aber: "Etwas anderes gilt, wenn ihre Verzehrbestimmung nicht aufgehoben ist." Produkte wie Schokoladenzigaretten seien neben ihrer Funktion als Scherzartikel gleichzeitig Lebensmittel. Das eine schließt das andere also nicht automatisch aus.
Vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg ging es nun um die Frage, ob der durchschnittlich informierte Verbraucher nach vernünftigem Ermessen solche Produkte zu sich nehmen könnte - auch wenn sie als Scherzartikel und nicht für den menschlichen Verzehr gekennzeichnet werden.
Ein Händler mit zweifelhaftem Öffentlichkeits-Drang
Doch wer ist der Mann mit den lila gefärbten Haaren, der aus Nahrungsergänzungsmitteln kurzerhand Scherzartikel macht – mutmaßlich, um sie weiter verkaufen zu können? Robert Franz ist schon mehrfach in der Berichterstattung dieser Redaktion aufgetaucht. Nicht nur, weil er in der Gegend bereits Vorträge zum Beispiel über Kräuter gehalten hat. Eine gescheiterte Mission in Japan hat auch in Unterfranken für Aufsehen gesorgt: Mit 25 Kilogramm Gesteinsmehl im Gepäck habe er 2011 Betroffenen der Fukushima-Katastrophe helfen wollen, die mit radioaktiver Strahlung kontaminierten Böden zu sanieren. Dabei scheiterte er aber am japanischen Zoll.
Klickt man sich durch seinen Kanal auf Youtube, wird die Sache schnell hochpolitisch. In seinen Videos fallen Beleidigungen, es geht beispielsweise um die Pharma-Industrie oder um Corona-Maßnahmen. Die Community um Franz wirkt groß: Auf YouTube hat er über 100 000 Abonnenten; dazu unterhält er einen Telegram-Kanal und sein eigenes Internetforum.
Franz ist laut der Website seines Online-Shops eigentlich gelernter Automechaniker. Dort nennt er auch den Grund, warum er nach eigenen Angaben seit Jahren nur barfuß unterwegs ist oder sich ab und an nur mit Fellen kleidet: "Damit will er zeigen, dass man mit genug Natur im Körper jeder Krankheit trotzen kann." Franz baute sich einen Online-Handel auf, hauptsächlich für Nahrungsergänzungsmittel und Tierfutter. Laut seinem Anwalt hat er hunderte "Wiederverkäufer", die seine Produkte ebenfalls vertreiben. Tatsächlich finden sich im Internet zahlreiche Shops, die das Franz-Sortiment führen.
Internationales Verkaufsnetzwerk mit Sitz in Unterfranken
Wie aber kam es zum Verfahren vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg? Die Verbindung zwischen dem Landratsamt Würzburg und Robert Franz liegt in Neubrunn: In dem Dorf süd-westlich von Würzburg haben mehrere auf seinen Namen laufende Unternehmen ihren Sitz.
Das Handelsregister gibt Einblick in Franz' Firmengeflecht: Neben der Robert Franz Naturversand GmbH gibt es da noch die Robert Franz Laden GmbH, die sich in etwa demselben Geschäft widmet. Den für das Jahr 2020 öffentlich gemeldeten Zahlen zufolge machte die Robert Franz Naturversand GmbH 20,3 Millionen Euro Umsatz. Die Robert Franz Verwaltungs-GmbH verwaltet Vermögen und ist gleichzeitig der haftende Gesellschafter bei der Robert Franz OPC GmbH & Co. KG. Bei dieser wiederum ist sein Sohn mit im Boot, bei den anderen Firmen ist Franz als Geschäftsführer angegeben.

Unter dem Dach von Franz' Tierfutter GmbH "Dogenesis" läuft zudem das Schullandheim Schaippachsmühle (Lkr. Main-Spessart), das Franz im Jahr 2017 gekauft hat. Einen Hof in Unterickelsheim (Lkr. Kitzingen) soll er ebenfalls besitzen. Der "Gesundheits-Guru" sagt im Gespräch mit dieser Redaktion, dass er mittlerweile aber im nordrhein-westfälischen Kevelear lebe.
Ärger mit den Behörden in Unterfranken und Österreich
In Österreich hatte Franz auch schon Ärger mit den Behörden. Die österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) gab 2018 eine Produktwarnung für eines seiner Mittel heraus. Die Steirische Ärztekammer ging im Jahr darauf mit einer Unterlassungsklage gegen ihn vor. Franz soll Ärztinnen und Ärzte mit einem NS-Verbrecher verglichen und Drogendealer genannt haben. Ein weiterer Vorwurf der Ärztekammer: Franz habe von lebenswichtigen Therapien wie Herzschrittmachern abgeraten. Die Ärztekammer betitelte seine Geschäfte 2019 als "internationales Verkaufsnetzwerk für Nahrungsergänzungsmittel unklarer Herkunft".
Den aktuellen Ärger mit dem Landratsamt Würzburg thematisiert Franz selbst öffentlich: In seinen YouTube-Videos spricht er immer wieder von Kontrollen des Landratsamts – und nennt werbewirksam die Produkte, die damit in Verbindung stehen.
Die zwei vor dem Verwaltungsgericht Würzburg verhandelten Produkte muss er zumindest vorerst aus dem Sortiment nehmen. In der Verhandlung sprach der Richter davon, dass das Gericht bei dem Produkt "für Weihnachtsmänner" von einer Lebensmitteleigenschaft ausgeht. Die Verhandlung endete mit einem Vergleich, Franz' Anwalt zog die Klage gegen die Anordnung des Landratsamts zurück. Das heißt, Franz darf das Produkt nicht weiter verkaufen; auch seine Wiederverkäufer muss er über das Verbot informieren. Beim Zeolith führte der Richter aus, es liege "deutlich im Bereich der Gesundheitsschädlichkeit" und wies Franz' Klage gänzlich ab. Auch in diesem Fall darf Franz das Produkt nicht weiter vertreiben – könnte aber gegen das Urteil in die nächste Instanz zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gehen.
Gegenüber dieser Redaktion erklärte Franz, er wolle die Scherzartikel aus dem Sortiment nehmen. Das vor dem Verwaltungsgericht verhandelte Zeolith wolle er nun für den Garten anbieten. Die Gesundheitsschädlichkeit seiner Produkte bestreitet der 61-Jährige weiter.
Faktencheck GesundheitswerbungDie Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz informieren auf einer gemeinsamen Website über Gesundheitswerbung im Internet. Auf der Homepage finden sich Hilfestellungen zur Einordnung und dem Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen. Fragen zum Thema können über ein Kontaktformular direkt gestellt werden. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) und unterstützt vom Arzt und Wissenschaftsjournalisten Eckart von Hirschhausen.Quelle: Homepage Faktencheck Gesundheitswerbung