Eigentlich könnten es die Schlosser der Zuckerfabrik in diesen Tagen ruhiger angehen lassen. Die Kampagne ist zu Ende, die Schichtarbeit Geschichte, Überstunden werden abgefeiert. Trotzdem brennt in der Werkstatt das Licht bis in den späten Abend. Es wird geschraubt, gesägt, gehämmert, geschweißt und geflext. Wie alle zwei Jahre, wenn sich die Truppe von Meister Werner Graf auf den Ochsenfurter Faschingszug vorbereitet. Und wie jedes Jahr haben sie sich dafür ein aktuelles Motto ausgesucht: Der Großbrand am 17. Juni 2017 steht diesmal im Mittelpunkt.

Darf man über eine solche Katastrophe überhaupt Witze machen? Werner Graf meint „Ja“. Schließlich gehe es ja nicht darum, das schlimme Ereignis zu beschönigen, sondern um die Freude, dass danach doch alles besser geklappt hat, als erwartet, sagt Graf. „Durch das Feuer ramponiert, lief die Fabrik dann doch wie geschmiert“, steht auf dem großen Schild, das den Wagen krönt. Und weil die Gruppe für ihre originelle Ideen einen guten Ruf zu verteidigen haben, legten sie sich auch diesmal wieder ins Zeug.
Als Feuerteufel maskiert

Weil damals vor allem die Förderbänder Schaden genommen hatten, haben die Schlosser Förderbänder nachgebaut, auf denen während des Zuges Flammen auf und ab züngeln. Die Teilnehmer selbst gehen als Feuerteufel. Um sich von der Wirkung des Kostüms zu überzeugen, hat Stefan Knöchel schon mal Maß genommen und sich passend schminken lassen.
Angefangen hat das vor 14 Jahren, erzählt Werner Graf. „Wir wollten einfach dabei sein und Spaß haben. Bei der Geschäftsleitung sei der Vorschlag auf fruchtbaren Boden gefallen. Das Werk stellt Baumaterial zur Verfügung und die Bonbons, die während des Zuges ausgeworfen werden. Die rund 25 Mitarbeiter, die sich an der Aktion beteiligen, zahlen ihre Kostüme und bauen den Wagen. Selbstverständlich nach Ende der Arbeitszeit, wie Werner Graf betont. Fünf Abende hat es heuer gedauert, bis der Wagen perfekt war.
Nie um Ideen verlegen

Auch in den zurückliegenden Jahren waren die Schlosser um originelle Ideen nicht verlegen, um aktuelle Themen ihrer Branche witzig in Szene zu setzen. Als die Fußballweltmeisterschaft im weltweit größten Zuckerland zu Gast war, verkleideten sich die Zuckeraner als Samba-Tänzerinnen. 2008, als der Einsatz von Bio-Ethanol als Treibstoff in aller Munde war, bauten sie eine dampfende Schnaps-Destille auf. Und nach der Missernte 2015 gingen die Schlosser als fleißige Gartenzwerge, um dem Rübenwachstum mit ihren Gießkannen auf die Sprünge zu helfen.
Solcher Maßnahmen hat es heuer nicht bedurft, es gab eine Rekordernte. „Das wäre auch ein Thema gewesen“, sagt Werner Graf, „aber nach dem Brand hat sich Motto ja aufgedrängt.“ Dabei wäre beinahe eine peinliche Panne passiert. Bei allem Eifer hatte man nämlich vergessen, sich fristgerecht für den Faschingszug anzumelden. In letzter Sekunde wurde die Meldung bei Anne Derday von der Tourist-Info nachgereicht, die heuer gemeinsam mit Thomas Herrmann vom Stadtmarketingverein zum dritten Mal für die Organisation des Ochsenfurter Faschingszugs verantwortlich ist.
Die beiden kümmern sich seit Tagen schon um kaum etwas anderes. „Es ist immerhin der größte Faschingszug im Landkreis Würzburg und ein Außenstehender ahnt gar nicht, wieviel Aufwand dahintersteckt“, sagt Herrmann. Bereits vor Weihnachten wurden die Gruppen und Vereine aus den Vorjahren angeschrieben. Zwei Wochen vor dem Zug war Anmeldeschluss. Danach ging es darum, Versicherungsfragen zu klären und die verschiedenen Hilfsdienste zu organisieren.
Über 100 Einsatzkräfte

25 ehrenamtliche Mitarbeiter des Roten Kreuzes stellen in diesem Jahr den Sanitätsdienst sicher, neun mehr als letztes Jahr. 15 Sicherheitskräfte sind im Einsatz und sorgen dafür, dass es nirgends zu Streitigkeiten kommt und die Sicherheitsauflagen eingehalten werden. Zudem werden rund 60 Feuerwehrleute im Einsatz sein, um den Verkehr zu regeln und dem Zug einen sicheren Weg durch die Menschenmassen zu bahnen. Vor allem die Engstelle vor dem Rathaus sei da ein neuralgischer Punkt, sagt Anne Derday. „Mit der Polizei sind es über 100 Leute, die im Einsatz sind.“
Und der Umsicht der Veranstalter ist es wohl auch zu verdanken, dass es in den vergangenen Jahren trotz erheblichen Bier- und Weinkonsums weder zu Schlägereien noch anderen alkoholbedingten Ausfällen gekommen sei. Harte Sachen an die Zuschauer auszuteilen, ist beim Faschingszug tabu, ebenso wie Glasfläschchen, die in der Vergangenheit hin und wieder auch als Wurfgeschosse missbraucht wurden.
Auflagen für ein sicheres Vergnügen
16 000 Zuschauer haben den Ochsenfurter Faschingszug im vergangenen Jahr gesehen. Wenn der Trend anhält und das Wetter mitspielt, könnten es heuer noch mehr werden, sagt Thomas Herrmann. Mit der Zuschauerzahl steigen auch die Anforderung an die teilnehmenden Gruppen. Sofern ihre Wägen nicht für den Straßenverkehr zugelassen sind, müssen sie sich vor dem Zug dem TÜV stellen.
Damit im Gedränge niemand unter die Räder kommt, müssen die sicher verkleidet werden. Zusätzlich braucht jeder Wagen mindestens zwei Begleitpersonen, die über die Sicherheit wachen und die während des Zugs absolut nüchtern bleiben müssen. Auch die Lautstärke, mit der die Zuggruppen ihr Publikum während des Zugs beschallen, ist begrenzt und wird vor dem Zug kontrolliert.
„Da steckt echt Aufwand dahinter“, sagt Anne Derday und spricht noch heute ihrer Vorgängerin Petra Gold ihren Dank aus. „Sie hat wirklich alles dokumentiert, was zu tun ist, und mir die Aufgabe praktisch idiotensicher hinterlassen“, meint sie.
Besucherstärkste Veranstaltung
Rund 12 000 Euro lässt sich die Stadt Ochsenfurt den Faschingszug kosten. Einschließlich der Party, die nach dem Zug auf dem Marktplatz steigt, aber ohne die Leistungen des Bauhofs bei der Vorbereitung und der Reinigung der Straßen nach dem Zug. Thomas Herrmann ist überzeugt, dass sich der Aufwand für die Stadt lohnt. „Es ist unsere besucherstärkste Veranstaltung, und das wird auch so bleiben.“

Wenn am Sonntag um die Mittagszeit die ersten Gruppen zur Aufstellung in der Floßhafenstraße eintreffen, erreicht Anne Derdays Adrenalinpegel seinen höchsten Stand. „Erst wenn um 13.30 Uhr der Zug losgeht, kriege ich wieder Puls“, sagt sie. Ganz falle die Anspannung aber wohl erst von ihr ab, wenn sie sich bei der „After-Zug-Party“ auf dem Marktplatz auch ihr erstes Gläschen Sekt gönnen darf.
Ochsenfurter Faschingszug 24 Gruppen mit insgesamt 51 Zugnummern haben sich für den Ochsenfurter Faschingszug angekündigt. Der Zug beginnt um 13.30 Uhr in der Floßhafenstraße und führt über die Hauptstraße und Marktbreiter Straße zum Wendepunkt am Bahnhof und von dort zurück über Hauptstraße, Brückenstraße und Vorhof. Moderiert wird der Zug heuer erstmals von Joachim Eck und Martin Reichert. Nach dem Zug sind alle Besucher zur Open-Air-Party auf dem Marktplatz mit DJ Jannis Hohe eingeladen. Während des Faschingszugs sind Alte Mainbrücke, Floßhafenstraße, Hauptstraße, Brückenstraße, Vorhof und Teile der Marktbreiter Straße für den Autoverkehr gesperrt. Die Stadt bittet darum, auch die ausgewiesenen Parkplätze unterhalb der Norma und am E-Center anzufahren. Am Marktplatz wird die Sperrung erst um 18 Uhr wieder aufgehoben.