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Röttingen: Eine Gemeinde ohne Einwohner, aber mit Bürgermeister: Schönstheim bei Röttingen feiert 555. Geburtstag

Röttingen

Eine Gemeinde ohne Einwohner, aber mit Bürgermeister: Schönstheim bei Röttingen feiert 555. Geburtstag

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    Originaldokument von 1743: Darin sind alle Grundstücke aufgeführt, die gemeinschaftlich bewirtschaftet werden müssen.
    Originaldokument von 1743: Darin sind alle Grundstücke aufgeführt, die gemeinschaftlich bewirtschaftet werden müssen. Foto: Thomas Fritz (Archivfoto)

    Den 555. Geburtstag feierte kürzlich eine ganz außergewöhnlich Gemeinde: die Waldkörperschaft Gemeinde Schönstheim 1467-2022. Das besondere: Sie gehört zur Stadt Röttingen und hat einen Bürgermeister, aber keine Einwohner. Wie kann das sein?

    Um 1295 wurden die Burg Schönstein und das östlich davon gelegene Dippach mit seinen 16 Höfen - auch Huben genannt - erstmals urkundlich erwähnt. Diese Siedlung wurde im 15. Jahrhundert, etwa 1467, aufgegeben. Als Grund wird angenommen, dass solch kleine Orte häufig durch marodierende Lands- oder Söldnerhorden überfallen, ausgeraubt und gebrandschatzt wurden. Die Bewohner zogen in größere Gemeinden, wo sie sich besseren Schutz erhofften.

    Burg Schönstein war Namensgeber

    Im Falle von Dippach war dies Röttingen, das schon seit 1275 Stadtrecht besaß und mit einer Mauer sowie 14 Türmen umgeben war. Einige wenige Einwohner zogen in die Gemeinde Riedenheim. Die bisherigen Gebäude wurden abgebrochen und mit dem Material an neuer Siedlungsstätte wieder aufgebaut. Der heutige Name Schönstheim wurde vom Namen der Burg, die Schönstein hieß, abgeleitet.

    Über die gesamte Fläche sind in unregelmäßigen Abständen rund 15 Hektar Wiesen verstreut, die insbesondere dem Landschaftsbild zugutekommen. Die 16 Huben führen noch heute die Namen der damaligen Besitzer, wie Bachmannshub, Breunigs- oder Öchsnerhub. Ihre Flächengrößen sind sehr unterschiedlich. Die Gesamtfläche beträgt 301 Hektar. Schon damals wurde Wert darauf gelegt, dass alle Besitzer in guten als auch in schlechten Lagen Grundstücke haben.

    Die alte Quelle sprudelt noch immer

    Herzstück der ehemaligen Siedlung ist der Schlossgraben mit seinem Schlossbrunnen. Am Rande des Feuchtbiotops sprudelt noch immer die alte Quelle, die Röttingen fast vier Jahrzehnte lang mit Trinkwasser versorgte. Schönstheims Bürgermeister Anton Engelhardt sagte in seiner Begrüßungsrede dazu, hier werde schon seit 50 Jahren vorbildlicher Naturschutz betrieben.

    Bei der Waldbewirtschaftung wird die Gemeinde von Förster Manfred Rüb vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) bestens beraten. Die seit dem 15. Jahrhundert bestehende "Gemeindeverwaltung" wird heute noch aufrechterhalten. Durch Realteilung, Kauf oder Erbschaft sind zurzeit etwa 190 Personen Eigentümer im Hubwald Schönstheim. Die Beteiligten der 16 Huben wählen je einen Vorstand, die sogenannten "Sechzehnmänner".

    Aufgeschlossen für den Naturschutz

    Aus deren Mitte werden jährlich traditionsgemäß von den acht Ältesten am 2. Mai, heuer mit drei Wochen Verspätung, der turnusmäßige erste Bürgermeister und sein Stellvertreter bestimmt, die die anfallenden allgemeinen Arbeiten mit Hilfe der Beteiligten erledigen. Die Jagd der 301 Hektar wird eigenständig verpachtet und der Erlös unter anderem für den Wegeunterhalt verwendet. In einem Vertrag aus dem Jahre 1933 ist vereinbart, dass Schönstheim zur Gemarkung der Stadt Röttingen gehört, aber eigentlich autark ist. Es ist keine politische Gemeinde mit eigenem Steuerrecht.

    Idyllisch ist das Feuchtbiotop Schlossgraben mit Wasserschloss und Brunnenstube mit der Fassung von 1588 (rechts).
    Idyllisch ist das Feuchtbiotop Schlossgraben mit Wasserschloss und Brunnenstube mit der Fassung von 1588 (rechts). Foto: Markhard Brunecker

    Durch diese Regelung wurde die kuriose Tatsache geschaffen, dass in der "Gemeinde Schönstheim" Bürgermeister im Amt sind, aber keine Bürger oder Einwohner leben, es also eine "Geisterstadt" ist. Aus diesem Grund berichteten schon zahlreiche Medien bundesweit über diese "Phantomgemeinde". Dem Natur- und Landschaftsschutz waren die "Schönstheimer" schon immer aufgeschlossen, verriet voller Stolz Engelhardt. Besonderen Wert legen sie auf die Wasserrückhaltung. Nicht zuletzt auch deshalb wurden sie 2017 mit dem bayerischen Staatspreis für vorbildliche Waldbewirtschaftung ausgezeichnet.

    Auf freiwilliger Basis Biotope geschaffen

    Für viele Besucher ist er einer der schönsten Wälder der Region. Diese alten Sitten wollen alle noch so lange wie möglich aufrechterhalten. Zum Jubiläum gratulierten an der Lichtung Zobel-Hub-Hütte natürlich auch zahlreiche Ehrengäste. Staatssekretär a. D. Gerhard Eck bezeichnete es als eine einzigartige Situation, was da Röttingen vorzuweisen hat. Es gebühre größter Respekt und Anerkennung für das, was hier über Jahrhunderte geleistet wurde und noch wird. Das alles geschehe ganz ohne Norm und funktioniere ehrenamtlich hervorragend. "Das ist Verbundenheit, Heimatliebe und es wird in die Zukunft geschaut", so Eck.

    Landrat Thomas Eberth ist sicher, dass der jeweils amtierende Bürgermeister vermutlich der glücklichste Bürgermeister Bayerns ist, vor allem nachdem Röttingens Bürgermeister Hermann Gabel versprochen hat, den jährlichen Verwaltungsbeitrag von 38,45 Euro auf 55,50 Euro anzuheben. Stefan Köhler, Bezirkspräsident des Bayerischen Bauernverbandes für Unterfranken, hob vor allem die Biotope hervor, die freiwillig geschaffen wurden. Er riet Brüssel, sich Schönstheim als Vorbild zu nehmen.

    MdL Manfred Ländner bemerkte, dass "Am schönsten ist es in Schönstheim" nicht nur ein Reim sei. Es werde Verantwortung für das ganze Land übernommen. Jagdpächter Markus Schenk bezeichnete alles als Unikat, zu dem auch die Jagdpächter zur Gemeinsamkeit beitragen. "Das ist hier ein Paradies mit tollen Ergebnissen" war sein Abschlusskommentar.

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