Wow, diese 25 Zentimeter sind mächtig gewaltig. Lack und Leder. Mit Riemchen oder zum Schnüren. Als Spitze oder Peeptoe. In Pink, Grün, knalligem Gelb. Gepunktet, geblümt gestreift. Jeder noch so ausgefallene Wunsch geht bei Stefan Dörr in Erfüllung. Für seine Schuhe braucht man – nein, sie! – fast einen Waffenschein.
Seit 2002 betreibt der Heidingsfelder Unternehmer einen extravaganten Online-Shop. Gestartet als Ein-Mann-Betrieb auf Ebay, verkauft Stefan Dörr die ganz ausgefallenen Schuhe inzwischen weltweit. „Auf der Suche nach einem krisensicheren Produkt bin ich im Internet auf die Schuhe aufmerksam geworden.“ Die Idee, außergewöhnliche Bekleidung zu verkaufen, hat ihn von da an nicht mehr losgelassen. Von Schuhgröße 34 bis 47, über die Bereiche Gothik, Wäsche und Partykostüme ist bei ihm alles erhältlich. Das ganze Jahr über, nicht nur zur Faschingszeit.
Und die Nachfrage ist groß. Dennoch arbeitet der Betrieb nach wie vor ganz familiär, mit nur vier Mitarbeitern in einem kleinen Büro in einer Seitengasse von Heidingsfeld.
„Vielleicht probieren sie da ja selber das ein oder andere Paar an.“
High-Heel-Händler Stefan Dörr über Ware, die beim Zoll festhängt
Jeder Schuh wird einzeln geprüft, markiert, verschickt. Den aufmerksamen Augen entgeht nichts, was der Kunde bemängeln könnte. Nichts sei ärgerlicher, als Retourware, sagt Dörr. „Manche Kunden meinen die Ware wochenlang tragen und dann reklamieren zu können.“ Überschrittene Widerrufsfrist, einmaliges Tragen für Fotoshootings oder der dreiste Versuch, Billigware von anderen Händlern unterzujubeln, ärgert Stefan Dörr. Dennoch nimmt er aus Kulanz vieles zurück.
Doch der Service bringt neue Komplikationen. „Der Gesetzgeber legt uns immer neue Hindernisse in den Weg“, klagt Dörr. Durch die Regelung, dass der Kunde für die Rücksendekosten von Bestellware aufkommen muss, fürchtet den Unternehmer einen Umsatzeinbruch. „Viele überlegen sich zwei Mal ob sie überhaupt noch bestellen.“ So will Stefan Dörr die Retourkosten erst mal weiter selbst tragen. „Auch wenn Kunden die Ware einräuchern oder beschmutzen, haben wir immer einen Mittelweg gefunden.“
Seinen Shop aufgeben? Niemals. Die funkelnden Augen der Kunden würden ihn immer wieder glücklich machen, sagt der Unternehmer. Glitzersteinchen und Pailletten, Absätze in Form einer Pistole, bunte Schnürungen, Blacklight-Effekt und Dessous erfreuen nicht nur Frauen. Viele Besteller sind Männern. „Bei uns kaufen aber nicht nur Travestiekünstler und Mitarbeiter des horizontalen Gewerbes.“ Anwälte, Ärzte, Studenten, Hausfrauen. Alle Bevölkerungsschichten seien verrückt nach den Crazy Heels.
Dörr erlebt dadurch auch immer wieder skurrile Momente. „Einmal stakste ein hochrenommierter Bankangestellter mit 20 Zentimeter Heels durchs Büro. Inklusive Schickimicki-Anzug.“ Die Decke war niedrig, der Mann mit den Heels zu groß. „Er verfing sich mit seinen Haaren im Halogensystem.“ Ein Kichern kann Dörr sich nicht verkneifen. Dennoch geht er mit dem Thema entspannt um.
Gestandene Männer in High Heels? Für ihn das normalste der Welt. „Man ist viel lockerer geworden.“ Bestätigt Dörrs Frau Gisela. Anfängliche Schwierigkeiten seien Toleranz gewichen. „Wir haben da keine Vorurteile. Irgendwo müssen sie ja bestellen.“ Man laufe gewiss nicht durch die Straße und überlege, wer Heels daheim hat.
Auch Jorge Gonzales ist schon auf den crazy, sexy High Heels über die Catwalks der Welt stolziert. „Zusammen mit Stefan Raab hat er unsere Schuhe bei TV Total getragen.“ Stolz macht das den Unternehmer schon. Als Catwalktrainer Jorge mit den großen Absätzen beim Finale von Germanys Next Topmodel stolperte und aus den Laufsteg fiel, stockte Dörr allerdings kurz der Atem. „Glücklicherweise war es lediglich ein Lauffehler des Lauftrainers.“
Absatzhöhen von 10 bis 25 Zentimeter können auch für den Profi zu viel werden. Die Höchsten werden daher nur mit Warnhinweis ausgeliefert. Doch die Promi-Glitzerwelt hat auch andere Tücken. „Manche wollen, dass wir sie sponsern. Es werden massenhaft Schuhe bestellt, nicht gezahlt, Verträge gebrochen.“
Bekommt man bei über 3000 Paar nicht selber auch einen Schuhtick? Gisela Dörr sagt: „Wer nicht anfangs schon einen hat, wird ihn später kriegen.“ Selbstverständlich trägt sie im Büro High Heels, hat 15 bis 20 zu Hause. „Leider sind nicht alle alltagstauglich, viel zu schick und schade.“
Der Begriff „Sitzschuhe“ fällt im Lager übrigens mindestens einmal am Tag. „Die Ware ordern wir in L.A./Kalifornien oder auch China und liefern sie fast in die ganze Welt.“ Wenn eine Lieferung mal wieder tagelang beim Zoll festhängt, nimmt Dörr das inzwischen aber mit Humor. „Vielleicht probieren sie da ja selber das ein oder andere Paar an.“