Der Theologe und Pädagoge Jürgen Engel leitet die Abteilung Schulen des Bistums Würzburg. Im Interview spricht der Schulamtsdirektor im Kirchendienst über den drohenden Personalmangel beim Religionsunterricht. Und er sagt, was er von der Möglichkeit hält, in den ersten zwei Grundschuljahren durch einen überkonfessionellen Religionsunterricht eine Lehrkraft einzusparen.
Frage: Bei der Diskussion darüber, was in der Grundschule für zusätzliche Mathe- und Deutschstunden wegfallen soll, hat sich CSU-Ministerpräsident Markus Söder stark gemacht für die Beibehaltung aller Religionsstunden. Hat die Kirche da Druck ausgeübt?
Jürgen Engel: Nein. Wir waren selbst überrascht, wie schnell und deutlich sich der Ministerpräsident gegen eine Streichung von Religionsstunden ausgesprochen hat. Aber Söder ist evangelischer Christ aus Überzeugung, er macht daraus keinen Hehl.

Bayerns Grundschulkinder haben in den ersten beiden Klassen zwei Religionsstunden pro Woche, in Jahrgangsstufen drei und vier sogar drei Stunden. Das ist ein bundesweiter Rekord. Warum braucht Religion denn drei Wochenstunden?
Engel: Der Lehrplan für Religion behandelt sehr viele Lebens- und Glaubensfragen, die Kinder beschäftigen. Für die Vermittlung dieser wichtigen Inhalte mit kreativen Methoden werden diese drei Stunden gebraucht.

Kann der Lehrplan entzerrt und Religion in der 3. und 4. Klasse auf zwei Stunden reduziert werden, damit die Wochenstundenbelastung der Kinder sinkt?
Engel: Ich gehe ehrlich gesagt davon aus, dass dann, wenn der aktuell gültige Lehrplan Plus von 2013 überarbeitet oder ersetzt wird, die dritte Religionsstunde zur Diskussion steht. Wir haben ja auch nicht mehr das Personal, das wir in den 70er Jahren hatten.
Mangelt es der katholischen Kirche an Personal für den Religionsunterricht?
Engel: Das zeichnet sich ab. Pfarrer betreuen immer mehr Gemeinden und werden anders als früher kaum mehr für den Religionsunterricht eingesetzt. An kirchlichen Religionslehrkräften mangelt es uns tatsächlich. Allerdings machen diese Kräfte auch nur etwa 25 Prozent des Personals aus, das Religionsunterricht hält. Den Religionsunterricht an Grundschulen halten aktuell überwiegend staatliche Grundschullehrkräfte, die Theologie studiert haben und dafür von uns die Lehrerlaubnis, die sogenannte Missio canonica, erteilt bekommen haben.
"Dafür sind die Kulturen und Glaubensvorstellungen zu verschieden."
Jürgen Engel, Schulrat im Bistum Würzburg, über christlich-jüdisch-muslimischen Religionsunterricht
Aber an weltlichen Lehrkräften mangelt es in Bayern doch an jeder Ecke.
Engel: Noch geht es, was das Fach Religion angeht. Allerdings reagieren wir auf die Situation. Tatsächlich haben sich jetzt die katholischen Bistümer und die evangelische Landeskirche dahingehend geeinigt, dass die Kinder in den ersten beiden Grundschul-Jahrgangsstufen bei Bedarf gemeinsam unterrichtet werden. Der Unterrichtsversuch nennt sich "Konfessioneller Religionsunterricht in Kooperation" und soll ab Herbst 2024 an den Start gehen. Dann braucht es eine katholische oder eine evangelische Lehrkraft für den Religionsunterricht statt zwei. Außerdem wird dadurch die Ökumene gestärkt.
Können Sie sich für Bayern einen überkonfessionellen Religionsunterricht vorstellen, der auch jüdische oder muslimische Kinder anspricht?
Engel: Nein. Dafür sind die Kulturen und Glaubensvorstellungen zu verschieden. Und die Verantwortlichen müssten sich erst einmal über die Inhalte einigen, weil der Staat weltanschaulich neutral ist.