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WÜRZBURG: Schwerbehinderte zu integrieren ist nicht schwierig

WÜRZBURG

Schwerbehinderte zu integrieren ist nicht schwierig

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    Stark eingeschränktes Sichtfeld: Ortwin Zacharias muss bei Brose Fahrzeugteile nahe ans Messgerät, um zu kontrollieren, dass die Welle auf den hundertstel Millimeter genau die richtige Länge hat.
    Stark eingeschränktes Sichtfeld: Ortwin Zacharias muss bei Brose Fahrzeugteile nahe ans Messgerät, um zu kontrollieren, dass die Welle auf den hundertstel Millimeter genau die richtige Länge hat. Foto: FOTO Franz Nickel

    Erfreulicherweise sank die Zahl der Beschäftigungslosen im Bereich der Würzburger Agentur für Arbeit im Vergleich zum November 2010 um 1452 Personen (minus 15,6 Prozent). Leider profitierten die Menschen mit Schwerbehinderung nicht von dieser rosigen Situation auf dem Arbeitsmarkt: Deren Zahl verringerte sich nur um zwei (minus 0,3 Prozent). Derzeit sind im Agenturbezirk 695 Schwerbehinderte arbeitslos gemeldet, das entspricht einem Anteil von 8,9 Prozent an der Gesamtzahl.

    Die Quote der Personen ohne Beschäftigung beträgt im Bezirk der Agentur für Arbeit Würzburg 2,9 Prozent, in der Region Main-Spessart sind er sogar nur 2,0 Prozent, informierte Agenturleiter Eugen Hain. Bei einem Besuch der Firma Brose Fahrzeugteile in Würzburg machte er auf die nach wie vor angespannte Lage von Schwerbehinderten auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam.

    „Wir können es uns aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht leisten, die Schwerbehinderten bei Einstellungen nicht genügend zu berücksichtigen“, redete er Tacheles. In vielen Fällen spielten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Die Einstellung von Schwerbehinderten „ist keine soziale Wohltat, sondern ein Gebot der ökonomischen Vernunft“.

    Peter Müller, Teamleiter Reha/Schwerbehinderte in der Würzburger Arbeitsagentur, räumte bei der Betriebsbesichtigung mit den größten Vorurteilen von Arbeitgebern auf. Der besondere Kündigungsschutz von Schwerbehinderten gilt nur bei unbefristeten Verträgen, denn dafür ist die Zustimmung des Integrationsamtes notwendig. Seiner Kenntnis nach befürworte diese Behörde in rund 80 Prozent der Fälle die Kündigung. In der Rangliste der Vorurteile stehen die angeblich geringere Leistungsfähigkeit sowie hohe Kosten auf Platz zwei und drei. Diesen negativen Ansichten stellte Müller positive Eingliederungsbeispiele in der Firma Brose gegenüber.

    Björn Keller, Leiter der Personalabteilung der Würzburger Brose Niederlassung, erklärte, dass sich die Zahl der Mitarbeiter mit Schwerbehinderung seit September 2010 bis heute von 45 auf 58 erhöhte. Bei insgesamt rund 1500 Beschäftigten betrage deren Anteil inzwischen etwa vier Prozent. Zwar liege die gesetzlich vorgeschriebene Quote bei fünf Prozent, dennoch meinte er, „dass wir in diesem Bereich ganz gut unterwegs sind“.

    „Es ist nicht schwierig, Schwerbehinderte zu integrieren“, betonte Keller. Die Beeinträchtigungen reichten von Gehörlosigkeit, Querschnittslähmung bis hin zu Kleinwüchsigkeit und „unsichtbaren“ Einschränkungen.

    „Die Einstellung von Schwerbehinderten ist Gebot der ökonomischen Vernunft.“

    Eugen Hein, Leiter der Arbeitsagentur Würzburg

    Als „erstaunlichen Wert“ bezeichnete er es, dass 43 Schwerbehinderte in der Produktion eingesetzt sind. Zurzeit verbessere das Unternehmen auch die Kooperation mit den Mainfränkischen Werkstätten. Ab dem nächsten Jahr lasse Brose dort einige Sachen herstellen.

    Seit April diesen Jahres gehört Ortwin Zacharias zum Brose-Team. Wegen Diabetes mellitus ist er seit 15 Jahren stark sehbehindert. „Ich fühle mich wie neu geboren“, erzählte er während des Firmenrundgangs und zeigte seinen Arbeitsplatz. Der 43-jährige CNC-Dreher bedient, kontrolliert und wartet neun Maschinen, die Wellen für verschiedene Motoren herstellen. Wie auch seine Kollegen muss er darauf achten, dass die Teile auf hundertstel Millimeter genau angefertigt werden. Die Firma stellte ihm einen extra großen 21-Zoll-Monitor zur Verfügung, ansonsten waren fast keine Maßnahmen erforderlich.

    „Die digitalen Messgeräte haben eine große Schrift, ich muss nur nah genug hin, damit ich sie ablesen kann“, sagte Zacharias. Im Gegensatz zu seinen früheren Arbeitsplätzen - meist in kleinen Unternehmen - werde er hier nicht gehänselt. Er gehe offen mit seiner Sehbehinderung um und werde als vollwertiger Kollege akzeptiert. Gut funktioniere es auch mit dem Gabelstaplerfahrer, der zweimal hupt, wenn er in sich in seiner Nähe befindet.

    Zur Spät- und Nachtschicht fährt Zacharias mit dem Bus aus Geroldshausen nach Würzburg. Mittlerweile hat er das Problem gelöst, zur Frühschicht zu kommen: Eine Kollegin aus Giebelstadt nimmt ihn um 5.15 Uhr mit, sodass er pünktlich in Würzburg ist. Vorerst ist sein Arbeitsvertrag bis April 2013 befristet. Personalchef Keller ist zuversichtlich, dass er weiter beschäftigt werde.

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