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Würzburg: Schwere Vorwürfe gegen Schwestern: Gab es in Würzburg "rituellen Missbrauch"?

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Schwere Vorwürfe gegen Schwestern: Gab es in Würzburg "rituellen Missbrauch"?

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    Die Wickenmayersche Katholische Kinderpflege im Würzburger Ortsteil Grombühl (Archivfoto)
    Die Wickenmayersche Katholische Kinderpflege im Würzburger Ortsteil Grombühl (Archivfoto) Foto: Heer

    Spielten Nonnen im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche eine größere Rolle als bislang angenommen? In einemFernsehbeitrag erheben Betroffene schwere Vorwürfe gegen Ordensschwestern, die in der Wickenmayerschen Kinderpflege in Würzburg tätig waren. Es geht um körperliche Züchtigung und sexuelle Übergriffe, die seit Ende der 1950er bis in die 1980er Jahre in dem städtischen Heim stattgefunden haben sollen.

    Wie die Erlöserschwestern, die bis Mitte der 1990er Jahre dort Kinder betreuten, gegenüber dieser Redaktion bestätigen, hat eine Nonne Übergriffe eingeräumt. Die Kongregation ist international tätig und hat ihr Mutterhaus in der Würzburger Altstadt.

    Besonders schwer wiegen Vorwürfe einer heute 61-jährigen Betroffenen. Sie berichtet von "rituellem Missbrauch" in der einstigen Kapelle des Heims. 1998 definierte eine Enquete-Kommission des Bundestages "rituellen Missbrauch" als "Formen sexueller, physischer und psychischer Übergriffe auf Kinder und jüngere Jugendliche (...), die mit wiederkehrenden Symboliken, gleichförmigen Handlungen und kultisch-rituellen Vollzügen einhergehen". Die "wiederkehrenden 'rituellen Handlungen' und Symboliken" könnten nach Expertenmeinung unter anderem "Ausdruck eines Glaubensystems" sein.

    Nonne räumte sexuellen Übergriff ein

    Konkret berichtet die Frau in dem BR-Beitrag von "Report München": "Ich lag hier als Kind auf einer Matratze und hier standen vier Männer", sagt in der Kapelle stehend. "Ein Priester, der fotografiert hat, mit Blitz, hier dieser Typ im Bischofsgewand und zwei andere noch, auch Priester." Nach einem Missbrauch sei eine Nonne aufgetaucht, habe sauber gemacht und sie zurück in den Schlafsaal gebracht.

    Nicht von "rituellem Missbrauch", aber von Schlägen und einem sexuellen Übergriff berichtet ein heute 53-Jähriger. Laut BR räumte die noch lebende Nonne "körperliche Züchtigung" ein und bestätigte sexuelle Handlungen von ihr an dem Jungen.

    Bischof hält Schilderungen für plausibel – die Erlöserschwestern nur in Teilen

    Würzburgs Bischof Franz Jung lässt sich in dem Beitrag zitieren, dass er die Vorwürfe der Betroffenen aus der Wickenmayerschen Kinderpflege für plausibel halte. Eine konkrete Nachfrage dieser Redaktion, ob er ausdrücklich auch den "rituellen Missbrauch" für plausibel erachte, musste das Bistum zunächst unbeantwortet lassen und verwies auf kommende Woche: Der Bischof sei derzeit im Urlaub.

    Ausführlich äußern sich dagegen die Erlöserschwestern. "Wir nehmen die Aussagen von Betroffenen sehr ernst und gehen jedem Vorwurf detailliert nach", betont eine Sprecherin des Ordens. Dazu gehörten die Prüfung von Schwesternunterlagen und "die Befragung noch lebender Schwestern, die in der benannten Einrichtung gearbeitet haben".

    Den Vorwurf der rituellen Gewalt hat demnach gegenüber den Erlöserschwestern nur die Frau aus dem Beitrag geäußert. Am Wahrheitsgehalt der Anschuldigung hat der Orden erhebliche Zweifel: Die Betroffene habe sich erstmals 2013 an die Diözese und dann 2016 an die Erlöserschwestern gewandt, so die Sprecherin. Der Bitte, "konkrete Schilderungen" der Ereignisse vorzulegen, sei die Frau erst Ende 2019 nachgekommen. Man habe die Vorwürfe "detailliert geprüft" und konnte "die Ereignisse, die sie uns geschildert hat – unter anderem den 'rituellen Missbrauch' durch Geistliche in der Kapelle – auf der Basis der uns vorliegenden Unterlagen und Aussagen nicht nachvollziehen".

    "Die Geistlichen hatten keinen Schlüssel für das Gebäude."

    Die Erlöserschwestern zu den Vorwürfen, an denen sie zweifeln

    Vielmehr hätten "ausführliche Gespräche mit den noch lebenden Ordensschwestern", die in der Wickenmayerischen Kinderpflege gearbeitet hatten, ergeben, dass es dort "zu keiner Zeit Geistliche" gegeben habe, "die im Heim lebten, angestellt oder seelsorglich für die Kinder zuständig waren". Priester seien nur gekommen, "um ausschließlich mit den Ordensschwestern den Frühgottesdienst zu feiern". Die Sprecherin weiter: "Daher ist es für uns nicht nachvollziehbar, dass Geistliche mit den Kindern Kontakt hatten oder gar nachts ins Heim gekommen sein sollen. Die Geistlichen hatten keinen Schlüssel für das Gebäude."

    Warten auf ein Gespräch mit dem Bischof

    Was den Fall des Mannes, der in dem Beitrag zu Wort kommt, angeht, habe man dagegen "die Plausibilität eines Teils der Vorwürfe sehr wohl nachvollziehen" können. Die Schwester habe "klar und offen einen einmaligen sexuellen Übergriff und auch körperliche Züchtigung eingestanden" und 2019 Selbstanzeige erstattet. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft wegen Verjährung eingestellt. 2019 habe man dem Betroffenen ein Gesprächsangebot gemacht. Man sei zuversichtlich, dass es auch zu einem Gespräch komme. "Zur Anerkennung des Leids" habe man ihm eine Entschädigung gezahlt.

    Was halten die Erlöserschwestern davon, dass der Bischof wohl auch die Vorwürfe der Frau für "plausibel" hält? "Bischof Jung hat sich bisher nicht an uns gewandt, weder mit Fragen zur damaligen Situation in dem benannten Kinderheim, noch zu den Vorwürfen der Betroffenen", teilen die  Erlöserschwestern mit. "Für uns gehört dies zur Prüfung der Plausibilität." Der Orden sei jedenfalls "entschlossen, bei der Aufarbeitung mit der Diözese zusammenarbeiten, vor allem auch im Interesse der Betroffenen". So habe die Ordensleitung mit Blick auf die aktuellen Vorwürfe den Bischof Ende Mai um ein Gespräch gebeten. "Die Antwort auf diese Gesprächsanfrage steht noch aus."

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