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SOMMERHAUSEN: So überlebt man mit einer Dorfmetzgerei

SOMMERHAUSEN

So überlebt man mit einer Dorfmetzgerei

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    „Ich lass mir eben Zeit“: Erich Werther vor  . . .
    „Ich lass mir eben Zeit“: Erich Werther vor . . . Foto: Jürgen Haug-Peichl

    Das altehrwürdige Metzgerhandwerk stirbt in Mainfranken genauso aus wie im restlichen Deutschland. Gehörte einst in fast jedem mainfränkischen Dorf die Metzgerei dazu wie die Kirche, die Schule und der Sportverein, so liest man schon seit langem über eine Ladenschließung nach der anderen.

    Auch in Würzburg haben in den vergangenen Monaten einige Metzgereien mit zum Teil klangvollen Namen dichtgemacht, Berufsnachwuchs ist Mangelware.

    Ist es düster an der Wursttheke? Nicht überall

    Hinzu kommt: Auf dem flachen Land veröden viele Dörfer, ihre Infrastruktur stirbt ab, die kleinen Metzgereien und andere Läden verschwinden – ein Teufelskreis.

    Es sieht also düster aus an der Wursttheke. Überall? Nicht unbedingt. Im beschaulichen Sommerhausen (Lkr. Würzburg) hat ein Mann bewusst einen steinigen Weg eingeschlagen, der ihm aber zumindest die Existenz seiner kleinen Dorfmetzgerei gesichert hat: Erich Werther.

    Werther war in ganz Deutschland unterwegs

    Der heute 57-Jährige hat vor neun Jahren eine bunte Karriere in Festanstellung beendet, um in seinem Elternhaus im Altort die 1856 von seinem Ururgroßvater gegründete Metzgerei zu übernehmen. Dass sie heute noch existiert, dafür gibt es mehrere Gründe: Werther hat eine unverrückbare Philosophie, Werther verquickt spezielle Fertigkeiten mit dem Alltag in der Metzgerei – und Werther hat einen Zweitjob: Er ist Restauranttester.

    Wurst nicht einfach so aufs Brötchen klatschen

    Das mit der Philosophie klingt banal: Er setzt auf Stammkunden, auf Qualität und auf Beratung. Und er zelebriert seinen Job: Wer bei ihm etwa ein Salami-Brötchen bestellt, bekommt auch was fürs Auge. „Ich klatsche die Wurst nicht einfach so aufs Brötchen“, sagt er. Vielmehr nimmt er jede einzelne Scheibe von der Schneidemaschine auf und drapiert sie auf dem Brötchen. „Ich lass mir eben Zeit“, sagt Werther.

    Und das gelte auch dann, wenn die Leute mal Schlange stehen.

    Zeitdruck, Hetze? Nicht mit Werther

    Da kommt es schon mal vor, dass Werther trotz der Schlange eine alte Dame langsam zur Tür hinausbegleitet. Zeitdruck, Hetze? Nicht mit Werther.

    Demut, Dankbarkeit – auch und gerade mit Blick auf Lebensmittel: Das ist ein weiteres Credo des Wahl-Astheimers (Lkr. Kitzingen). Das mag auch mit dem Beruf zusammenhängen, den Werther ursprünglich gelernt hat: Er ist Küchenmeister. Und gelernter Konditor. „Ich wollte auch das mit den Süßspeisen lernen.“

    In den Küchen namhafter Hotels wie Kempinski in Frankfurt/Main oder Schweizerhof in Berlin arbeitete Werther in den 1980er Jahren. Auch die USA und die Schweiz waren Ziele für ihn, vermittelt wurde er von einer Agentur für Gastro-Fachkräfte.

    1985 starb sein Vater, die Dorfmetzgerei in Sommerhausen wurde daraufhin verpachtet. Für Erich Werther war der Gedanke fern, in den kleinen Laden in seinem Heimatdorf einzusteigen. Er ging andere Wege: 1988 machte sich der Küchenmeister selbstständig, übernahm das Gasthaus Krone in Escherndorf (Lkr. Kitzingen), wo er zehn Beschäftigte hatte. Bis 1998 war das seine Adresse.

    Einst Gastwirt gewesen

    Dann sei der Pachtvertrag ausgelaufen, erzählt er. Werther stieg aus. Hinzu kam, dass er mittlerweile Vater geworden war. Gastwirt und Familienleben: Dazwischen liegt oft ein tiefer Graben. „Ich wollte die Familie nicht leiden lassen“, erinnert sich Werther an seine Entscheidung von damals.

    Also stieg er um und bei Varta als angestellter „Fachinspektor für Hotel- und Restaurantführer“ ein. Der Job brachte ihn in Gastwirtschaften in alle Ecken Deutschlands, er aß gut und lebte aus dem Koffer. Bis ihm 2007 gewahr wurde, dass die Dorfmetzgerei daheim in Sommerhausen seit längerem leer stand.

    „Ich habe mich moralisch verpflichtet gefühlt, da was zu machen“, erinnert sich Werther heute. „Ich bin eben ein Familienmensch“, was seine Vorfahren aufgebaut hatten, lag ihm plötzlich sehr am Herzen. Außerdem wollte er nicht mehr aus dem Koffer leben.

    20.000 Euro in den Laden investiert

    Also nahm er 20 000 Euro in die Hand, um das Geschäft herrichten zu lassen. Vor allem in den Kühlraum musste er investieren.

    In der Anfangszeit sei es schon mal vorgekommen, dass er mit 6,15 Euro Umsatz an einem Nachmittag rauskam, erzählt Werther. Also fuhr er die Öffnungszeiten herunter, um das Ganze profitabler zu machen.

    Und er schuf sich ein zweites Standbein: Ist der Laden zu, dann verdingt sich Werther als Restauranttester auf Honorarbasis. Mit einem Radius von maximal 300 Kilometern ist er dann in Süddeutschland unterwegs, acht bis zehn Mal pro Monat.

    Ohne dieses Geld sei es schwierig: Durchschnittlich 2500 Euro netto bringe ihm die Metzgerei in Sommerhausen ein, verrät Werther. Seine Frau helfe ihm ab und zu auf 450-Euro-Basis, alles andere mache er allein.

    Freilich gibt es Dinge, die machen Werther das Leben in dem Laden nicht einfacher: die strengen bürokratischen Vorschriften rund um Hygiene zum Beispiel. Auf einem kleinen Holzschreibtisch im Nebenraum seines Ladens stapeln sich allerlei Formulare und Notizbücher. Hier muss Werther peinlich genau die Temperatur der angelieferten Ware eintragen. Auch ein Protokoll ist zu führen – über Fliegen, die er in seinen Räumen gesehen hat.

    Bürokratie ist lästig

    Wären schon bei der Übernahme der Metzgerei 2007 die bürokratischen Hürden so hoch gewesen wie heute, dann ist sich Werther sicher: „Ich hätte es nicht gemacht.“ Bis zu 30 Prozent seiner Arbeitszeit im Laden verbringe er mittlerweile mit Bürokram.

    „Metzger“ darf sich Werther offiziell gar nicht nennen: Er hat keinen Meisterbrief, er hat den Beruf gar nicht gelernt. Also ist er „nur“ Händler für Fleisch und Wurst. Die Ware bezieht er von Anbietern in der Region.

    Küchenmeister mit Sinn für Heimat, stilvolles Essen und Qualität: Das mag der Garant dafür sein, dass es die kleine Dorfmetzgerei von Erich Werther noch gibt. Das schätzen offenbar sogar Kunden aus der Ferne: Fast jede Woche kann Werther Anekdoten mit Stammgästen erzählen, die aus halb Deutschland kommen, um extra bei ihm einzukaufen.

    „Dorfmetzger Erich erzählt“ In regelmäßigen Abständen wird Erich Werther in unserer neuen Video-Kolumne schildern, was sein Leben als Dorfmetzger prägt. Dabei geht es um Anekdoten, Lustiges, Ärgerliches und vor allem Menschliches. Die Kolumne mit dem Sommerhäuser Original finden Sie in unserem Wirtschaftsblog „ImPlus“. Dorfmetzger Erich erzählt zum Auftakt unter anderem, dass er in seinem Laden mit einem Stammkunden regelmäßig ein Wein-Rendezvous und so manchen schillernden Touristen als Kunden hat. www.mainpost.de/im-plus

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