Das Coronavirus ist auf Weltreise. Wann und wo seine Reise zu Ende gehen wird, weiß niemand. Klar ist nur: Wo das Virus ist, will und darf niemand hin. Zumindest in den nächsten Wochen gehören Urlaubsreisen ins Reich der Träume. Doch was ist mit den Sommerferien, die in Bayern ja erst im August und September liegen? Die bereits erfolgte Buchung gleich stornieren, oder erstmal abwarten? Wie ist die Rechtslage? Wer bleibt im Zweifelsfall auf welchen Kosten sitzen? Expertin Julia Zeller von der Verbraucherzentrale Bayern hat Antworten.
Was raten Sie, wenn man eine Reise schon gebucht hat? Sollte man die vorsorglich gleich stornieren – oder erst mal abwarten?
Julia Zeller: Nicht abzusehen ist, wie lange die behördlichen Beschränkungen andauern werden. Eine frühzeitige Stornierung der Reise ist somit mit der Gefahr verbunden, dass Verbraucher auf den vertraglich vereinbarten Stornierungskosten sitzen bleiben, wenn zum Reisezeitpunkt die behördlichen Beschränkungen aufgehoben wurden. Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes soll nach unserem Kenntnisstand bis Ende April andauern. Für Reisen, die danach stattfinden, gibt es deshalb oft noch keine kostenlosen Rücktrittsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite können sich dagegen die Stornokosten erhöhen, je näher der Reisetermin rückt. Wir können Reisenden daher nur raten, die aktuelle Lage im Blick zu behalten und immer wieder je nach Kosten und Bedeutung der Reise abzuwägen.
Wie ist die rechtliche Situation? Reicht Corona als Stornierungsgrund auch auf längere Sicht gesehen aus?
Zeller: Ein kostenfreier Rücktritt von der gesamten Reise bei kurz bevorstehenden Pauschalreisen ins Ausland ist mit der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes möglich. Danach hat der Reisende einen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises. Mit einem Gutschein oder einer Umbuchung muss sich der Verbraucher dagegen nicht zufriedengeben. Auch mit dem aktuellen Beschluss des Bundeskabinetts zur Entschädigung durch Gutscheine ändert sich rechtlich nichts für den Verbraucher, da hierfür die Zustimmung der EU-Komission fehlt. Besteht ein Einreiseverbot oder kann zum Beispiel die Unterkunft nicht mehr zu touristischen Zwecken genutzt werden, müssen auch einzeln gebuchte Leistungen, wie Flug und Hotel nicht bezahlt werden. Zumindest wenn für die Buchung deutsches Recht gilt. Anders ist es dann, wenn direkt beim Anbieter im Ausland gebucht wurde. Dann kann das Recht des dortigen Landes statt des deutschen Rechts gelten.
Wann muss der Grund vorliegen, um eine kostenlose Stornierung zu erzielen?
Zeller: Es ist rechtlich noch nicht genau geklärt, wann ein unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstand vorliegen muss, der eine kostenfreie Stornierung ermöglicht. Es dürfte aber wohl darauf ankommen, ob zum Zeitpunkt der Reise die unabwendbaren, außergewöhnlichen Umstände vorliegen und mit welcher Wahrscheinlichkeit davon zum Zeitpunkt der Stornierung ausgegangen werden konnte. Diese Voraussetzungen für eine kostenfreie Stornierung aller Pauschalreisen liegen aktuell zumindest bis Ende April, einschließlich der Osterferien, vor.
Wer bleibt auf den Kosten einer späten Stornierung letztlich sitzen, das Reisebüro vor Ort, der Reiseveranstalter oder der Verbraucher?
Zeller: Kann die Reise wie geplant stattfinden, wurde diese jedoch vorab storniert, bleibt der Verbraucher auf den Kosten sitzen. Wer nicht mehr verreisen will und mit einer Stornierung wartet, läuft Gefahr, dass sich die Stornoentgelte erhöhen, falls zum Reisezeitpunkt keine unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände mehr vorliegen, die zum kostenlosen Rücktritt vom Reisevertrag berechtigten. Diejenigen, die frühzeitig unter Hinweis auf den Coronavirus stornieren oder bereits storniert haben, sollten unserer Ansicht nach Stornierungsgebühren zurückerhalten, wenn zum Reisezeitpunkt immer noch eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts gilt und/oder dann andere Indizien für einen unabwendbaren, außergewöhnlichen Umstand vorliegen. Es ist aber nicht gesagt, dass der Reiseveranstalter das auch so sieht. Darum kann es zu Streit darüber kommen.

Was raten Sie optimistischen Verbrauchern, die jetzt eine Reise im Sommer/Herbst 2020 buchen wollen?
Zeller: Reiseangebote für die Zeit ab Mai sind buchbar, auch der Flugbetrieb läuft noch – wenn auch stark eingeschränkt. Es empfiehlt sich, vor einer Buchung mehr als sonst darauf zu achten, ob Flug, Hotelaufenthalt oder Pauschalreise kurzfristig und mit möglichst wenig finanziellem Verlust wieder abgesagt werden können. Je mehr Flexibilität, umso besser. Viele Veranstalter hoffen, dass das Geschäft bald wieder anspringt und kommen ihren Kunden mit kostenlosen Umbuchungs- oder Stornierungsoptionen und mit Marketingaktionen entgegen. Auch in der Kreuzfahrt-Branche lockern Reedereien ihre Stornierungsbedingungen: Viele Reisen können bis wenige Tage vor Abfahrt kostenlos abgesagt werden.
Welche Rechte haben diese Urlauber, wenn sie mit dem Wissen um die unsichere Lage buchen und dann zurücktreten müssen. Gibt es diesbezüglich rechtlich gesehen Unterschiede? So unter dem Motto: Selbst schuld?
Zeller: Entscheidend wird hier sein, ob zum Zeitpunkt der Buchung vorhersehbar war, dass gegebenenfalls zum Reisezeitpunkt Ereignisse auftreten könnten, die einen kostenfreien Rücktritt der Pauschalreise rechtfertigen können. War also zum Zeitpunkt der Buchung bereits bekannt, dass die amtliche Reisewarnung zum Reisezeitpunkt weiterhin besteht, hat der Reisende in der Regel keinen Anspruch auf eine kostenfreie Stornierung. Das Risiko war bei Buchung bereits bekannt. Aktuell ist nicht abzuschätzen wie lange die Reisewarnung anhalten wird. Bei kurzfristigen Reisen könnte dies somit zu einem Problem werden. Bei Reisen, die erst in ein paar Monaten stattfinden sollen, sollte dies jedoch nicht zu Lasten des Verbrauchers gehen.