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MAINFRANKEN: Sorgerechtsverfügung: Im Notfall in besten Händen

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Sorgerechtsverfügung: Im Notfall in besten Händen

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    Schwere Entscheidung: Eine Sorgerechtsverfügung regelt, wer sich im Fall des Todes der Eltern um die Kinder kümmert. Foto: Thinkstock
    Schwere Entscheidung: Eine Sorgerechtsverfügung regelt, wer sich im Fall des Todes der Eltern um die Kinder kümmert. Foto: Thinkstock Foto: anyaberkut (iStockphoto)

    Das Neugeborene schläft selig in der Wiege; der Nachwuchs stellt mit seinem Chaos gerade die Bude auf den Kopf: Selten fühlt man mehr Leben als mit kleinen Kindern. Doch vielleicht ist gerade das der richtige Moment, um darüber nachzudenken, was eigentlich mit Kindern passiert, wenn deren Eltern sterben. Kommen sie automatisch zu den Paten? Oder zu den Großeltern? Wenn ja, zu welchen? Oder in ein Heim? Was viele junge Eltern nicht wissen: Das Familiengericht entscheidet, wer die Vormundschaft für die Waisen übernimmt.

    „Das Familiengericht wählt eine persönlich und charakterlich geeignete Person aus dem persönlichen Umfeld des Mündels aus, die nach Möglichkeit auch wirtschaftlich in geordneten Verhältnissen lebt“, erklärt Rainer Beckmann, Pressesprecher des Amtsgerichts Würzburg. Das können die Paten sein oder die Großeltern – müssen aber nicht. In problematischen Fällen oder auch bei großen Streitigkeiten unter den Angehörigen kann sogar eine fremde Person als professioneller Vormund ernannt werden.

    Wer die Wahl des Vormunds nicht dem Gericht überlassen will, kann mit einer sogenannten Sorgerechtsverfügung vorsorgen: Sie ist eine Art Testament, das nicht das Erbe, sondern das Sorgerecht regelt. Eltern, oder auch alleinerziehende Mütter oder Väter, können darin festlegen, in wessen Hände sie die Verantwortung für ihre Kinder legen wollen, falls ihnen etwas zustößt.

    Anne E. (Name von der Redaktion geändert) aus dem Landkreis Würzburg und ihr Mann haben eine solche Sorgerechtsverfügung gleich nach der Geburt ihres jetzt einjährigen Sohnes geschrieben. „Das ging auch von meinem Mann aus“, erzählt die 33-Jährige. „Er hatte das Bedürfnis, unserem neugeborenen Sohn Sicherheit zu verschaffen.“ Die beiden waren sich sofort einig: Annes Eltern sollen die Vormundschaft übernehmen. „Sie sind beide zu Hause, haben viel Erfahrung mit Kindern und auch dieselben Werte wie wir“, erläutert sie ihre Wahl.

    Auch Britta Welschen und ihr Mann Simon aus Würzburg haben sich schon mit dem Gedanken auseinandergesetzt, wer Tochter Mila im schlimmsten Fall großziehen soll. „Bei uns war es allerdings der Mann von Milas Patin, der bei der Taufe nachgefragt hat“, erzählt die 29-Jährige. „Ich hätte mich nie getraut, jemandem eine so große Verantwortung zuzumuten!“ Die Patin Elena und ihr Mann Benni sind schon seit über 20 Jahren mit Britta Welschen befreundet und für die jungen Eltern als Vormünder eine „gute Alternative“ zu den Großeltern. „Ich habe immer ein gutes Gefühl, wenn Mila bei ihnen ist.“ Bis zu drei Kinder der Familie wären die Freunde bereit aufzunehmen – und umgekehrt könnte sich Britta Welschen es ebenso vorstellen.

    Dass sich gesunde Elternpaare Gedanken über das Schicksal ihrer Kinder nach ihrem eigenen Tod machen, ist „sinnvoll“, erklärt Amtsgericht-Sprecher Beckmann. „In der Praxis ist jedoch der häufigere Fall, dass ein alleinerziehender Elternteil schwer erkrankt und sich dann sehr konkret Gedanken macht, wie es nach seinem Tod für die Hinterbliebenen weitergehen soll.“

    Für das Jugendamt, den Allgemeinen Sozialdienst der Stadt Würzburg und die Erziehungsberatungsstellen ist die Sorgerechtsverfügung „kein Alltagsgeschäft“, so Matthias Fleckenstein, Leiter der Fachabteilung Vormundschaften der Stadt Würzburg. Wirklichen Beratungsbedarf gebe es nur in Sonderfällen, etwa wenn eine Mutter das alleinige Sorgerecht hat und nicht will, dass das Kind nach ihrem Tod zum Vater kommt. Wer in einer typischen Familienkonstellation lebt, kann die Sorgerechtserklärung alleine verfassen – Formulierungsvorschläge gibt es im Internet – und zu Hause aufbewahren.

    „Wir haben die Verfügung abgeheftet und meinen Eltern verraten, in welchem Ordner sie sie finden“, sagt Anne E. Ihre Eltern und Schwester, die als Ersatzvormund eingetragen ist, hätten zuerst mit Erstaunen darauf reagiert, dass ein junges Elternpaar solche Gedanken hat – hätten es dann aber verstanden. Die anderen Großeltern, die nicht genannt sind, wissen nichts von der Entscheidung – und so soll es auch bleiben, um niemanden zu kränken. „Wir gehen ja davon aus, dass der Fall nie eintritt“, betont Anne E.

    „Aber wenn, schafft die Verfügung Klarheit.“ Denn das Gericht kann einen benannten Vormund – juristisch „Berufener“ genannt – nicht grundlos übergehen. Nur wenn das über 14-jährige Kind der Wahl widerspricht oder der Berufene das Amt nicht annimmt – etwa weil er selbst krank oder beruflich stark eingespannt ist oder mindestens zwei schulpflichtige Kinder hat – oder aber, wenn mit der Wahl das Kindswohl gefährdet wäre, sucht der verantwortliche Rechtspfleger nach einer Alternative.

    Dabei ist es dann hilfreich, wenn die Eltern ihre Wahl gut begründet haben. „So sind die Motive der Eltern für das Familiengericht dokumentiert und können bei der Auswahlentscheidung beachtet werden“, erklärt Gerichtssprecher Beckmann.

    Die Sorgerechtsverfügung bietet neben der Ernennung eines Vormunds auch die Möglichkeit, bestimmte Personen kategorisch auszuschließen – und auch hier hilft dem Gericht eine genaue Begründung. Zudem können Eltern in der Verfügung wählen, ob sie die Betreuung des Kindes und die Verwaltung dessen geerbten Vermögens in die gleichen Hände legen oder nicht.

    Auf jeden Fall beaufsichtigt und kontrolliert das Familiengericht den Vormund regelmäßig, erklärt Beckmann. „In besonders bedeutenden Fragen benötigt der Vormund auch familiengerichtliche Genehmigungen, zum Beispiel wenn er Geld vom Sparkonto des Kindes abheben will, wenn eine Erbauseinandersetzung oder eine Erbausschlagung erfolgt oder wenn Grundstücksgeschäfte anstehen.“

    Obwohl laut Deutscher Rentenversicherung jährlich rund 1000 Kinder in Deutschland zu Vollwaisen werden, ist vielen Eltern die Möglichkeit zur Vorsorge kaum bewusst. „Aber das soll sich jeder gut überlegen, es gibt einem so viel Erleichterung“, so Anne E. Wie bei einem Testament kann die Sorgerechtsverfügung jederzeit geändert werden. Deshalb ist für Anne E. das Thema noch nicht komplett abgeschlossen. „Wenn unser Sohn älter wird, machen wir uns neue Gedanken.“

    Die Vormundschaft

    Damit die Wünsche der Eltern im Ernstfall tatsächlich Beachtung finden, ist es wichtig, bei der Erstellung der Verfügungen die Formalitäten zu beachten. Die Sorgerechtsverfügung ist rechtlich gesehen eine Art Testament. Um eine rechtskräftige Sorgerechtsverfügung zu erstellen, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder gehen die Eltern zum Notar bzw. zum Anwalt und lassen ein Testament anfertigen. Oder die Eltern verfassen ein Schriftstück. Je ausführlicher die Begründung für einen Vormund ausfällt, desto eher stimmt das Gericht zu. Achtung: Es reicht nicht, ein maschinell erstelltes Dokument zu unterschreiben.

    Nur Eheleute können eine gemeinsame Sorgerechtsverfügung aufsetzen. Unverheiratete Eltern brauchen zwei Testamente. Voraussetzungen für einen Vormund sind unter anderem die Volljährigkeit und die Geschäftsfähigkeit der Person. Weiter sollten sich Eltern fragen, ob sie der Person vertrauen können und ob sich das Kind dort wohlfühlt. Der Vormund kümmert sich anstelle der Eltern um die personen- und vermögensrechtlichen Angelegenheiten des Kindes (Bürgerliches Gesetzbuch, § 1793). Der Vormund kann das Kind bei sich aufnehmen, ist aber nicht dazu verpflichtet.

    Das Gericht kann von der Sorgerechtsverfügung abweichen, wenn berechtigte Zweifel an der Eignung der vorgeschlagenen Person bestehen.

    Damit das Schreiben auffindbar ist, kann es entweder beim Vormund oder in Form eines Testaments gegen eine Gebühr beim Nachlassgericht deponiert werden.

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