Die südkoreanische Serie "Squid Game" ist die bisher erfolgreichste Netflix-Produktion. Darin wird die Geschichte von knapp 500 Menschen erzählt, die sich alle hoch verschuldet haben. Sie treten in Kinderspielen gegeneinander an, um ein Preisgeld zu gewinnen. Doch der Wettbewerb hat einen makabren Haken: Wer es nicht in die nächste Runde schafft, wird getötet. Die Serie ist ab 16 Jahren freigegeben. Doch auch viele jüngere Kinder scheinen die brutalen Szenen gesehen zu haben. Mancherorts werden die Kinderspiele auf Schulhöfen in abgewandelter Form nachgespielt. Doch wie können Eltern ihre Kinder vor Gewaltdarstellungen in Filmen schützen? Und wie hilfreich sind Verbote? Der Würzburger Schulpsychologe Ulf Cronenberg und die medienpädagogische Beraterin Brigitte Greiner geben Tipps.

Wie finde ich heraus, ob mein Kind Filme mit Gewaltdarstellungen anschaut?
"Grundsätzlich ist die Frage, wie gut Eltern mit ihren Kindern über ihr Medienverhalten im Austausch sind und daran teilhaben", sagt der Schulpsychologe Ulf Cronenberg. Wenn Fernseher, Computer, Tablet und Handy zeitlich unbeschränkt und im eigenen Zimmer zur Verfügung stehen, bekomme man als Eltern natürlich wenig mit. "Ansonsten kommt es auch darauf an, wie gut und offen die Beziehung zu den eigenen Kindern ist", erklärt der Experte. Sofern man sich auch sonst über Filme, Videos und Serien austausche und immer wieder gemeinsam mit den Kindern etwas anschaue, werde man eher von seinen Kindern erfahren, wenn sie darin mit Gewaltdarstellungen konfrontiert sind. "Mein Rat ist, dass Eltern mit ihren Kindern über alles, was sie anschauen, im Austausch zu bleiben versuchen – nicht nur, wenn sie sich Sorgen machen", sagt Cronenberg. Das gelte explizit auch für ältere Jugendliche.

Wie komme ich mit meinem Kind über Gewalt in Medien ins Gespräch?
Wenn man seinen Sohn oder seine Tochter gezielt ansprechen möchte, sei erst mal ein entspannter Rahmen wichtig - beiläufig beim gemeinsamen Abendessen oder wenn man sowieso gleich zusammen einen Film anschauen will, rät der Schulpsychologe. Dann könne man zum Beispiel sagen: "Ich habe neulich einen Artikel über 'Squid Game' gelesen, in dem es darum ging, dass die Serie ziemlich brutal ist. Kennst du die auch?" Und wenn ein Ja kommt: Warum setzt man sich nicht gemeinsam hin und schaut eine Folge, um dann hinterher darüber zu sprechen? Dass "Squid Game" erst ab 16 Jahren freigegeben ist, sollten Eltern aber wissen. Das sei keine Serie, die man mit seinen zwölfjährigen Kindern anschauen sollte. "Ich persönlich finde sogar die Altersfreigabe der Serie ab 16 Jahren höchst fragwürdig", sagt Cronenberg. Einschusslöcher in Menschen und in Zeitlupe spritzendes Blut werden darin sehr explizit dargestellt.
Woran erkenne ich, dass ein bestimmter Inhalt mein Kind belastet?
Belastungsreaktionen sind erst mal unspezifisch: Kinder und Jugendliche können nicht gut einschlafen, sind nachts öfter wach, haben Albträume. Sie sind gereizter als sonst, eventuell sogar aggressiv. "Manche Kinder und Jugendliche reagieren aber auch mit Rückzug, sind stiller, in sich gekehrter oder weinen, ohne dass man den Grund kennt", berichtet der Schulpsychologe. Auch körperliche Reaktionen seien in großen Belastungssituationen möglich. Zum Beispiel eine erhöhte Unruhe und Nervosität, Übelkeit oder Kopfschmerzen. "Das alles können aber auch Symptome sein, die andere Ursachen haben", gibt Cronenberg zu bedenken. Wenn man solche Veränderungen bemerkt, sei es wichtig, ein Kind oder einen Jugendlichen behutsam darauf anzusprechen.
Warum interessieren sich Kindern und Jugendlichen für Gewaltdarstellungen?
Die Spannung fesselt die jungen Zuschauer genauso wie die Erwachsenen, sagt die medienpädagogische Beraterin Brigitte Greiner. "Beim Konsumieren der Videos lenkt der Nervenkitzel auch von Alltagsproblemen ab. Der Genuss eines Gewaltfilms ist vergleichbar mit einer Fahrt mit der Geisterbahn", erklärt sie. Man setze sich freiwillig einer Gefahr aus und könne darauf vertrauen, dass es für einen selbst gut ausgehen wird. Auch der Druck, mitreden zu wollen, könne ein Grund für das Interesse an einem solchen Film sein. Manchmal stecke auch eine Art Mutprobe dahinter.

Dem Schulpsychologen Ulf Cronenberg zufolge sprechen junge Menschen auch besonders gerne über Dinge, die grenzüberschreitend sind. "Verbotenes hat für manche Jugendliche von sich aus einen großen Reiz", sagt er. "Das Ansehen von Gewaltdarstellungen ist als Ausprobieren im Jugendalter in einem gewissen Rahmen normal." Jugendliche versuchen herauszufinden, was ihnen guttut – und was nicht. Nur wenn es zur dauerhaften Gewöhnung wird, müsse man es als problematisch ansehen.
Wie kann ich mein Kind vor belastenden Inhalten schützen?
Brigitte Greiner empfiehlt Eltern: "Sehen Sie sich einen Film, den Ihr Kind unbedingt ansehen will, selbst vorher an, um für sich ein Urteil bilden zu können. Falls Ihr Kind unter einem Gruppenzwang steht und in der Klasse oder im Freundeskreis einfach nur mitreden will, dann überspringen Sie im Film die schlimmsten Szenen, sprechen darüber und erklären dem Kind die Gründe für Ihre Bedenken." Außerdem rät die medienpädagogische Beraterin dazu, bei Streaming-Diensten getrennte Zugänge für Kinder und Erwachsene anzulegen. Das schütze gerade die jüngeren Kinder davor, dass sie versehentlich auf Gewalt in Medien stoßen können.
Ist es vertretbar, Jugendlichen entgegen der Altersfreigabe das Schauen bestimmter Filme zu erlauben?
"Im Gegensatz zu Grundschul-Kindern ist für Jugendliche ein generelles Verbot solcher Filme nicht zu empfehlen, da sich nie vollständig kontrollieren lässt, ob sich nicht im Freundeskreis für das Kind die Möglichkeit bietet, diesen Film zu sehen", sagt Greiner. Ergeben sich dann Fragen zum Umgang mit Gewalt oder hat es Angst, wird es sich nicht an seine Eltern wenden – weil es den Film ja nicht hätte schauen dürfen.
Der Schulpsychologe Ulf Cronenberg plädiert dafür, dass Eltern sich an den Altersfreigaben orientieren und daran festhalten. "Wenn man die Tür einmal aufmacht, ist es schwieriger, sie in anderen Situationen wieder zuzumachen", sagt er. "Viele Kinder und Jugendliche werden woanders oder heimlich sicher Filme gucken, die nicht für ihr Alter geeignet sind. Aber das sollte die Ausnahme bleiben und nicht zu Hause erlaubt stattfinden."
Weitere Informationen für Eltern stellt Flimmo (www.flimmo.de) zur Verfügung. Dabei handelt es sich um einen Elternratgeber für TV, Streaming, YouTube und Kino mit Einschätzungen und Tipps zum Filmkonsum von Kindern. Auf Klicksafe (www.klicksafe.de) finden sich weitere Ratschläge zum Umgang mit digitalen Medien.