Livestream im Stadtrat? Jeder Bürger kann im Netz über eine Art Stadtrats-TV die Sitzungen, alle Themen und die Debatten live überall verfolgen. Und wem das nicht möglich ist, der kann auf eine Art Mediathek zurückgreifen und sich ansehen, was es Neues zum Zeller Bock oder zum Moz-Areal gibt. Nur eine Vision?
„Nein“, sagt Linken-Stadtrat Sebastian Roth und bringt diese Zukunftsvorstellung als Antrag in die noch kamerafreie Stadtratssitzung am Donnerstag, 13. November. Das sei eine Forderung seiner Partei, die die Linke schon in ihrem Kommunalwahlprogramm eingebracht hatte.
Seine Argumente: interessierte Bürger sollen die Möglichkeit haben, auch von zu Hause aus den Debatten und Entscheidungen in dem wichtigen Gremium folgen zu können. Oft müssten die Leute arbeiten, wenn der Stadtrat ab 15 Uhr zusammentritt. Oder sie seien aus privaten oder gesundheitlichen Gründen verhindert.
Aber sein Antrag geht noch einen Schritt weiter. Er wünscht sich auch eine zusätzliche Mediathek, um Themen nachverfolgen zu können. In mehreren bayerischen Städten würde ein solcher Service schon angeboten und auch mit Interesse verfolgt.
Für Roth muss eine transparente Demokratie den Bürgern jederzeit die Möglichkeit geben, sich einen Eindruck von der Arbeit ihrer Abgeordneten, in dem Fall ihrer Stadträte, zu verschaffen. Um sich eine Meinung über einen Stadtrat zu bilden, müsse man doch auch kontrollieren können, was dieser im Plenum gesagt und getan hat.
Andere Städte in Bayern sammelten schon Erfahrung mit einer Übertragung aus Ratssälen. Eine der ersten war Passau. Die Politübertragung aus dem Rathaus wurde im September 2011 probeweise eingeführt. Seit 2012 ist das in der Drei-Flüsse-Stadt ein fester Service, sagt Stadt-Sprecherin Karin Schmeller. Anfangs hatten die Datenschützer Probleme mit den Persönlichkeitsrechten angemeldet. Und einige Räte verweigerten ihre Zustimmung, die für einen Livestream im Netz unabdingbar ist. Bei einer Weigerung muss derjenige vom Kameramann ausgeblendet werden. Doch diese Bedenken sind jetzt ausgeräumt und alle Stadtpolitiker gaben ihr Einverständnis.
Und dann ist da noch die Sache mit den Nutzern. Schmeller: „Wir haben durchschnittlich eine Zuschauerzahl im mittleren zweistelligen Bereich.“ Also etwa 50 bis 60 Netzgucker. Passau hat etwa 49 000 Einwohner. Diese Entwicklung ist relativ stabil geblieben seit der Einführung. Es werden alle Sitzungen – auch aus den Ausschüssen – im Rathaus übertragen. Eine Mediathek, wie vom Würzburger Stadtrat Roth gefordert, hat Passau abgelehnt.
„Wir starteten mit vorhandenen Mitteln“, sagt Karin Schmeller. „Das war nicht ausreichend. Dann bewilligte der Stadtrat 10 000 Euro für eine neue Ausrüstung. Die Kameraführung übernehmen immer noch städtische Mitarbeiter, das Streaming im Netz läuft über einen externen Anbieter.“ Für die 115 Sitzungen im Jahr entstehen Passau Kosten in Höhe von 9600 Euro.
„Wir haben eine Zuschauerzahl im mittleren zweistelligen Bereich“
Karin Schmeller Sprecherin Stadt Passau
Und auch die Landeshauptstadt überträgt seit 2014 – nach einer Probephase – Sitzungen aus dem Ratssaal. Stadtsprecherin Gabriele Vögele: „Bei der ersten Liveübertragung hatten wir 1500 Interessierte. Jetzt geht es je nach Thema etwas nach unten.“ München hat 1,47 Millionen Einwohner und nimmt für den Bürgerservice jährlich 32 500 Euro in die Hand. Bei den Kosten ist eine Mediathek inbegriffen.
Jeder Stadtrat hat der Übertragung zugestimmt. Allerdings gibt es in München ein anderes System: Jeder Politiker, der reden möchte, muss an ein bestimmtes Pult treten. Das macht die Kameraführung einfacher. In Würzburg bräuchte man wohl zwei Kameraleute für die etwa 180 Sitzungen mit Ausschüssen pro Jahr.
Neu im Reigen ist seit dem Sommer 2014 Ingolstadt. Dort werden alle Stadtratssitzungen und sogar die Ausschüsse gestreamt. Allerdings hat man sich dort für eine andere Variante entschieden. Es gibt keine Bildübertragungen, sondern Audio-Einspielungen, erläutert Sprecher Michael Klarner. Bisher verweigerte nur die SPD-Fraktion ihre Zustimmung, die Genossen wollten gleich den Videostream.
In Würzburg könnten das bei einer Einführung von Livestreams lange Nachmittage und Abende werden, dauert so eine Sitzung doch normalerweise mehrere Stunden. Nun gibt es eine vorsichtige Einschätzung der Lage von der Würzburger Stadtverwaltung.
Sprecher Christian Weiß: „Das ist eine schöne Möglichkeit, den Zugang für den Bürger bei Stadtratsdebatten zu vereinfachen. Wir sind aber skeptisch wegen der hohen Kosten und wegen des Datenschutzes. Außerdem kann die Kamera die Spontaneität der Redebeiträge beeinflussen.“
Nach vorsichtigen Schätzungen bräuchte Würzburg drei schwenkbare Kameras plus Personal. Ein Beschluss zur Einführung wird am Donnerstag noch nicht gefasst.
Die Münchner Mediathek des Stadtrates
TV-Beitrag über das Live-Streaming im Passauer Stadtrat