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WÜRZBURG: Stadtteilserie (2): Als Richard Wagner am Letzten Hieb zechte

WÜRZBURG

Stadtteilserie (2): Als Richard Wagner am Letzten Hieb zechte

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    Blick vom Letzten Hieb im Jahr 1852: Die Reiter und das Geschütz verweisen auf die militärische Verwendung des Hublands, wo sich ein Exerzierplatz befand. Wir entnahmen die Illustration, ein Ölgemälde von Georg Mauckner, das sich im Mainfränkischen Museum befindet, dem dritten Band der vom Stadtarchiv herausgegebenen „Geschichte der Stadt Würzburg".
    Blick vom Letzten Hieb im Jahr 1852: Die Reiter und das Geschütz verweisen auf die militärische Verwendung des Hublands, wo sich ein Exerzierplatz befand. Wir entnahmen die Illustration, ein Ölgemälde von Georg Mauckner, das sich im Mainfränkischen Museum befindet, dem dritten Band der vom Stadtarchiv herausgegebenen „Geschichte der Stadt Würzburg". Foto: Repro: MP

    Die Würzburger nannten ihn „Rabenstein“: Hoch über der Stadt an der heutigen Rottendorfer Straße stand ein gemauerter Galgen, der dem damals noch unbewohnten Gebiet seinen Namen gab: Galgenberg. Er stand da als drohende Warnung für alle Verbrecher an einem der wichtigsten Stadtzugänge.

    Wurde jemand hingerichtet, so ließ man die Leiche zur Abschreckung hängen und es dauerte nicht lange, bis hungrige Raben und Krähen sie umschwärmten. Später kam dann der Totengräber und verscharrte den Rest, den die Vögel übrig gelassen hatten. In der Nähe befanden sich die Feldlagen Inneres und Äußeres Hubland.

    Der Weg der zum Tode Verurteilten, die im sogenannten „Stockhaus“ in der Kasernengasse auf die Exekution warteten, war lang. Da die Häftlinge nicht an der fürstbischöfliche Residenz vorbeikommen durften, mussten sie unter strenger Bewachung einen Umweg durch die „Armensündergasse“ (Landwehrstraße), das Sandertor (Tiepolostraße), das Glacis und den „Armensünderweg“ (St. Benedikt-Straße) nehmen. In der Nähe der heutigen Bäckerei Schiffer wurde an einem 1757 errichteten Muttergottesbild Station gemacht, um den Delinquenten Gelegenheit zum Beten zu geben, schreibt Thomas Memminger in seinem Buch „Würzburger Straßen und Bauten“.

    Viele Würzburger standen schaudernd vor dem Galgen und betrachteten nachdenklich die daran hängenden Leichen. Manchmal fehlt es freilich an der gebotenen Distanz. Im August 1739 kam es zu einem Skandal, als offensichtlich betrunkene Studenten erst im Dürrbachtal randalierten und dann lärmend zum Galgenberg weiterzogen. Hier trieben sie mit den Gerippen der Gehängten Unfug, steht im zweiten Band der vom Stadtarchiv herausgegebenen „Geschichte der Stadt Würzburg“.

    Die Studenten verhöhnten die herbeigeeilte Wache und einige Offiziere des fürstbischöflichen Hofes, attackierten sie und bedrohten sie mit einer Waffe. Bischof Friedrich Karl von Schönborn griff hart durch: Vor allem wegen des unerhörten Angriffs auf Offiziere verhängte er ein strenges Strafgericht. Sechs Täter verließen von sich aus die Universität, vier weitere wurden zwangsweise exmatrikuliert und auf drei Jahre des Hochstifts verwiesen.

    Im September 1796 war der Galgenberg kurze Zeit Hauptquartier des erst 25-jährigen Erzherzogs Karl, Bruder des deutschen Kaisers. Karl brachte den französischen Revolutionstruppen in Würzburg eine empfindliche Niederlage bei. Die Franzosen saßen zunächst auf der Festung, die Truppen Karls in der Stadt und auf dem Galgenberg. Zwischen Festung und Galgenberg entspann sich heftiges Artilleriefeuer über die Stadt hinweg.

    Am 2. und 3. September wurde eine Schlacht auf einer Frontlänge von zwölf Kilometern vom Steinberg bis in den Raum Prosselsheim geschlagen, in der Karls Truppen siegten und die Franzosen schwere Verluste erlitten. Eine zeitgenössische Lithographie zeigt den Erzherzog am Galgenberg, umgeben von Offizieren, während aus dem Maintal Pulverdampf aufsteigt. Ein Reiter reckt stolz eine zerrissene Fahne in die Höhe.

    Diese und weitere erfolgreiche Schlachten Karls konnten freilich den Gang der Geschichte nicht wenden; am Ende triumphierten die Franzosen, bei denen sich vor allem der junge Napoleon Bonaparte hervortat. Erzherzog Karls Namen trägt heute eine – griechisch ausgerichtete – Gaststätte in der unteren Rottendorfer Straße, am Letzten Hieb befindet sich eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Schlacht.

    Die Vorbereitung auf kriegerische Auseinandersetzungen spielte in der weiteren Geschichte des Galgenbergs eine große Rolle, nämlich als das Gelände ab 1830 zu einem Exerzierplatz wurde.

    Würzburg beherbergte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stets eine der größten Garnisonen des Königreichs Bayern, und die Soldaten brauchten Flächen zum Exerzieren. Allerdings gestaltete sich der Erwerb der notwendigen Übungsplätze schwierig. Aufgrund des niedrigen Militäretats sah sich die Militärverwaltung nicht einmal in der Lage, die durch die 1827 erfolgte Verlegung des 2. Artillerieregiments nach Würzburg nötige Erweiterung des Übungsplatzes am heutigen Sanderrasen, der damals außerhalb der Stadtmauern lag, vorzunehmen. Die Stadt, die sich über Soldaten in ihren Mauern freute und alles tat, um sie zu halten, bot schließlich an, 10 000 Gulden für den nötigen Grunderwerb bereitzustellen. Das Kriegsministerium akzeptierte den Vorschlag und erwarb ein Gelände auf dem Galgenberg.

    Zahlreiche Zuschauer aus Zivil und Militär verfolgten das erste Übungsschießen, das am 29. Oktober 1830 vonstatten ging und bei dem blinde Patronen zum Einsatz kamen.

    Im selben Jahr begann man mit dem Ausbau: Es entstanden eine Halle für das Unterstellen von Geschützen und Fahrzeugen, ein Haus für die Wache sowie ein „Kugelfang“ für das Schießen mit Handfeuerwaffen, dessen Lage heute noch durch den 1922 verliehenen Straßennamen „Am Kugelfang“ markiert wird. 1833 war er fertig.

    „Der 'Letzte Hieb‘ ward fast allabendlich Zeuge meiner enthusiastischen Lustigkeit.“

    Der Komponist Richard Wagner über seine Würzburger Zeit

    Ein Kugelfang ist ein bei Schießständen hinter der Zielscheibe errichteter, fünf bis zehn Meter hoher Wall, der die Gefährdung der Umgebung durch Kugeln verhindern soll. Die dem Schützen zugekehrte Seite ist steil gehalten, damit die Geschosse nicht als Abpraller zurückkommen oder anderweitig weitergehen.

    Ganz in der Nähe des Kugelfangs lag in der Rottendorfer Straße 29 der Biergarten „Zum letzten Hieb“, einer der Lieblingsorte des jungen Richard Wagner. Als der 20-Jährige Mitte Januar 1833 nach Würzburg kam, wohnte er, bevor er in die Kapuzinerstraße 7 zog, zunächst bei seinem ältesten Bruder Albert, der mit Frau und zwei Töchtern in der Wöllergasse (später Oberthürgasse) logierte. Albert war Opernsänger und hatte Richard am Stadttheater eine Stelle als Chorrepetitor und Chordirektor besorgt. Als der 20-Jährige gelegentlich auch Opern dirigieren durfte, sah er wohl erstmals seine Zukunft als Opernkomponist vor sich.

    Wagner verliebte sich in die Würzburger Kunsthändlerstochter Frederike Galvagni – möglicherweise auch in die Totengräberstochter Therese Ringelmann, die wie Frederike am Theater sang – und begann, seine erste Oper „Die Feen“ zu komponieren, was noch heute auf einer Tafel in der Kapuzinerstraße nachzulesen ist. Mit dem Klavierlehrer Alexander Müller freundete er sich an.

    Wagner war kein Kind von Traurigkeit, wie er später schrieb. „Mit ihm (Müller) und anderen Freunden machte ich oft Ausflüge in die Umgebung, wobei es mit bayerischem Bier und fränkischem Wein lustig herging. Der 'Letzte Hieb‘, ein auf anmutiger Höhe gelegener öffentlicher Biergarten, ward fast allabendlich Zeuge meiner enthusiastischen Lustigkeit und Ausgelassenheit.“

    Der „Letzte Hieb“ so schreibt Thomas Memminger, schien Wagner Jahrzehnte später auch der ideale Ort, um sein Festspielhaus zu errichten. Auf Seite 216 des Buches „Würzburger Straßen und Bauten“ heißt es: „Als Wagner auf der Suche nach einem geeigneten Ort war, in dem sein Festspielhaus entstehen sollte, hatte der Meister sein Augenmerk auch auf unser Würzburg gerichtet. Beim 'Letzten Hieb' droben, mit dem schönen Blick auf die Stadt und Festung, sollte der 'hehre, herrliche Bau‘ sich erheben.“

    Im Hotel „Kronprinz“, so Memminger weiter, „verhandelte er mit dem damaligen Bürgermeister Zürn und bat nach eingehender Darlegung seines Planes um eine tatkräftige Unterstützung der Stadt. Darauf gab ihm der Bürgermeister, der für die Kunst nicht viel übrig hatte, die lakonische und klassische Antwort: 'Würzburg hat schon ein Theater und braucht kein weiteres.‘“.

    In dem Biergarten, in dem Wagner zechte, steht heute bekanntermaßen kein Musiktheater. Dort isst man jetzt Döner und Pizza und lässt die Wasserpfeife kreisen. Am Häuschen, in dem der junge Komponist und seine Freunde bei Regen Unterschlupf suchten, hängt eine weitere Gedenktafel.

    Galgenberg und Hubland blieben weiterhin fest in der Hand des Militärs. 1872 wurde der Kugelfang, der sich als Hindernis erwiesen hatte, eingeebnet. 1884 kaufte die Militärverwaltung auf dem Galgenberg weitere Grundstücke und erweiterte den Exerzierplatz nach Osten und Süden, bis er beträchtliche Teile der späteren Leighton Barracks umfasste.

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