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Würzburg/Oberndorf: Samstagsbrief: Stephan Schwab, ihr Outing als schwuler Priester macht vielen Katholiken Mut

Würzburg/Oberndorf

Samstagsbrief: Stephan Schwab, ihr Outing als schwuler Priester macht vielen Katholiken Mut

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    Stephan Schwab ist Diözesanjugendseelsorger im Bistum Würzburg.
    Stephan Schwab ist Diözesanjugendseelsorger im Bistum Würzburg. Foto: Fabian Gebert

    Lieber Stephan Schwab,

    eigentlich hätte ich an dieser Stelle "Sehr geehrter Herr Pfarrer Schwab" geschrieben. Aber im Gespräch mit Ihnen habe ich erfahren, wie sehr Sie – bei aller Leidenschaft für die Aufgabe als Diözesanjugendseelsorger – mit dem Titel "Herr Pfarrer" fremdeln. Weil er so abgehoben daher komme, weil er bei vielen Christen noch immer Erwartungen wecke, die ein Mensch wie Du und ich – und als solcher verstehen Sie sich – oft gar nicht erfüllen könne.

    Also, lieber Stephan Schwab, ich möchte Ihnen und Ihren 125 Mitstreiterinnen und Mitstreitern in der katholischen Kirche, die sich jetzt unter dem Motto #OutInChurch als schwul, lesbisch, trans, inter, non-binär oder einfach queer öffentlich zu erkennen gegeben haben, meine Hochachtung  ausdrücken. Auch wenn es viele Nicht-Katholiken im Jahre 2022 nicht so ganz nachvollziehen können: Ihr öffentliches Outing ist verdammt mutig.

    Die vielen Schicksale, die der Fernsehfilm "Wie Gott uns schuf", den die ARD parallel zu der Aktion ausgestrahlt hat, dokumentiert, machen auf schmerzliche Weise deutlich, wie sehr Ärztinnen, Pastoralreferenten oder Religionslehrerinnen teilweise seit vielen Jahren leiden, weil sie ihre sexuelle Orientierung und häufig auch geliebte Lebenspartnerinnen und -partner verstecken müssen, um ihren Job bei einem katholischen Arbeitgeber nicht zu gefährden.

    Jesus hätte queere Menschen niemals ausgeschlossen

    Und dies in einer Kirche, die sich auf Jesus Christus beruft – Gottes Sohn, der in seiner Liebe zu den Menschen keine Unterschiede machte, ja sich im Zweifel eher um jene gekümmert hat, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens standen: die Armen, die Gebrechlichen, die Außenseiter. Man muss – glaube ich – kein Theologe sein, um zu erkennen: Jesus hätte queere Menschen niemals aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

    Und dennoch haben Sie, so haben Sie es mir erzählt, viele Jahre gebraucht, bis sich diese Erkenntnis auch bei Ihnen verfestigt hat. Als Jugendlicher zu bemerken, eher auf Jungs als auf Mädchen zu stehen, das kann den Gefühlshaushalt ganz schön durcheinanderwirbeln. In einem katholischen Umfeld noch mehr – erst recht, wenn man den Berufswunsch hat, Pfarrer zu werden.

    Sie sagen, anfangs haben Sie noch gedacht, die Sexualität wäre womöglich kein Thema mehr, wenn sie erst einmal zum Priester geweiht sind und dann eh zölibatär leben müssen. Aber so ist es nicht gekommen. Mit 30, also vor 20 Jahren, seien Sie sicher gewesen: "Schwul zu sein, ist Teil meiner Identität." Gleichzeitig haben Sie erkennen müssen: "Ein Teil von mir wird in dieser Kirche nicht gewollt." Homosexualität gilt bis heute in der offiziellen katholischen Lehre als Sünde, als widernatürlich. Ständiges Versteckspiel, Ausreden, wenn Fragen von Gläubigen aus der Gemeinde  kamen, das alles war für Sie täglich Brot. 

    Aufgabe des Priesteramts als ernsthafte Option

    Immer wieder, so berichten Sie, haben Sie versucht, mit psychologischer Hilfe die inneren Konflikte aufzuarbeiten, zu bewältigen. Während einer zweieinhalbjährigen Sabbat-Zeit sei die Aufgabe des Priesteramts eine ernsthafte Option gewesen. Sie haben sich am Ende anders entschieden, weil Pfarrer zu sein, eben mehr ist als ein Beruf – eine Berufung. Gleichzeitig beharren Sie seitdem auf größtmögliche, zumindest kircheninterne Offenheit im Umgang mit Ihrer sexuellen Identität. 

    Ihre Entscheidung, Priester zu bleiben, sie zeigt auch, lieber Stephan Schwab, Sie wollten und wollen den Konservativen in Ihrer Kirche nicht die Deutungshoheit in Fragen der Sexualmoral überlassen. Deshalb streiten Sie weiter dafür, dass sich auch queere Menschen frei von Angst und Diskriminierung in den Gemeinden engagieren können, egal, ob haupt- oder ehrenamtlich. Sie setzen auf eine Kirche, die bunt und vielfältig ist, in der niemand mehr einen so steinigen Weg gehen muss wie Sie selbst.

    Erste Reaktionen aus der Bischofskonferenz, auch von Verantwortlichen in Würzburg, zeigen, dass #OutinChurch wirkt, dass zumindest das kirchliche Arbeitsrecht nun so geändert werden könnte, dass es für das Beschäftigungsverhältnis keine Rolle spielt, wie die Mitarbeitenden sexuell orientiert sind, ob sie verheiratet oder geschieden sind.

    Ich weiß, lieber Stephan Schwab, dass für Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter ein geändertes Dienstrecht ein wichtiger, aber eben auch nur ein erster Schritt hin zu vielen weiteren Reformen in der katholischen Kirche ist. Mehr Rechte für Frauen, ein Zölibat, der auf Freiwilligkeit beruht, mehr Mitbestimmung für die Gemeinden: Es gibt viel zu tun, Ihr Lebensweg macht Mut. Bleiben Sie dran!  

    Herzliche Grüße

    Michael Czygan, Redakteur

    Persönliche Post: Der "Samstagsbrief"Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.

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