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Würzburg: "Steuerhinterziehung"? Würzburger CSU-Stadtrat soll Einnahmen in städtischem Schwimmbad nicht registriert haben

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"Steuerhinterziehung"? Würzburger CSU-Stadtrat soll Einnahmen in städtischem Schwimmbad nicht registriert haben

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    Der Würzburger CSU-Stadtrat Emanuele La Rosa betreibt den Kiosk im Würzburger Dallenbergbad. Recherchen der Redaktion legen nahe, dass er zahlreiche Einnahmen nicht registriert haben könnte.
    Der Würzburger CSU-Stadtrat Emanuele La Rosa betreibt den Kiosk im Würzburger Dallenbergbad. Recherchen der Redaktion legen nahe, dass er zahlreiche Einnahmen nicht registriert haben könnte. Foto: Theresa Müller, Silvia Gralla

    Pommes, Eis und massenhaft gekühlte Getränke – im städtischen Dallenbergbad in Würzburg gehen während der Freibadsaison im Sekundentakt Verkäufe über die Kiosktheke. Im Sommer 2022 hat die Redaktion von einem Informanten einen Hinweis zu fragwürdigen Kassenvorgängen im Kiosk des  Schwimmbads bekommen: Viele Verkäufe würden nicht mit den dort verwendeten elektronischen Registrierkassen erfasst. Ein erfahrener Würzburger Rechtsanwalt für Steuerstrafrecht bezeichnet die angeblichen Vorgänge als "klare Steuerhinterziehung". Was ist dran an diesem Vorwurf?

    Betrieben wird das Bad von der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV), einer Gesellschaft im vollständigen Besitz der Stadt Würzburg. Gepachtet hat den Kiosk der CSU-Stadtrat Emanuele La Rosa, der neben einigen weiteren gastronomischen Betrieben in der Region etwa das Catering im Mainfranken Theater betreibt.

    "Ich dachte, ich seh' nicht recht", schildert der Informant, der der Redaktion namentlich bekannt ist, seine Beobachtungen. Bei einem Freibadbesuch im Juli 2022 habe er gesehen, wie ein Kiosk-Mitarbeiter nur alle paar Minuten Verkäufe in die Kasse tippte, dazwischen habe diese offen gestanden, die Verkäufe seien unregistriert weitergelaufen.

    Zahlreiche Verkäufe anscheinend nicht registriert – kann das rechtens sein?

    "Die Kasse wurde wie ein Taschenrechner genutzt: Wenn jemand mehr als ein, zwei Sachen bezahlte, das Zusammenrechnen vermutlich also komplizierter wurde, wurde getippt", schildert der Informant. "Bei Einzelposten wurde kaum registriert." Das Vorgehen habe ihn verwundert, da er selbst durch seine berufliche Tätigkeit als Kaufmann mit Kassensystemen vertraut sei. Später habe er beobachtet, wie sich La Rosa selbst an die Kasse gesetzt habe: "Da blieb die Kasse dann durchgehend offen stehen. Geld rein, Wechselgeld raus, ohne auch nur einen Verkauf zu erfassen".

    Zwei Wochen später sei er wieder im Freibad gewesen und habe die gleichen Vorgänge beobachtet, berichtet der Informant. Dieses Mal zückte er sein Handy - und filmte den Stadtrat an der dauerhaft offen stehenden Registrierkasse. Das Video liegt der Redaktion vor. 

    An mehreren Tagen beobachtet die Redaktion nach den Hinweisen die Vorgänge im Kioskbetrieb und dokumentiert sie ebenfalls mit Bildmaterial. Die Beobachtungen des Informanten werden dem Augenschein nach bestätigt: Sowohl La Rosa selbst als auch sein Mitarbeiter registrieren zahlreiche Verkäufe in den elektronischen Kassen nach der Wahrnehmung der Redaktion nicht.

    Kann diese Art der Kassenführung rechtens sein? Die Redaktion hat Stadtrat Emanuele La Rosa um eine Erklärung für den beobachteten Umgang mit den elektronischen Kassensystemen in seinem Betrieb gebeten. La Rosa hat die Anfrage nicht beantwortet. Stattdessen hat sich sein Rechtsanwalt an die Redaktion gewandt und um zweiwöchige Bearbeitungszeit gebeten. Kurz vor Ablauf dieser Frist teilte der Rechtsanwalt dann lediglich mit, dass für die "Überprüfung und Bewertung steuerrechtlich relevanter Sachverhalte" Finanzbehörden zuständig seien. Sollte das Finanzamt Fragen an seinen Mandanten richten, werde La Rosa diese beantworten.

    Auch Wirtschaftskriminologe aus Würzburg sagt: Registrierkasse muss genutzt werden

    Der rechtliche Hintergrund: Die Vorgaben zur Kassenführung sind unter anderem in der Abgabenordnung geregelt, die zur Einzelaufzeichnung von Buchungen verpflichtet. Zwar muss nicht in jedem Betrieb zwingend eine elektronische Registrierkasse verwendet werden. Aber: "Wer aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle (...) mit Hilfe eines elektronischen Aufzeichnungssystems erfasst, hat ein elektronisches Aufzeichnungssystem zu verwenden." Sinngemäß bedeutet dies: Wer eine solche Kasse verwendet, muss mit ihr auch alle Transaktionen registrieren. 

    Wirtschaftskriminologe Uwe Dolata aus Würzburg ist überzeugt: "Die Registrierkasse im Kiosk muss benutzt werden." (Archivbild)
    Wirtschaftskriminologe Uwe Dolata aus Würzburg ist überzeugt: "Die Registrierkasse im Kiosk muss benutzt werden." (Archivbild) Foto: Norbert Schwarzott

    Die Redaktion hat Uwe Dolata, Wirtschaftskriminologe und Compliance-Spezialist aus Würzburg, ihre Beobachtungen in anonymisierter Form geschildert. Dolatas Einschätzung ist eindeutig:  "Die Registrierkasse im Kiosk muss benutzt werden. (...) Bleibt eine elektronische Registrierkasse in dem besagten Kiosk (...) offen, so ist das ein starkes Indiz, dass nicht boniert wird."

    Das Bundesfinanzministerium hat dies im Jahr 2018 konkretisiert: "Die Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls ist nur dann nicht zumutbar, wenn es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist, die einzelnen Geschäftsvorfälle aufzuzeichnen", heißt es in einem Erlass. Nur im Falle eines technischen Defekts sei vorübergehend eine Aufzeichnung auf Papier zulässig.

    Ist der Kiosk-Betrieb von La Rosa im Würzburger Dallenbergbad ein "Härtefall"?

    Einzelaufzeichnungen sind laut Dolata "zwingend". Für eine "Außerkraftsetzung der vorhandenen elektronischen Registrierkasse durch die offene Kasse (...) müsste der Steuerpflichtige nachweisen, dass die Einzelaufzeichnungen unzumutbar sind". Die einzige mögliche Ausnahme, so Dolata, sei eine sogenannte "Erleichterung", die Finanzbehörden in Härtefällen erteilen können. Die Redaktion hat La Rosa gefragt, ob er eine solche Ausnahmegenehmigung besitzt. Auch diese Frage hat der CSU-Stadtrat nicht beantwortet.

    "Ein Härtefall zeichnet sich dadurch aus, dass das Gesetz im jeweiligen Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führt", schreibt das Finanzamt Würzburg auf Anfrage und verweist auf die Abgabenordnung und den Erlass des Finanzministeriums. "Vor diesem Hintergrund kommen Erleichterungen (...) regelmäßig nicht in Betracht."

    Doch ist der Kiosk im Schwimmbad nun ein Härtefall im Sinne der Abgabenordnung? Auf diese konkrete Frage der Redaktion verweigert das Finanzamt die Auskunft, denn es sei "verpflichtet, das Steuergeheimnis zu wahren".

    Die Redaktion hat ihre Beobachtungen einem erfahrenen Strafverteidiger für Steuerstrafrecht in Würzburg geschildert. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könnte, dass im beschriebenen Fall ein Härtefall vorliegt, sagt er: "Das kommt praktisch nicht in Frage. Mit Härten kann man hier nicht argumentieren. (...) Während meiner Zeit als Rechtsanwalt für Steuerstrafrecht in Würzburg ist mir niemals eine solche Ausnahmegenehmigung untergekommen."

    Würzburger Experte für Steuerstrafrecht: "Das ist klare Steuerhinterziehung"

    Sieht der Steuerrechtler, der anonym bleiben möchte, eine Möglichkeit, dass das geschilderte Vorgehen rechtlich zulässig sein kann? Er sagt: "Nein, da fällt mir wirklich nichts ein. Eine elektronische Registrierkasse wie eine offene Kasse zu nutzen, macht nur Sinn, wenn vorsätzlich nicht jeder Vorgang registriert werden soll, um Steuern zu hinterziehen."

    Das beschriebene Vorgehen, so der Anwalt, sei "eindeutig darauf gerichtet, nicht alle Umsätze für das Finanzamt zu registrieren". Und weiter: "Das ist klare Steuerhinterziehung und für die Steuerfahndung müsste das leicht nachzuweisen sein. Bei den beschriebenen Vorgängen sprechen wir nicht mehr über eine Ordnungswidrigkeit, sondern über eine Straftat."

    Zu klären, ob hier tatsächlich ein Anfangsverdacht für eine Steuerordnungswidrigkeit oder Steuerstraftat vorliegt, ist Sache der Ermittlungsbehörden. Laut Staatsanwaltschaft Würzburg lagen dieser zwei Tage vor Veröffentlichung dieses Beitrags keine Informationen zu den beschriebenen Vorgängen vor.

    Anmerkung der Redaktion: Nachdem die Staatsanwaltschaft Würzburg aufgrund der Berichterstattung dieser Redaktion Vorermittlungen gegen Emanuele La Rosa aufgenommen hatte, teilte sie im November 2023 mit, dass sich der Verdacht auf Steuerhinterziehung nicht bestätigt hat. Die Ermittlungen der Finanzbehörden hätten keine Hinweise auf eine Straftat ergeben. Es habe allerdings einen Bußgeldbescheid des Finanzamtes Würzburg gegeben, weil nicht jeder Verkauf wie vorgeschrieben ins Kassensystems des Kiosks eingegeben worden sei. La Rosa hat den Bescheid akzeptiert und bezahlt. Drei Beschwerden beim Deutschen Presserat wegen der Berichterstattung der Main-Post zu dem Fall wurden von dem Gremium nach eingehender Prüfung als unbegründet abgewiesen.

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