Täglich werden zig Tonnen Güter transportiert und dabei Unmengen an Treibhausgasen ausgestoßen. Damit Europa, wie es die EU-Kommission fordert, bis 2050 klimaneutral werden kann, muss der Verkehr klimafreundlicher werden – auch in Mainfranken.
Neben klimaneutralen Kraftstoffen geht es vor allem darum, mehr Güter auf der Schiene und weniger auf der Straße zu transportieren. Was sind die Herausforderungen und was sagen Unternehmen in der Region zu diesem Wandel?
Verglichen mit dem Lastwagen ist der Zug zwar das klimafreundlichere Verkehrsmittel. Doch Prof. Ulrich Müller-Steinfahrt, Leiter des Instituts für angewandte Logistik der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS), sagt: "Beim klimafreundlichen Güterverkehr muss man immer die gesamte Transportkette betrachten." Denn nicht jeder Sender oder Empfänger habe einen Bahnhof, die meisten Güter müssten mit dem Lkw zum Güterbahnhof oder von dort weg gebracht werden.
Beispiel Knauf: Warum der Lkw alternativlos ist
Dieses Dilemma kennt auch Dörte Maltzahn, Leiterin des Frachtmanagements der Knauf Gips KG. Das Werk Iphofen (Lkr. Kitzingen) hat einen eigenen Bahnhof, jede Woche kommen dort ein bis zwei Züge an, die Gips aus der Lausitz bringen. Auch beim Verkehr zwischen Knauf-Werken, Außenlagern und bei einzelnen Kundentransporten setze das Unternehmen – wenn möglich – auf die Bahn. Doch das gehe nicht immer.
"Beim Transport aus unseren Steinbrüchen in der Region in die Werke ist der Lkw zurzeit ohne Alternative."
Dörte Maltzahn, Knauf Gips KG in Iphofen
"Beim Transport aus unseren Steinbrüchen in der Region in die Werke ist der Lkw zurzeit ohne Alternative", sagt Maltzahn. Auch bei der Belieferung der Kunden sei der Lastwagen als Haupttransportmittel "erstmal nicht wegzudenken". Baustoffhändler und Baustellen seien dezentral verteilt und müssten mit verschiedenen Produkten "just in time", also punktgenau vor Ort beliefert werden.
Aus diesem Grund sind laut Maltzahn alternative Antriebe für Knauf sehr wichtig. Auf der Autobahn A5 bei Darmstadt testet das Unternehmen seit einem Jahr einen Lastwagen, der über eine Oberleitung mit Strom angetrieben wird: "Für Ballungsgebiete wie Rhein-Main ist das eine mögliche Alternative."
IHK-Experte: Es mangelt in Mainfranken, Deutschland, Europa
Unternehmen hätten die klimaneutrale Logistik zunehmend im Blick, sagt Christian Seynstahl von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt - auch weil Kunden und Partner das immer öfter fordern würden. Doch um mehr Güter auf der Schiene zu transportieren, müssten die vorhandenen Kapazitäten besser genutzt und europaweit die Infrastruktur ausgebaut werden, sagt der Referent für Regionalentwicklung. "Die Kapazität am Brenner beispielsweise beeinflusst den ganzen nordeuropäischen Schienenverkehr."
Logistik-Experte Müller-Steinfahrt verweist darauf ebenfalls : "Wenn Mainfranken Teil einer nachhaltigen Transportkette sein möchte, dann muss man auf jeden Fall die Infrastruktur des Schienenverkehrs stärken."
So müsste der Terminal in Schweinfurt, an dem Güter vom Lkw auf den Zug oder umgekehrt umgeschlagen werden, ausgebaut werden, sagt Müller-Steinfahrt. Außerdem brauche es neue Trassen, die Belegungszeiten der Schienen müsse im Abgleich mit dem Personenverkehr verbessert werden. Denkbar seien Trassen, auf denen nur Güter transportiert werden.
"Es muss klar mehr auf die Schiene", sagt Müller-Steinfahrt. "Und da, wo es nicht auf die Schiene geht, müssen die Landtransporte möglichst ausgelastet werden." Denn viele Lastwagen fahren einen Teil der Strecke leer: Sie fahren voll geladen in den Norden und kommen ohne Fracht zurück nach Mainfranken.
Beispiel Bosch Rexroth: Weniger Wege, mehr mit dem Zug
Das Industrieunternehmen Bosch Rexroth plant indes in Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart) ein neues Logistikzentrum: "Als zentrales Lager soll es die vielen kleinen, dezentralen Lager-Standorte ablösen", sagt Sprecherin Nicole von Killisch-Horn. Das reduziere die innerbetrieblichen Transporte durch das Stadtgebiet und senke den CO2-Ausstoß. Bis 2024 will Bosch Rexroth so jährlich etwa 32 Tonnen und ab 2027 rund 75 Tonnen CO2 pro Jahr gespart haben.
Bisher transportiere das Unternehmen von Lohr aus hauptsächlich mit dem Lkw, Transporte von Europa auf andere Kontinente erfolgten per Schiff. Transporte ins Ausland will das Unternehmen in Zukunft vermehrt auf die Schiene verlagern, sagt Killisch-Horn: "Wesentliche Voraussetzungen dafür sind eine gut ausgebaute Schienen-Infrastruktur sowie entsprechenden Anbieter, und zwar über Landesgrenzen hinweg."
Zug oder Lkw: Wer klimafreundlicher fährtEin Lastwagen gibt laut Umweltbundesamt heute etwa ein Drittel weniger CO2 ab als noch 1995. Doch da immer mehr Lkw unterwegs sind, ist die Gesamtmenge an Kohlendioxid-Emissionen im Straßengüterverkehr seitdem von etwa 39 auf über 47 Millionen Tonnen im Jahr 2019 gestiegen. Laut DB Cargo fahren jeden Tag 450 Güterzüge durch Bayern, beziehungsweise starten oder enden hier. 230 Planerinnen und Disponenten sorgten dafür, dass dies reibungslos geschehe. Jan Reuter, Leiter der Cargo Management Region Süd, sagt: "Die Bahn ist das mit Abstand umweltfreundlichste Transportmittel." Seine Rechnung: Transportiere ein Güterzug eine Tonne Güter einen Kilometer weit, stoße er dabei etwa 40 Prozent weniger CO2 aus als ein Binnenschiff und 80 Prozent weniger als ein Lkw. Würde der Zug komplett mit grünem Strom fahren, wären es 100 Prozent weniger – der Transport wäre klimaneutral.vam