Wer an diesem Mittwoch in Würzburg mit dem ÖPNV von A nach B kommen will, für den sieht es schlecht aus. Mit einem großangelegten Streik will die Gewerkschaft Verdi ihren Tarifforderungen Nachdruck verleihen. Die Folge: Alle Straßenbahnen und viele Busse sind nicht im Einsatz. Überrascht von dem Streik im ÖPNV sind am Mittwochmorgen nur wenige.
Die meisten haben über die Medien, den Arbeitgeber oder die Schule bereits am Dienstag von der Arbeitsniederlegung im Öffentlichen Dienst erfahren. Viele der aus dem Bahnhof kommenden Menschen halten erst gar nicht an der Haltestelle Hauptbahnhof-West an, sondern laufen geradewegs über die Ampel am Haugerring Richtung Innenstadt. Doch es gibt sie trotzdem: vereinzelte Menschen, die etwas verloren an der Haltestelle auf ihr Handy schauen.

So reagieren die Menschen am Bahnhof in Würzburg auf den Streik im ÖPNV
So zum Beispiel Natalie Arnold aus Schweinfurt. Sie ist mit dem Zug bis zum Hauptbahnhof in Würzburg gefahren. Wie sie nun weiter in die Schule in der Königsberger Straße kommen soll, weiß die 21-Jährige nicht. "Wir haben gesagt bekommen, dass es in Ordnung ist, wenn wir heute zu spät kommen." Wütend über den Straßenbahnausfall ist sie aber nicht. "Es ist verständlich, dass die Leute mehr Geld wollen, aber natürlich schwierig für alle, die auf die Arbeit oder in die Schule müssen", sagt sie.

Im Gegensatz zu ihr wusste Vincent Abghig nichts von dem Streik. Auch der Student kommt aus Schweinfurt und wollte zur Arbeit fahren. Vom Hauptbahnhof in Würzburg könnte er eigentlich laufen. Zur Arbeit geht er heute trotzdem nicht. "Mein Chef kommt nicht zur Arbeit und deshalb fahre ich jetzt wieder zurück", erzählt er. Von dem Streik ist er vor allem eins: überrascht. "Ich kenne diese Streiks aus Indien, da gibt es sowas öfter, aber ich wusste nicht, dass hier in Deutschland sowas auch gemacht wird."
Taxis am Hauptbahnhof in Würzburg ausgebucht
Wirklich Frust herrscht nur am Taxistand. "Keine Taxis verfügbar, hat er gesagt und aufgelegt", beschwert sich eine Frau, die am Bahnhof in Würzburg gestrandet ist. Am Taxistand ist kein Auto weit und breit zu sehen, während die Reisenden ungeduldig warten. Und kommt dann doch mal ein Taxi angefahren, ist das meist schon reserviert – ganz zum Unmut der Wartenden. Während viele Menschen Verständnis für den Streik haben, scheint das Verständnis für ausgebuchte Taxis zu fehlen.
Auch an der Straßenbahnhaltestelle Sanderring warten vereinzelt Menschen – auf eine Bahn, die nicht kommen wird. Zwei Studentinnen aus China erfahren erst durch die Reporterin vom Streik. "Wir wussten das nicht, wir können die Anzeige nicht lesen", erklärt eine von ihnen. Auf der gegenüberliegenden Seite telefoniert eine Frau, sichtlich aufgebracht. "Ich muss irgendwie zum Bahnhof, ich arbeite in Bamberg", sagt sie und versucht, einen Bekannten zu erreichen, der sie fahren kann. Sie seufzt. "Und dann regnet es auch noch so stark."

Weil die Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst aktuell stocken, ruft die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Mittwoch in Würzburg zum Streik auf. Besonders im ÖPNV sind die Auswirkungen groß: Der gesamte innerstädtische Bus- und Straßenbahnverkehr der WVV ist seit Beginn der Frühschicht bis Betriebsende eingestellt. Vor allem die Stadtteile Heuchelhof und Rottenbauer sind davon betroffen.

"Katastrophe", ruft ein Mann, der die Haltestelle Straßburger Ring am Heuchelhof betritt und den Hinweis auf den Ausfall aller Straßenbahnen liest. Im äußeren und hochgelegenen Stadtteil ist man besonders stark auf die Straßenbahn angewiesen, wenn man kein Auto hat. Der Mann nimmt sein Handy in die Hand und ruft ein Taxi in die Innenstadt. Das komme wohl auch, sagt er, aber wann, das habe man ihm nicht sagen können.
Im Würzburger Stadtteil Zellerau warten viele vergeblich auf den ÖPNV
Auch in der Zellerau haben viele Personen nichts vom Streik gewusst. Um kurz vor 8 Uhr kommen immer wieder Menschen zur Haltestelle und warten auf eine Bahn, manche ziehen schon mal ein Ticket. Eine junge Frau, die zur Arbeit in die Innenstadt muss, hat erst beim Verlassen der Haustür vom Bahnausfall erfahren. "Sonst wäre ich früher aus dem Haus und gelaufen", sagt sie.

Dann fährt tatsächlich ein Bus der Linie 7 vorbei, dieser Bus wird von einem Privatunternehmen betrieben und ist deshalb nicht vom Streik betroffen. Er hält rund 100 Meter von der Frau entfernt. Doch bis klar ist, wohin der Bus fährt und dass das die Gelegenheit zum Einstieg gewesen wäre, ist er schon wieder losgefahren. "Das wäre mein Bus gewesen", sagt die Frau mit einem Regenschirm in der Hand. "Ich kann schon verstehen, dass die streiken, aber für mich ist es natürlich schlecht. Vor allem bei diesem Wetter."
Demo und Kundgebung am Würzburger Rathaus

Am Mittag versammelten sich dann im Anschluss an eine Demonstration laut Gewerkschaftsangaben rund 500 Menschen zu einer Kundgebung am Vierröhrenbrunnen vor dem Rathaus. "Es gibt gerade im öffentlichen Dienst besonders belastende Arbeitszeiten, die nicht gut bezahlt sind", sagte dort Peter Hoffmann, Tarifkoordinator von Verdi Bayern. "Wir wollen, dass das gesehen wird und dass die schweren Arbeitszeiten besser bezahlt werden."
Eine Auffassung, hinter der auch Doris Stößel steht. "Wir wünschen uns, dass wir nicht immer vorgebetet kriegen, es wäre kein Geld da, wir haben noch nie was anderes gehört", sagte die Mitarbeiterin der Klinik Kitzinger Land gegenüber der Redaktion. Der 54-Jährigen, die seit 35 in der Klinik beschäftigt ist, geht es aber nicht nur um die Bezahlung. Es fehle auch Personal: "Wir müssen in der Klinik eine Notbesetzung gewährleisten – die Notbesetzung ist eigentlich die Normalbesetzung."

Petra Lamp (60), Erzieherin im Blindeninstitut Würzburg, geht es vor allem für die Zukunft von jungen Leuten, die in ihrem Beruf nachfolgen: "Der Beruf muss sich einfach rentieren, das muss sich lohnen – um Deutschland am Laufen zu halten. Wenn es uns nicht gibt, dann liegt Deutschland flach."

Auch die Stadtreiniger sind betroffen
Doch nicht nur der ÖPNV ist vom Streik betroffen, auch die Stadtreiniger mit den Abfalldiensten, der Straßenreinigung und dem städtischen Fuhrpark sind davon betroffen. Wie die Stadt Würzburg berichtet, können deshalb die Abfalldienste der Stadtreiniger die Müllabfuhr nicht entsprechend dem Abfallkalender durchführen. Ferner existiert ein Notdienst im Bereich der Containerabfuhr, der die Entsorgung im Klinikbereich und in Pflegeheimen sicherstellt.
Die Abfuhr des Restabfalls erfolgt laut Stadt gemäß Abfallkalender. Die Abfuhr von Altpapier erfolgt zu rund 50 Prozent. Der Biomüll kann nicht abgeholt werden. Zudem sind beide Wertstoffhöfe nur mit Notbesetzung geöffnet. Die Erfassung der Gelben Säcke ist vom Warnstreik nicht betroffen.

Die durch den Streik nicht gekehrten Straßenzüge in den einzelnen Stadtteilen wird die Straßenreinigung - soweit möglich - laut Stadt in den nächsten Tagen nachholen.
Die WVV bittet Fahrgäste, sich kurz vor Fahrtantritt in der Echtzeitauskunft unter www.wvv.de/fahrplan, in der WVV mobil-App oder in der WVV App zu informieren, ob ihre Fahrt stattfindet.
Der Artikel wird im Laufe des Tages aktualisiert.