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WÜRZBURG: Streit um Alterstest für Flüchtlinge

WÜRZBURG

Streit um Alterstest für Flüchtlinge

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    Ein Röntgenbild auf einem Bildschirm zeigt am 02.07.2015 im Klinikum in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) die linke Hand eines jungen Menschen im Alter zwischen 16 und 19 Jahren.
    Ein Röntgenbild auf einem Bildschirm zeigt am 02.07.2015 im Klinikum in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) die linke Hand eines jungen Menschen im Alter zwischen 16 und 19 Jahren. Foto: Felix Kästle (dpa)

    Eine 15-Jährige wird in der Pfalz erstochen – mutmaßlich von ihrem afghanischen Ex-Freund. Doch wie alt ist der angeblich Gleichaltrige wirklich? Zweifel kommen auf. Wäre er volljährig, müsste er sich nach Erwachsenenstrafrecht verantworten. Der Fall löste eine politische Debatte darüber aus, ob das Alter junger Flüchtlinge generell medizinisch überprüft werden soll.

    „Grundsätzlich wäre es sinnvoll, das Alter zu klären, bevor es zu gerichtlichen Verfahren kommt“, sagt Richter Rainer Beckmann vom Amtsgericht in Würzburg. Andernfalls müsse die Staatsanwaltschaft im Einzelfall prüfen, ob es sich um einen Jugendlichen, Heranwachsenden oder Erwachsenen handelt.

    Je nach Ergebnis lande der Betroffene vor dem Jugendrichter oder dem Strafrichter. In manchen Fällen könne sich die Einordnung auch noch während des Verfahrens aufgrund von Urkunden oder Gutachten ändern.

    Auch für die Geschäftsfähigkeit entscheidend

    Doch nicht nur für die Strafmündigkeit, sondern auch für die Geschäftsfähigkeit ist das Alter entscheidend. Jugendliche müssen in den meisten rechtlichen Angelegenheiten vertreten werden. Wenn keine Eltern da sind, müssen die Jugendämter oder ein Vormund diese Aufgabe übernehmen. Die Bestimmung des rechtlichen Vertreters fällt in die Zuständigkeit des Familiengerichts. Bei Erwachsenen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sind, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, ist dagegen das Betreuungsgericht zuständig.

    Eine Altersfeststellung bei Flüchtlingen hält Beckmann daher in vielerlei Hinsicht für eine Erleichterung der gerichtlichen Arbeit. Auf die Frage, wie oft es die Richter in Würzburg mit Flüchtlingen zu tun hätten, deren Alter unklar oder unwahrscheinlich sei, sagt er: „Ab und an gibt es einen Flüchtling, der vorgibt, 16 Jahre alt zu sein, aber aussieht wie über 20. Allerdings ist das kein Massenphänomen, sondern der Ausnahmefall.“

    Dr. Christian Potrawa, Vorsitzender beim Ärztlichen Bezirksverband Unterfranken, lehnt generelle Untersuchungen zur Altersfeststellung von Asylbewerbern ab. „Ich wehre mich, wenn die Medizin klären soll, was Politiker nicht hinkriegen.“ Die Handwurzelknochen eines Menschen ohne medizinische Indikation zu röntgen, hält der Arzt für falsch. Dies gilt als Anhaltspunkt für die Altersangabe.

    „Jeder Röntgen-Eingriff ist mit einer Strahlenbelastung verbunden. Nicht ohne Grund gebe es ein Strahlenschutzgesetz, einen Röntgenpass, eine Bleischürze und Dosimeter, die die Strahlenbelastung messen, denen medizinisches Personal ausgesetzt ist. Röntgen könne dem Körper auch schaden. Zudem liefere die Untersuchung nur einen Richtwert und mache zusätzliche Genitaluntersuchungen oder Brustdrüsenvermessungen nötig – ein teures und aufwendiges Verfahren, an dessen Ende kein hundertprozentig sicheres Ergebnis stünde. 

    Tests sind nicht aussagekräftig

    Denn das „Knochenalter“ könne zwei bis drei Jahre nach oben oder unten abweichen. Nur bei 25 Prozent der Untersuchten stimmen Knochen- und tatsächliches Alter überein, erklärt die Organisation IPPNW, ein internationaler Zusammenschluss von Human-, Tier- und Zahnärzten.

    Darüber hinaus könnten Genitaluntersuchungen hochstrapaziös und traumatisierend sein. Schon deutsche Männer hätten große Probleme, so Christian Potrawa, andere Ethnien noch viel mehr. Straftaten verhindern ließen sich mit der Altersangabe nicht. Und bei einem Strafprozess wie jetzt in der Pfalz sei die Untersuchung ohnehin erlaubt.

    Clemens Bieber, Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes findet, in erster Linie müsse man schutzbedürftigen jungen Menschen mit Vertrauen begegnen und nur dort, wo berechtigte Zweifel bestehen, nachprüfen. „Bei einer Reihenuntersuchung, bei der alle antreten müssen, wird vielleicht das Alter geklärt, aber viele andere Dinge, die das Leben eines Menschen ausmachen, werden in einem Röntgenbild nicht erfasst.“

    Jugendliche sollen sich bessern, Erwachsene werden bestraft Kinder unter 14 Jahren dürfen strafrechtlich nicht belangt werden. Straffällige Jugendliche unter 18 Jahren werden wesentlich milder behandelt als Erwachsene. Hier dienen die Sanktionen primär dazu, den Jugendlichen zu erziehen und zu bessern. Sie reichen von Verwarnungen über Geldauflagen bis hin zum Jugendarrest oder der Jugendstrafe. Die absolute Obergrenze der Freiheitsstrafe ist bei Jugendlichen zehn Jahre, bei Erwachsenen dagegen gibt es „lebenslänglich“. Wird jemand zwischen 18 und 21 Jahren straffällig, gilt der Betroffene als heranwachsend und es kommt auf den Einzelfall an. Wird ihm ein Reifedefizit bescheinigt, wird man ihn eher nach dem Jugendstrafrecht behandeln. Bestehen Zweifel bezüglich des Alters, wird zu Gunsten des Angeklagten angenommen, dass er noch als Jugendlicher zu behandeln ist, so Rainer Beckmann, Pressesprecher und Richter am Würzburger Amtsgericht.

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