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Würzburg: Streit um Entlassung zweier Ärzte an Würzburger Uniklinik: Wie eine OP vor einem Jahr den Stein ins Rollen brachte

Würzburg

Streit um Entlassung zweier Ärzte an Würzburger Uniklinik: Wie eine OP vor einem Jahr den Stein ins Rollen brachte

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    Wurden bei Operationen am Würzburger Uniklinikum Fehler gemacht? Gutachten sollen bei den strafrechtlichen Ermittlungen helfen, vor den Arbeitsgerichten geht es um die Kündigungen von zwei Ärzten.
    Wurden bei Operationen am Würzburger Uniklinikum Fehler gemacht? Gutachten sollen bei den strafrechtlichen Ermittlungen helfen, vor den Arbeitsgerichten geht es um die Kündigungen von zwei Ärzten. Foto: Getty Images/Daniel Biscan

    Es war ein bislang einmaliger Vorgang in der Geschichte des Würzburger Universitätsklinikums (UKW): Im Februar 2024 wurden zwei leitende Mediziner fristlos entlassen, seitdem wehren sich die Ärztin und ihr Vorgesetzter rechtlich dagegen – mittlerweile vor dem Landesarbeitsgericht. Gleichzeitig laufen strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Würzburg.

    Mehrfach hat diese Redaktion über die Vorgänge berichtet. Ihren Anfang nahmen sie genau vor einem Jahr mit einer Operation, bei der es zu Komplikationen gekommen sein soll. 

    Ein Überblick, worum es geht und was der Stand ist.

    Um was geht es im Streit um zwei Entlassungen an der Uniklinik Würzburg?

    Der Fall hat eine arbeits- und eine strafrechtliche Dimension. Auf arbeitsrechtlicher Seite wird der Ärztin Kompetenzüberschreitung vorgeworfen, ihr Vorgesetzter soll die falsche Ausstellung eines Totenscheins veranlasst haben. Beide bestreiten ein medizinisches Fehlverhalten.

    Auf strafrechtlicher Seite ermittelt die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, fahrlässigen Körperverletzung und gefährlichen Körperverletzung sowie der möglichen Beihilfe dazu. Die Mediziner weisen alle Vorwürfe zurück.

    Wer sind die zwei entlassenen Mediziner?

    Bei den Medizinern handelt es sich um leitende Ärzte des Universitätsklinikums Würzburg mit seinen 19 Einzelkliniken. Wegen ihrer Persönlichkeitsrechte dürfen die beiden Beschuldigten in der Berichterstattung bislang nicht identifizierbar werden. Deshalb kann der genaue Fachbereich bis dato ebenso wenig benannt werden wie nähere persönliche Hintergründe zu den beiden.

    Wie kam die Affäre ins Rollen?

    Nach Recherchen dieser Redaktion und Erkenntnissen aus den Gerichtsverfahren hatte sich schon über einen längeren Zeitraum Unmut in der betreffenden Einzelklinik aufgebaut: über das Ärzte-Duo und wie die beiden innerhalb ihrer Abteilung zu Werke gingen. Im Dezember 2023 eskalierte die Situation. Bei einer mehrstündigen Operation der Ärztin soll es zu Komplikationen gekommen sein. Ihr Vorgesetzter sei als Unterstützung gerufen worden. Eine Situation, wie sie laut Schilderungen aus der Abteilung häufig bei OPs der Medizinerin entstand. Der Patient verstarb später dennoch.

    Diesmal landeten Beschwerden aus dem Kreis des OP-Personals beim Klinikvorstand. Dieser leitete interne Untersuchungen zu Operationen der beiden Mediziner aus dem zurückliegenden Jahr 2023 nach dem sogenannten "London Protokoll" ein. Mit diesem Verfahren werden kritische Zwischenfälle in klinischen Bereichen auf korrekte Arbeitsweise überprüft. Im Ergebnis führten die Untersuchungen zu den beiden Kündigungen. Im Januar 2024 schickte dann ein anonymer Absender eine Liste mit 22 teils tödlich verlaufenen Eingriffen unter Beteiligung der beiden Ärzte an die Polizei, woraufhin strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen wurden.

    Wie ist der Fall von Dezember 2023 zu bewerten?

    Die Operateurin beteuert im Gespräch mit der Redaktion und über den Medienanwalt der beiden Beschuldigten, dass der Eingriff vom Dezember 2023 ordnungsgemäß und ohne Behandlungsfehler durchgeführt worden sei. Ihr Vorgesetzter war nach Aussage der Anwaltskanzlei "planmäßig" an der OP beteiligt. Die Ärztin spricht von einem Gewebeeinriss und Nachblutungen, wie sie nicht ungewöhnlich seien. Der Patient sei unabhängig von dem Eingriff elf Tage später an einer komplizierten Lungenentzündung gestorben. Nach Informationen dieser Redaktion kam der Mann – keine 60 Jahre alt – nach der OP nicht mehr von lebenserhaltenden Maschinen los.

    Was wird den Medizinern konkret vorgeworfen?

    Öffentlich sind bislang konkrete Vorwürfe nur aus den arbeitsrechtlichen Verfahren bekannt. Die Uniklinik hat sich bei ihren Kündigungen aber ganz auf eine Operation der Ärztin mit tödlichem Ausgang konzentriert, die im August 2023 stattfand. Auch in deren Verlauf war der Vorgesetzte dazugeholt worden.

    Schon bei der Narkoseeinleitung soll die Operateurin ihren Kompetenzbereich überschritten haben: Sie soll der Patientin eigenhändig ein Blutdruckmittel gespritzt haben, obwohl dafür ausschließlich die beteiligten Anästhesisten zuständig gewesen sein sollen. Weitere Vorwürfe wurden vor Gericht nur angedeutet.

    Das gilt auch für den vorgesetzten leitenden Arzt: In seinem Fall steht vor allem der Verdacht im Raum, eine falsche Ausstellung des Totenscheins mit dem Vermerk "natürliche Todesursache" veranlasst zu haben. Der Mediziner bestreitet das. Die Frage, ob und inwieweit der leitende Mediziner Einfluss genommen hat, ist Gegenstand der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung.

    Wie ist der Stand im arbeitsrechtlichen Verfahren des Arztes?

    Wegen eines Formfehlers hat das Arbeitsgericht Würzburg im September die Kündigung des Arztes für unwirksam erklärt – die Uniklinik hat sie mittlerweile erneut ausgesprochen. Das Würzburger Urteil ist nicht rechtskräftig: Voraussichtlich im Frühjahr findet vor dem Landesarbeitsgericht in Nürnberg die Berufungsverhandlung statt.

    Dort hat der Arzt zwischenzeitlich einen Erfolg verbucht: Gegen die richterliche Entscheidung, dass das Uniklinikum ihn wegen der schwerwiegenden Vorwürfe trotz Formfehlers nicht weiterbeschäftigen muss, hat der Mediziner im November eine Einstweilige Verfügung erwirkt. Demnach soll er – ohne Führungsaufgabe – wieder an der Uniklinik operieren dürfen, zumindest bis zur Entscheidung in der Berufungsverhandlung.

    Operiert der Arzt inzwischen wieder am Würzburger Uniklinikum?

    Nach Informationen dieser Redaktion ist der Mediziner bisher nicht wieder in der Uniklinik tätig geworden.

    Wie ist der Stand im arbeitsrechtlichen Verfahren der Ärztin?

    Das Arbeitsgericht Würzburg hat zwar nicht die außerordentliche, aber die fristgerechte Kündigung wegen einer Kompetenzüberschreitung im OP-Saal bestätigt. Wie im Verfahren ihres Vorgesetzten sind beide Seiten gegen die Entscheidung in Berufung gegangen. Die Berufungsverhandlung findet im neuen Jahr vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg statt.

    Wie ist der Stand der strafrechtlichen Ermittlungen?

    Die Polizei hat im März Beweismittel, darunter Patientenakten und das "London Protokoll", beschlagnahmt. Mehrere Zeugen wurden vernommen, weitere Vernehmungen sollen folgen, allerdings erst, wenn Gutachten zu den Fällen vorliegen. Das wird noch dauern: Wie das Polizeipräsidium Unterfranken auf Anfrage mitteilt, wurde erst im Oktober ein Sachverständiger "mit der Erstellung von 22 Einzelgutachten" beauftragt – entsprechend der 22 Eingriffe auf der genannten Liste. Offenbar tat sich die Würzburger Staatsanwaltschaft schwer, einen Gutachter zu finden, der mit den betreffenden Ärzten weder zusammengearbeitet noch geforscht oder publiziert hat. Die Ermittler rechnen damit, dass die Gutachten erst im Mai 2025 vorliegen. 

    Wissen betroffene Patienten oder Angehörige von Verstorbenen von den Ermittlungen?

    Vermutlich nicht. Die Polizei erklärt, "Hinterbliebene der betrachteten Vorfälle" seien noch nicht kontaktiert worden. Sie spricht von einem "angemessenen Umgang mit den Angehörigen". Man wolle die Gutachten abwarten, deren Ergebnisse seien "richtungsweisend für die weiteren Ermittlungen".

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