Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Landkreis Würzburg
Icon Pfeil nach unten

Würzburg/Eibelstadt: Streit um Klingelrufe im Seniorenheim: Müssen Pflegekräfte innerhalb von fünf Minuten im Zimmer sein?

Würzburg/Eibelstadt

Streit um Klingelrufe im Seniorenheim: Müssen Pflegekräfte innerhalb von fünf Minuten im Zimmer sein?

    • |
    • |
    Mit einem Druckknopf können Menschen in Seniorenheimen Hilfe herbeirufen. Wie schnell eine Pflegekraft kommen muss – darum geht es in einem Fall vor dem Verwaltungsgericht Würzburg.
    Mit einem Druckknopf können Menschen in Seniorenheimen Hilfe herbeirufen. Wie schnell eine Pflegekraft kommen muss – darum geht es in einem Fall vor dem Verwaltungsgericht Würzburg. Foto: Getty Images

    Es ist eine Streitsache, die massive Auswirkungen auf den Betrieb von Seniorenheimen in ganz Bayern haben könnte: Muss eine Pflegekraft beim Klingelruf einer Bewohnerin oder eines Bewohners innerhalb von fünf Minuten im Zimmer sein?

    So will es die Heimaufsicht des Landratsamtes Würzburg und hat das Seniorenheim Eibelstadt per Bescheid und unter Androhung eines Zwangsgeldes von 3000 Euro dazu "verdonnert". Der Heimträger, das Kommunalunternehmen (KU) des Landkreises Würzburg, klagt dagegen. Das Heim sieht sich nicht in der Lage, die Fünf-Minuten-Anforderung permanent zu erfüllen. Man hält sie auch für wenig aussagefähig in puncto Pflegequalität.

    Ausgangspunkt: Eine Beschwerde vor drei Jahren und Prüfung durch Heimaufsicht

    Dem Bescheid des Landratsamts vorausgegangen war eine Beschwerde im November 2021: Es habe 20 und 50 Minuten gedauert, bis das Pflegepersonal in dem Eibelstädter Heim auf einen Klingelruf reagiert habe. Es folgten eine Begehung und Prüfungen der Klingelprotokolle durch die Heimaufsicht.  Seit 2023 liegt der Fall beim Verwaltungsgericht Würzburg.

    Bei der Verhandlung in der Hauptsache wurden zum Auftakt die unterschiedlichen Perspektiven deutlich: Hier die angenommenen Bedürfnisse und Erwartungen von Bewohnern. Dort die Herausforderung, trotz Pflegepersonalnot und begrenzter Finanzen ein Heim zu betreiben und die Versorgung für alle zu sichern.

    Dabei ging es dem Gericht im ersten Schritt noch gar nicht um eine inhaltliche Bewertung, sondern um die formelle Prüfung: Hätte die Heimaufsicht – die Fachstelle Pflege- und Behinderteneinrichtungen, Qualitätsentwicklung und Aufsicht (FQA) – den Bescheid in dieser Form ausstellen dürfen? Lag im Eibelstadter Seniorenheim überhaupt ein Mangel vor?

    Der übergeordnete Bayerische Verwaltungsgerichtshof in Ansbach hat in einem Beschluss im März 2024 deutliche Zweifel daran geäußert. Der Heimbetreiber hatte sich dort eine aufschiebende Wirkung des Bescheides erklagt, solange vor Gericht um ihn gestritten wird.

    Bayerischer Verwaltungsgerichtshof hat Zweifel an Bescheid des Landratsamts Würzburg

    Die Ansbacher Richter stellen in ihrem Beschluss die Rechtmäßigkeit der gesetzten Fünf-Minuten-Frist infrage, in Teilen halten sie den Bescheid des Landratsamts Würzburg für rechtswidrig. Die Anordnung sei zu unbestimmt, es würden keine konkreten Maßnahmen zur Abhilfe benannt. Dazu bezweifelt der Verwaltungsgerichtshof, dass überhaupt ein Mangel vorliegt, der geahndet werden könnte.

    Der Betreiber des Seniorenheims in Eibelstadt war vor den bayerischen Verwaltungsgerichtshof gezogen: Die Kammer in Ansbach hielt den Bescheid des Landratsamtes Würzburg in Teilen für rechtswidrig. 
    Der Betreiber des Seniorenheims in Eibelstadt war vor den bayerischen Verwaltungsgerichtshof gezogen: Die Kammer in Ansbach hielt den Bescheid des Landratsamtes Würzburg in Teilen für rechtswidrig.  Foto: Karl-Josef Hildenbrand

    Eine fachliche Grundlage für eine Fünf-Minuten-Frist als Qualitätsstandard gebe es nicht. Die tatsächliche Reaktionszeit gehe aus den Rufprotokollen auch nicht zwangsläufig hervor. Eine drohende Gefährdung sei nicht hinreichend nachgewiesen, sondern nur abstrakt angenommen worden. Dazu machten Ermessensfehler den Bescheid rechtswidrig, heißt es im Beschluss aus Ansbach. 

    Doch die Kammer am Würzburger Verwaltungsgericht stellte klar: Man wolle den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs nicht blind folgen, sondern sich ein eigenes Urteil bilden. Den Fall intensiv zu erörtern, sei die Verantwortung von Heimbetreiber, Aufsicht und Gericht, so der Vorsitzende Richter.

    Betreiber des Seniorenheims: "Wir sind kein Krankenhaus"

    Das Landratsamt stützt sich auf die Umsetzung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes und argumentiert unter anderem mit einem denkbaren medizinischen Notfall. Dann, so eine Ärztin, sei Eile geboten und deshalb die Fünf-Minuten-Frist angemessen. Weil wiederholt zu spät auf Klingelrufe reagiert worden sei, macht die Heimaufsicht einen "erheblichen Mangel" geltend.

    Genau diesen mag der Heimbetreiber nicht erkennen. Die Reaktionszeit auf Klingelrufe sei nur ein "ganz kleiner Ausschnitt im Pflegealltag, sie wird aber hier zum Nonplusultra erhoben", kritisierte der Anwalt des Kommunalunternehmens.

    Die KU-Leitung erklärte vor Gericht, es gebe eine Vielzahl von Maßnahmen, um die Pflegequalität zu sichern. Eine vorgeschriebene Fünf-Minuten-Frist bringe Pflegekräfte in ständige Dilemmasituationen, wenn mehrere Bewohner gleichzeitig zu versorgen sind. Und im Eibelstadter Heim habe es in den vergangenen Jahren keinen einzigen Klingelruf wegen eines Notfalls gegeben. 

    Man sei "kein Krankenhaus, sondern ein Wohnheim mit Pflegebegleitung". Beim Klingeln gehe es in der Regel um Kleinigkeiten des Alltags, um ein verrutschtes Kissen oder ein Glas Wasser.

    In ihrer formellen Prüfung kam das Würzburger Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis als der Verwaltungsgerichtshof: Der Bescheid sei nicht zu unbestimmt. Es sei zulässig, wenn die Heimaufsicht eine Reaktionsfrist von fünf Minuten lediglich als Zielvorgabe anordnet, die konkrete Umsetzung aber dem Heimbetreiber überlässt. Bei langen Wartezeiten sei ein Mangel nicht auszuschließen, selbst wenn für Klingelrufe keine allgemeingültigen Standards durch Experten formuliert sind.

    Fünf-Minuten-Frist machbar? Verwaltungsgericht Würzburg will Gutachten

    Ob die Fünf-Minuten-Frist bei einem Klingelruf tatsächlich gerechtfertigt und machbar ist, darüber wollte die Kammer nicht ohne Gutachten eines Sachverständigen verhandeln. Ein solches Gutachten soll jetzt mit Fragen beider Parteien in Auftrag gegeben werden.

    Die Auseinandersetzung um die Klingelrufe im Seniorenheim vor Gericht geht dann in die nächste Runde – und ans Eingemachte.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden