Wo in Deutschland neue Stromleitungen gebaut und welche Trassen ergänzt oder stillgelegt werden, all das wird im sogenannten Bundesbedarfsplangesetz festgelegt. Über den aktuellen Fahrplan zum Netzausbau will der Bundestag wohl Mitte Dezember entscheiden.
Die Region ist von den Plänen besonders betroffen, nicht nur am Knotenpunkt Bergrheinfeld im Landkreis Schweinfurt. Das ruft seit Jahren Unmut und Proteste hervor. Worum aber geht es bei den einzelnen Trassen? Wie weit ist die Planung? Was kritisieren die Gegner? Und vor allem: Wo genau sollen die Trassen eigentlich laufen? Ein Überblick über den aktuellen Stand.
Der SuedLink – ein umstrittenes Milliardenprojekt
Was ist der SuedLink?
Der SuedLink soll über rund 700 Kilometer Länge Strom vom Norden in den Süden der Bundesrepublik transportieren. Dabei besteht die Trasse genau genommen aus zwei Leitungen, die parallel geplant, gebaut und betrieben werden. Umgesetzt wird das Gesamtvorhaben von den Netzbetreibern Tennet und TransnetBW.
Wo soll die Trasse verlaufen?
Beide Leitungen des SuedLink starten in Schleswig-Holstein und führen an Hannover vorbei über Nordhessen und Südthüringen nach Unterfranken. Hier teilt sich die Trasse: Der eine Zweig läuft nach Bergrheinfeld (Lkr. Schweinfurt), der andere nach Großgartach in Baden-Württemberg. Für den Verlauf der Stromautobahn hatten die Netzbetreiber im Februar 2019 einen Vorschlagskorridor bei der Bundesnetzagentur eingereicht. Über diesen entscheidet die Behörde derzeit abschnittsweise.

Welche Gegenden in Unterfranken sind betroffen?
Insgesamt ist der SuedLink in fünf Teilstücke (A-E) gegliedert. Abschnitt D betrifft dabei das nördliche Unterfranken, Abschnitt E den Süden der Region. Für beide Bereiche hat die Bundesnetzagentur mittlerweile den Korridor bestimmt. Dieser überquert die bayerische Landesgrenze von Thüringen kommend nördlich von Mellrichstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) und folgt dann zunächst der Autobahn 71 bis nördlich von Poppenhausen (Lkr. Schweinfurt). Dort teilt sich die Trasse: Der östliche Zweig führt nach Bergrheinfeld. Der westliche Zweig führt südlich von Oerlenbach (Lkr. Bad Kissingen) zunächst nach Westen, später in südwestlicher Richtung bis nach Arnstein. Im weiteren Verlauf quert der Korridor (in Abschnitt E) zwischen Zellingen und Thüngersheim den Main und läuft dann Richtung Süden an Uettingen vorbei nach Altertheim. Der Großraum Würzburg wird so in einem Bogen westlich umgangen.

Wie weit ist die Planung?
In den einzelnen Abschnitten des SuedLink ist die Planung unterschiedlich weit. Im Süden und Norden Deutschlands steht bereits fest, wo der etwa tausend Meter breite Trassen-Korridor verlaufen wird. Wo genau darin später die Kabel verlegt werden, wird nun im Planfeststellungsverfahren beschlossen. Für das südliche Unterfranken haben die Netzbetreiber dafür Mitte November einen ersten Vorschlag vorgelegt.
Kabel oder Leitungen – welche Technik wird genutzt?
Der SuedLink soll Gleichstrom per Erdkabel mit einer Spannungsebene von 525 Kilovolt transportieren. Dabei werden die Kabel in der Regel in einer Tiefe von 1,30 bis 1,50 Metern verlegt.

Was kostet das Projekt?
Tennet und TransnetBW geben die Investitionskosten mit rund zehn Milliarden Euro an. Trassen-Gegner kritisieren diese Zahl seit Jahren als viel zu niedrig. Sie argumentieren, die Bürger müssten letztlich die Kosten für den gesamten Netzausbau tragen. Die Schätzungen gehen hier von rund 95 Milliarden Euro aus.
Was sagen Gegner in Unterfranken?
"Monstertrassen" mit Strommasten bis zu 75 Metern - so lautet die Kritik zahlreicher Bürgerinitiativen in Unterfranken. Seit feststeht, dass die Leitungen möglichst unterirdisch verlegt werden sollen, ist der Protest an vielen Stellen abgeebbt. Nicht so in Bergrheinfeld, das sich mit den Nachbargemeinden besonders belastet fühlt: Bereits jetzt stehen dort laut Bürgermeister Ulrich Werner (CSU) 150 Strommasten als Folge des Atomkraftwerks im benachbarten Grafenrheinfeld. Südlich von Bergrheinfeld wurde ein neues Umspannwerk gebaut. Und am Endpunkt des SuedLink sollen laut Landratsamt Schweinfurt zwei "Konverter-Hallen" in der Größe von "Hochregal-Lagern" entstehen, in denen der ankommende Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt wird. In und um Bergrheinfeld gibt es eine parteiübergreifende Allianz gegen die SuedLink-Pläne und eine aktive Bürgerinitiative.

Wann soll Strom durch den SuedLink fließen?
Geplant ist nach Angaben der Bundesnetzagentur, dass die Trasse 2026 ans Netz geht.
P43 – Neue Wechselstrom-Leitung jenseits von SuedLink
Was ist P43 und wo soll sie verlaufen?
Hinter P43, auch Fulda-Main-Leitung genannt, verbirgt sich der Neubau einer 380-Kilovolt-Wechselstrom-Leitung von Mecklar über Dipperz (Hessen) nach Bergrheinfeld. Sie soll das Stromnetz vor allem in Hessen vor Überlastung schützen. In Bergrheinfeld soll sie mit einer bestehenden Leitung ins Rhein-Main-Gebiet verbunden werden. Der unterfränkische Trassen-Korridor liegt etwa im Viereck Bad Brückenau-Bad Neustadt-Grafenrheinfeld-Karlstadt.
Welche Alternativen gibt es?
Im Jahr 2015 hatte der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in Berlin neben der Erdverkabelung von SuedLink auch die Prüfung von Alternativen für P43 durchgesetzt. Seehofers Ziel war, das geplante "Spinnennetz" neuer Stromtrassen um den Verknüpfungspunkt Bergrheinfeld zu zerschlagen. In der Folge wurde die Alternativ-Trasse P43mod entwickelt. Diese Trasse verläuft von Dipperz bei Fulda nach Großkrotzenburg bei Hanau auf einer bestehenden Leitungsstrecke komplett durch Hessen. Beide Trassen wurden von der Bundesnetzagentur "als elektrotechnisch nahezu gleichwertig" bewertet.

Warum wurde die Trasse P43mod fallen gelassen?
Im Juni 2019 einigte sich Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit seinen Amtskollegen aus Hessen und Thüringen auf einen Trassen-Kompromiss: Die Leitung P44 von Thüringen nach Bergrheinfeld wird gestrichen, dafür verläuft P43 in der Ursprungsvariante durch Unterfranken. Die Seehofer-Vereinbarung von 2015 werde dadurch nicht verletzt, weil die Alternative P43mod "geprüft und vorgelegt" worden sei, argumentiert das Wirtschaftsministerium. Eine "Verpflichtung zur kompletten Streichung" der P43 sei damit nicht verbunden gewesen. Zudem habe sich gezeigt, "dass die Varianten lediglich einer Verschiebung von Betroffenheiten gleichkämen". Der Verzicht auf P44 führe bereits "zu einer erheblichen Entlastung Unterfrankens".
Was sagen die Kritiker von P43?
Auch gegen P43 gibt es in der Region Main-Rhön eine parteiübergreifende Allianz. So kritisiert etwa der Bad Kissinger Landrat Thomas Bold (CSU), "dass sämtliche andere netztechnische Maßnahmen wie die Erhöhung der Übertragungsleistung von SuedLink" gar nicht geprüft wurden. Auch das von Hessen ins Feld geführte Argument, die P43mod-Variante sei durch "zusätzlichen Netzausbaubedarf" deutlich teurer, wird bezweifelt.
Kann P43 politisch noch verhindert werden?
Ein breites Bündnis von Landräten und regionalen Abgeordneten macht seit Monaten in Berlin und München gegen P43 mobil: "Wir kämpfen wie die Löwen", beteuert die Schweinfurter CSU-Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber. Ein Erfolg der Bemühungen ist bislang jedoch nicht in Sicht: Er gehe davon aus, dass für P43 "in Berlin die Würfel gefallen sind", sagt Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger.

Was könnte Bayerns Staatsregierung in Sachen P43 tun?
"Ich erwarte vom bayerischen Wirtschaftsminister, dass er alle Alternativen zu P43 intensiv prüft", forderte Schweinfurts Landrat Florian Töpper (SPD) kürzlich nach einem Treffen mit Aiwanger im Landtag. Der aber sei gar "nicht zuständig für die Prüfung von Alternativtrassen", entgegnet Aiwangers Ministerium auf Nachfrage. Diese Aufgabe liege allein beim Bund. Man könne in Berlin aber nur gemeinsam mit dem Minister etwas erreichen, entgegnet die CSU-Abgeordnete Anja Weisgerber. Nur Aiwangers Ministerium könne schlüssig darlegen, ob etwa ein Ersatz von P43 durch Zusatzkapazitäten des SuedLink technisch möglich wäre.
Könnte auch P43 unter der Erde verlaufen?
Aiwanger will P43 in Berlin nicht mehr in Frage stellen. Er setze sich jedoch "weiterhin engagiert für eine Entlastung der betroffenen Region" ein, teilt sein Ministerium mit. So wolle er den Bund auffordern, P43 "möglichst vollständig erdverkabelt zu planen". Bei Wechselstrom-Trassen gilt dies aber als technisch schwierig und nur für Teilstücke realisierbar. Geprüft wird in München deshalb offenbar auch, aus P43 eine Gleichstrom-Leitung zu machen. Diese könnte leichter unter der Erde verlegt werden.
Was passiert, wenn der Bund an P43 festhält?
Die betroffenen Landräte in der Region Main-Rhön haben bereits angekündigt, gegen P43 rechtliche Schritte prüfen zu wollen: "Der Kampf wäre auch dann sicher nicht zu Ende", beteuert etwa Schweinfurts Landrat Töpper. In jedem Fall müsste für P43 zunächst ein aufwändiges Planungs- und Genehmigungsverfahren durchgeführt werden.
Wann soll P43 fertig sein?
Die Bundesnetzagentur sieht eine Inbetriebnahme der Leitung "nicht vor dem Jahr 2031".

P44 – Eine Stromleitung vor dem Aus
Was ist P44 und wo sollte sie verlaufen?
Die Leitung sollte wie ihr Pendant P43 die Netze entlasten – in diesem Fall die überlastete Verbindung zwischen Thüringen und Franken. Die Trasse führt von Altenfeld (Thüringen) via Oberfranken nach Bergrheinfeld. Betroffen wären in Unterfranken die Landkreise Haßberge und Schweinfurt.
Warum soll P44 jetzt wegfallen?
Laut Bundesnetzagentur kann eine Kapazitätserweiterung der von Thüringen in Richtung Ostbayern verlaufenden Gleichstromtrasse SuedOstLink zusammen mit der geplanten Trasse P43 durch Unterfranken das Projekt P44 ersetzen.
Wann wird P44 endgültig gestrichen?
Im Entwurf der Bundesregierung zum "Bundesbedarfsplangesetz" ist statt der Trasse P44 eine Verstärkung von SüdOstLink vorgesehen, weil "die vom Projekt P44 potenziell betroffene Region Grafenrheinfeld als Netzknotenpunkt bereits einen erheblichen Beitrag zum Übertragungsnetz leistet". Mit der für diesen Dezember geplanten Verabschiedung des Gesetzes wäre P44 damit auch offiziell aus der Netzplanung gestrichen.