Geplant wird seit Jahren, protestiert auch. Der SuedLink soll künftig Strom einmal längs durchs Land transportieren – per Erdkabel mit einer Spannungsebene von 525 Kilovolt. Das ist neu und sorgt bei Landwirten und Grundstückseigentümern entlang der Trasse für Skepsis. Und für viele offene Fragen: Wie beeinflussen die Kabel den Boden? Erwärmt sich das Erdreich durch die Leitungen? Trocknet es aus? Wachsen Ackerpflanzen langsamer oder sogar schneller? Antworten sucht der Netzbetreiber TransnetBW derzeit auf vier Versuchsfeldern in Süddeutschland. Eines davon entsteht in Güntersleben im Landkreis Würzburg.
Das Feld ist 0,6 Hektar groß und liegt am Rand der 4500-Einwohner-Gemeinde, direkt neben dem Neubaugebiet. Drei mannstiefe Gräben zerteilen die Fläche. Daneben lagert die ausgebaggerte Erde, schichtweise aufgetürmt wie Mini-Deiche. "Wir simulieren hier den Volllastbetrieb von SuedLink-Kabeln", erklärt Karl Wieland, Agraringenieur bei TransnetBW. Dazu würden natürlich keine echten Hochspannungs-Gleichstrom-Leitungen verlegt, sondern beheizte Stahlrohre.
Sensoren messen Temperatur, Feuchtigkeit und Wärmeleitung
Die schwarzen Rohre sind etwa handbreit, wie auch die 525-Kilovolt-Kabel des SuedLink. In deren Kupferkern könne es unter Strom später bis zu 70 Grad warm werden, sagt Christopher Göpfert, Referent für Bürgerbeteiligung bei TransnetBW. Am Kabelmantel außen kämen aber maximal 40 Grad an. Und was diese Wärme in der Erde bewirke, wie sie sich verbreite und vor allem, wie gut sie abtransportiert werden könne, das werde nun bei den Feldversuchen erforscht.

Mitte August haben die ersten Baggerarbeiten in Güntersleben begonnen. Es ist das einzige Versuchsfeld in Bayern, drei weitere wurden in Baden-Württemberg in Großrinderfeld, Boxberg (beide Main-Tauber-Kreis) und Kochendorf eingerichtet. An allen Standorten träten jeweils andere Bodenarten auf – die Daten seien somit für weite Teile der geplanten SuedLink-Leitung repräsentativ, sagt Göpfert.
Aufgebaut sind die Versuchsfelder überall gleich: In zwei der jeweils 70 Meter langen Gräben würden Erdkabel simuliert und über Sensoren die Temperatur und Feuchtigkeit des Bodens sowie die Wärmeleitung gemessen, erklärt Göpfert. Der dritte Graben bleibe leer, werde aber ebenfalls mit Messgeräten überwacht. So könne man prüfen, welchen Effekt alleine das Aufgraben und Wiederauffüllen auf den Boden habe.
Erste Ergebnisse nach einem kompletten Bewirtschaftungsjahr
300 Sonden werden dafür in der Erde verlegt, die wissenschaftliche Auswertung übernimmt die Universität Hohenheim in Stuttgart. Dort sollen auch zwei Doktorarbeiten über das Forschungsprojekt entstehen, finanziell gefördert wird es vom Umweltministerium Baden-Württemberg. Erste Tendenzen könne man vermutlich nach einem kompletten Bewirtschaftungsjahr ablesen, sagt Agraringenieur Wieland. Erfahrung mit 320-Kilovolt-Erdkabeln in Norddeutschland hätten "keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Landwirtschaft" gezeigt. Allerdings seien die Böden in Unterfranken anders, trockener.

Es staubt, als die ersten steinigen Ladungen aus der Baggerschaufel rieseln. Der Leergraben wird wieder Schicht für Schicht befüllt. Teilweise werde die Erde dabei um die Rohre herum verdichtet oder Sand zugefüllt, sagt Göpfert. So könne man testen, unter welchen Bedingungen die Wärme am besten abgeleitet werde. Wenn das Wetter mitspiele, sollen alle Gräben in fünf Wochen geschlossen sein.
Daten sollen bis 2025 gesammelt werden
"Dann wird das Feld vom Landwirt ganz normal bepflanzt und genutzt", erklärt TransnetBW-Sprecher Alexander Schilling. Mit Getreide, Raps, Rüben oder Mais, Vorgaben gebe es keine. Die Daten aus dem Boden würden weiter gesammelt, bis 2025. Nur: Eigentlich soll 2026 bereits Strom durch den SuedLink fließen. Wie passt das zusammen?
Die ersten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Versuchsfeld werden sicher in den SuedLink-Bau einfließen, sagt Schilling. Der Endbericht des Projektes nicht. Er soll als Modell Messwerte zum Erdkabelbau liefern, die später auf andere Regionen und Vorhaben übertragen werden können.

Denn Zeit zu verlieren haben die Netzbetreiber beim SuedLink nicht. Schon die Prüfung alternativer Verlaufsvorschläge dauert länger als geplant. Dann kam Corona. "Wir haben mittlerweile so viel Verzögerung im Vorhaben, im Bau darf es keine mehr geben", so Bürgerreferent Göpfert. Gebaut werden soll die Trasse, sobald das aktuelle Planfeststellungsverfahren abgeschlossen ist. Allerdings wird dann kein 700 Kilometer langer Graben von der Nordsee bis nach Unterfranken aufgerissen. "Wir werden abschnittsweise bauen", sagt Schilling. "Wahrscheinlich wird das nicht so spektakulär, wie es der ein oder andere befürchtet."
Versuchsfeld hat für Gerüchte in der Gemeinde gesorgt
Dennoch braucht es eine enorme Logistik. Ein Beispiel: Ein Meter SuedLink-Kabel wiegt nach Angaben von TransnetBW rund 80 Kilogramm. Transportiert werden sollen zwei Kilometer lange Stücke. Keine leichte Aufgabe. Hinzu kommt: Noch ist zwar kein einziges Leitungsstück verlegt – dennoch protestieren Trassengegner seit Jahren gegen die Stromautobahn. Zahlreiche Bürgerinitiativen haben sich entlang der Route formiert.
Auch in Güntersleben habe das Versuchsfeld zunächst für Skepsis und Gerüchte gesorgt, sagt Bauamtsleiter Martin Stöcker. "Wir haben in der Dorfzeitung über das Projekt informiert, aber scheinbar nicht ausreichend." Es habe Befürchtungen gegeben, das Feld werde "irgendwann tatsächlich Teil des SuedLink", sagt Stöcker. Dem sei aber nicht so: "Der Rückbau wurde uns vollumfänglich zugesichert und von daher hat die Gemeinde nichts gegen das Versuchsfeld einzuwenden". Im Gegenteil, man halte die Forschung für sinnvoll.

Größere Protestaktionen wegen des Feldes erwarte man demnach nicht, sagt Stöcker. Gegen die Stromtrasse selbst habe es anfangs Bedenken gegeben. Aber: "Als Gemeinde haben wir keine Probleme mit dem SuedLink – weil wir nicht betroffen sind und weil es einfach der Regierungs- und letztlich auch Gesellschaftswille ist, dass man die erneuerbaren Energien voranbringt, und zu diesem Zweck muss der Strom vom Norden in den Süden kommen".
Die Bürgerinitiativen sehen das anders. Sie kritisieren den geplanten Netzausbau als "überdimensioniert" und rein profitgetrieben. Und sie bemängeln immer wieder, es fehle an Informationen, an Transparenz und Austausch.

Auf dem Versuchsfeld gehe es auch darum, zu zeigen, was wir machen, sagt Schilling. Dabei stehe fest: "Die Ergebnisse werden offengelegt – egal wie sie aussehen". Das sichere die wissenschaftliche Begleitung durch die Uni, so der TransnetBW-Sprecher. Zudem sei der Nachweis von Bodenveränderungen als rechtliche Grundlage wichtig, etwa für spätere Schadenersatzforderungen.
Was aber passiert, wenn sich auf dem Feld in Güntersleben herausstellen sollte, dass die Kabel den unterfränkischen Boden stärker beeinflussen als erwartet? Dann werde man reagieren, vielleicht die Bauweise überdenken, die Kabelverlegung ändern, den Boden anders bearbeiten, so Schilling. "Aber: SuedLink wird gebaut."