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GIEBELSTADT: "Tabletop": Herrscher über 2500 Krieger

GIEBELSTADT

"Tabletop": Herrscher über 2500 Krieger

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    Maximilian Markert aus Giebelstadt steckt viel Zeit in sein Hobby „Tabletop”. Etwa 2500 Figuren besitzt er zusammen mit seinem Bruder.
    Maximilian Markert aus Giebelstadt steckt viel Zeit in sein Hobby „Tabletop”. Etwa 2500 Figuren besitzt er zusammen mit seinem Bruder. Foto: Foto: Thomas Obermeier

    Es gibt Spiele wie „Mensch ärgere Dich nicht“. Ein Spielbrett, ein Würfel, vier eigene Figuren. Das Ziel: die eigenen Männchen als Erster ins Zielfeld zu würfeln und dabei die Spielfigur des Gegenspielers immer wieder auf die Anfangsposition zu bringen. Kurz: „Mensch ärgere Dich nicht“ ist ein beliebtes Brettspiel mit besonders einfachen Regeln. Es gibt aber auch Spiele, deren Regelwerk nicht auf eine DIN A4-Seite passt, sondern in ein Buch mit über 400 Seiten gedruckt werden muss – in einer kleinen, gerade noch lesbaren Schrift. „Tabletop“ ist nichts für jemanden, der nur mal eben schnell eine Runde spielen will. Und auch nichts für diejenigen, die maximal einen Küchentisch als Spielunterlage zur Verfügung haben. Für „Tabletop“ braucht es vor allem Zeit und Platz – sehr viel Zeit und Platz.

    Maximilian Markert aus Giebelstadt (Lkr. Würzburg) nimmt sich die nötige (Frei-)Zeit und hat im Keller auch den nötigen Platz für seine Leidenschaft gefunden. Also, wie würde er „Tabletop“, Englisch für „Tischplatte“, eigentlich beschreiben? Maximilian Markert, von Beruf Soldat und IT-Spezialist, zögert. „Gar nicht so einfach“, gibt er zu. „Es ist ja schließlich mehr, als nur Figürchen hin und her zu schubsen.“ Wäre das Spiel einfach, bräuchte es ja schließlich auch kein Regelwerk über 400 Seiten.

    Detaillierte Welten

    „Tabletops“ sind Strategiespiele, in denen sich zwei oder mehrere Parteien bekriegen. Gespielt wird meist auf besonderen Tischen, die mit Gelände und Landschaft bestückt sind – mit kleinen Bäumen, Steinen, Ruinen oder auch Hügeln. Dadurch bekommt das Spiel mehr Tiefe und sorgt für taktische Möglichkeiten. Spieler können ihre Miniatur-Armeen aus Plastik hinter Bergen verstecken oder im Wald verborgen halten.

    Bei „Tabletop“ wird Runde für Runde reihum gespielt. Zuerst kündigt der erste Spieler seine Nahkämpfe an, bewegt seine Einheiten, zaubert mit dem Zauberer, falls vorhanden. Schießt und führt dann die Nahkämpfe aus. Das geschieht mit mehreren Würfeln und einer speziellen Wertetabelle, die Aufschluss darüber gibt, wie stark der Angriff die gegnerische Armee verletzt. Züge und Bewegungen werden dabei akribisch genau mit dem Maßband in Zoll abgemessen. Dann ist der nächste Spieler dran. Meist werden sechs Runden gespielt. Gewonnen hat je nach Spielversion der, der die gegnerische Armee ausgelöscht hat. Das ist die grobe Kurzversion.

    Kompliziertes Regelwerk

    Bis Maximilian Markert mit allen Regeln vertraut war, hat es drei Jahre gedauert. „Es braucht einfach viele Spielstunden, bis man wirklich alles versteht. Das ist kein Spiel für Dumme“, meint er weiter. Ein kurzer Blick ins dicke Regelwerk verrät, warum das so ist. So basiert „Tabletop“ zwar auf dem klassischen „Kriegsspiel“, bei dem Offiziere im 19. Jahrhundert für Kriege vorbereitet wurden. Doch um eine Schlacht in der heutigen Version zu gewinnen, zählt mehr als nur Figürchen umzuschubsen. Jede Armee hat spezielle Eigenschaften, jeder Würfelwert wirkt sich im Spiel anders aus. Und mathematische Fähigkeiten sollten Spieler zum schnellen Berechnen der Werte auch mitbringen. Wer sich für das Spiel interessiert, wird Schwierigkeiten haben, einfach blind loszulegen. Denn das eine „Tabletop“ exisitiert nicht. Es gibt mehrere Szenarien, darunter zum Beispiel auch im „Herr der Ringe“-Universum oder in historischen Zeiten. Damit verbunden sind jeweils wieder andere Regeln und Methoden.

    Die Arbeit vor dem Vergnügen

    Zeit brauchen die Spieler aber nicht nur beim eigentlichen Spiel. Denn bevor eine Schlacht beginnen kann, müssen die Armeen erst hergerichtet werden. Und hier ist nicht Taktik oder Kampfeslust gefragt, sondern Kreativität und Fingerspitzengefühl. Die meisten Plastikfigürchen sind nur wenige Zentimeter groß. Rattenkrieger sind etwas kleiner, Oger sind auf dem Spielfeld die Riesen unter den Hunderten von Figuren. Alle haben aber etwas gemeinsam: Sie müssen in den meisten Fällen zusammengebaut und angemalt werden. Maximilian Markert geht in den Kellerraum. Hier hat er in mühevoller Kleinarbeit ein großes Schlachtfeld aufgebaut, das fast den ganzen Raum ausfüllt. Auf dem schneebedeckten Spielbrett warten blutdürstig aussehende Plastik-Wesen darauf, die gegnerischen Amazonen, Oger oder Hexenmeister zu bekämpfen. Jede einzelne der etwa 600 Figuren ist ein Kunstwerk für sich. „Wer eine schöne Armee haben will, muss viel Arbeit ins Bemalen stecken“, sagt der 28-Jährige, der insgesamt rund 2500 Figuren besitzt.

    Ein Hobby, das ins Geld geht

    Pro Figur kann das bis zu 20 bis 30 Minuten dauern, bei großen Modellen auch viele Stunden. Und ein Regiment einer Armee besteht oft aus zehn bis 20 Soldaten. Für den Giebelstadter gehört das Anmalen der Figuren nicht unbedingt zu den Lieblingstätigkeiten. Aber Spieler brauchen nicht nur viel Zeit für ihr Hobby. Es geht auch ganz schön ins Geld.

    Markert holt eine etwas größere Plastikfigur von der Fensterbank. Mehrere dunkle Zwerge ziehen eine Art Rammbock. Viel größer als acht Zentimeter ist das Konstrukt nicht, kostet aber im neuen Zustand 120 Euro. „Es ist ein extrem teures Hobby.“ Kleine Farbdöschen für das Anmalen der Figuren kosten jeweils drei bis vier Euro, Bäume für das Spielbrett beispielsweise 20 Euro. Und zusätzlich gibt es für die verschiedenen Völker des Spiels auch eigene Regelbücher – jedes davon noch mal 40 bis 50 Euro teuer. Im Würzburger Spezialladen für das Tabletop-Material gibt der Giebelstadter „selten unter 50 Euro aus“.

    Extra Koffer, extra treuer

    In speziellen Koffern werden die Figuren dann gelagert und zu Spielsitzungen transportiert. Sie sind gut in Schaumstoff gehüllt, damit die kleinen Speere, Dolche und Kanonen aus Plastik nicht abbrechen. „In dem Koffer stecken beispielsweise etwa 200 Figuren drin“, sagt der 28-Jährige und zeigt auf einen schwarzen Gegenstand in der Ecke. Allein in diesem warten Armeen im Wert von 800 Euro auf den nächsten Einsatz.

    Aber, versichert Markert: „Mit Geld gewinnt niemand ein Spiel.“ Nur wer seine Armeen kenne, taktisch vorgehe und vorausschauend denke, könne eine Partie für sich gewinnen. Manchmal würde natürlich auch das Glück beim Würfeln zählen. „Es fuchst mich dann natürlich schon, wenn jemand mit einer guten Armee auch noch gute Werte würfelt“, gibt er zu. Theoretisch könnten unendlich viele Spieler in einer Partei gegeneinander kämpfen. Praktisch ist das bei den Ausmaßen von Spielbrett und Figurenanzahl jedoch nicht. Spiele mit jeweils drei Spielern auf jeder Seite seien oft das Maximum.

    Privat-Turnier in Giebelstadt

    Im Umkreis von Würzburg hat er sich mittlerweile eine feste Clique zum Spielen aufgebaut. Entgegen des Trends der Digitalisierung treffen sich die Freunde regelmäßig, um in Kellerräumen Fantasy-Schlachten in Miniatur zu spielen. „Es zählt vor allem der persönliche Aspekt, das Quatschen und Zusammensein“, sagt der Berufssoldat. Im Januar wird es in Giebelstadt eine Meisterschaft mit etwa 15 Teilnehmern geben. „Für ein Privatturnier ist das ordentlich“, meint Markert. In Unterfranken gibt es auch mehrere Clubs, darunter alleine zwei in Würzburg und zwei in Schweinfurt. Um das strategische Spiel hat sich eine begeisterte Szene entwickelt, auch in der Region. Und das ganz klassisch, ohne Internet.

    Die Wurzeln des Strategiespiels Geistiger Vater der klassischen Tabletops ist das sogenannte „Kriegsspiel“. Anfang des 19. Jahrhunderts von Baron von Reiswitz erfunden, unterrichtete er damit preußische Offiziere in taktischen Fragen. Er veröffentlichte mehrere Anleitungen um realitätsgetreue Gefechte zu simulieren. Der Erfolg der preußischen Truppen im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde oft dem „Kriegsspiel“ zugeschrieben, weshalb es sich auch außerhalb Preußens großer Beliebtheit erfreute. Unter den jungen Offizieren war es aber nicht nur als taktisches Training sehr beliebt, sondern wurde mit zunehmender Begeisterung auch in der Freizeit in Clubs gespielt. Ähnlich wie bei Reiswitz‘ „Kriegsspiel“ wird bei den klassischen Tabletops eine Konfliktsituation zwischen mehreren Parteien simuliert. Mit der Gründung des heutigen Tabletop-Marktführers „Games Workshops“ in den 1970er Jahren in England, begann die Einführung des Hobbys in Europa. Heute ist es längst kein Nischenspiel mehr. Die Plattform „T³“ ist eine Anlaufstelle für Tabletopturnierspieler und –veranstalter und listet bundesweit über 580 Vereine. Alleine in diesem Jahr veranstalten die Vereine noch knapp 100 Turniere. Darunter auch Wettkämpfe in Schweinfurt, Kitzingen und Aschaffenburg. lke

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