Kraft, Gelenkigkeit, Körperbeherrschung – das gilt als essenziell für Tänzer. „Bewegung und Körperbehinderung hingegen scheinen sich erst mal auszuschließen“, sagt Dominik Blank vom Würzburger „tanzSpeicher“. Dass dem nicht so ist, wird Blank beim Tanzabend „Anders sein ist ganz normal“ mit Jugendlichen vom Zentrum für Körperbehinderte (ZfK) demonstrieren. Seit Schuljahresbeginn arbeitet er mit den Schülern an zwei Stücken. Am 8. Juli ist Premiere.
Bei einer richtigen Vorstellung mitzuwirken, ist für Leonie Weber von der Berufsschulstufe des ZfK eine aufregende Sache. „Ich habe schon ein bisschen Angst, dass ich etwas falsch machen könnte“, meinte die 18-Jährige bei einer der letzten Proben vor dem Auftritt. Doch größer als die Angst ist die Freude, einmal auf einer echten Bühne vor Publikum, das sich nicht ausschließlich aus Angehörigen behinderter Menschen zusammensetzt, das zeigen zu können, was sie mit ihren Schulkameraden einstudiert hat.
Schon drei Knieoperationen
Den Titel des Tanzabends „Anders sein ist ganz normal“ findet die Jugendliche sehr gut: „Es macht doch wirklich nichts, wenn man ein bisschen anders ist.“ Sie selbst, gibt Leonie zu, fühlt sich oft etwas anders als ihre Altersgenossen. „Die anderen können zum Beispiel den Führerschein machen“, erklärt sie. Das ist Leonie nicht möglich, denn sie hat nicht nur eine Gehbehinderung, die ihr bereits drei Knieoperationen eingehandelt hat: „Ich lerne auch nicht gut.“ Darum wird es ihr niemals möglich sein, ein Auto zu steuern.
Aber vieles andere ist möglich. Zum Beispiel tanzen. Oder vielmehr: Etwas durch tänzerische Bewegungen zu erzählen. Auch wenn die beiden Choreografien, die Leonie und fünf ihrer Mitschüler aus dem ZfK seit September 2016 einüben, keine Titel haben, kann man sich wunderbar eine Geschichte zu dem Getanzten vorstellen. Am Anfang stehen alle mit geschlossenen Augen hinter grünen, roten und blauen Schaumstoffelementen. Nur die Köpfe bewegen sich. Langsam. Dann beginnen die Tänzer, die Elemente wegzuschieben. Die Verschanzung aufzulösen. Bis sie mit den Gegenständen frei im Raum tanzen.
Initiative „Lernen durch Künste“
„Anders sein ist ganz normal“ besteht aus drei Teilen. Ein erstes, zwölfminütiges Stück tanzen die Jugendlichen aus dem ZfK alleine. Bei der zweiten Choreografie stehen sie mit fünf Jugendlichen von der Juniorkompanie des Tanzspeichers auf der Bühne. Außerdem zeigen die Theaterpädagogen von Schloss Maßbach Szenen, die sie mit der Theatergruppe der Behinderteneinrichtung Dominikus-Ringeisen-Werk im Kloster Maria Bildhausen einstudiert haben.
Dominik Blank, der den Abend maßgeblich gestaltet, ist in Würzburg in vielerlei Hinsicht mit dem Thema „Tanz“ beschäftigt. Er engagiert sich als Tanzpädagoge im Tanzspeicher und bringt Jungen und Mädchen in der Tanzwerkstatt modernes Kinderballett bei. Außerdem erschließt er in der Initiative „Lernen durch Künste“ Schülern via Tanz schwierige Unterrichtsinhalte. Mit Teenagern zu arbeiten, die ein körperliches Handicap und eine Lernbehinderung habe, stellte ihn trotz seiner langjährigen pädagogischen Expertise vor Herausforderungen.
Möglich ist das Projekt nur dadurch, dass Brigitta Höfig, Erzieherin im Zentrum für Körperbehinderte, die Sache unterstützt. Sie erinnert die Jugendlichen an Probetermine. Vermittelt. Koordiniert. „Ich finde das Projekt einfach toll“, begründet sie ihr Engagement. Vor allem die gemeinsamen Proben mit den nicht-behinderten Jugendlichen vom Tanzspeicher seien eine Bereicherung für ihre Schüler, die sonst fast immer nur unter sich sind.
Jede Bewegung integrierbar
Tanz, so verdeutlicht das Inklusionsprojekt, hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Künsten: Die Sprache der Bewegung ist universal. Eben dadurch wird Anderssein unerheblich. Jede Bewegung kann integriert werden. Auch Azariah Kebede, der einzige Jugendliche, der zumindest teilweise im Rollstuhl sitzt, hat innerhalb der Choreografien seinen festen Platz, der sich völlig organisch ins Ganze einfügt.
Aufführungen: Der Tanzabend „Anders sein ist ganz normal“ ist am 8. und 9. Juli um 19 Uhr im Würzburger „tanzSpeicher“ im Kulturspeicher Würzburg zu sehen.