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Estenfeld: Testpflicht trotz Impfung: Warum Altenpflegerin Andrea Wolf vor Gericht zieht

Estenfeld

Testpflicht trotz Impfung: Warum Altenpflegerin Andrea Wolf vor Gericht zieht

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    Andrea Wolf, Pflegedienstleiterin im Seniorenzentrum Estenfeld, will die Corona-Testpflicht für Seniorenheime mit geimpften Bewohnern abschaffen.
    Andrea Wolf, Pflegedienstleiterin im Seniorenzentrum Estenfeld, will die Corona-Testpflicht für Seniorenheime mit geimpften Bewohnern abschaffen. Foto: Thomas Obermeier

    Wer einen Angehörigen im Seniorenheim besuchen möchte, muss sich vorher auf Corona testen lassen. Diese Regel gilt auch für die Angestellten des Heims - auch wenn die Bewohner dort inzwischen ihre zweite Corona-Impfung erhalten haben. Jetzt regt sich in der Region Widerstand gegen die generelle Testpflicht: Die Altenpflegerin Andrea Wolf aus Estenfeld (Lkr. Würzburg) zieht gemeinsam mit dem Sohn einer Heimbewohnerin vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH).

    Schützenhilfe erhalten die beiden dabei von den Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg. Deren Geschäftsführerin Eva von Vietinghoff-Scheel spricht von einem "Testwahn" zu Lasten von Pflegekräften, Bewohnern und deren Angehörigen. Auch andere Heimbetreiber drängen auf Lockerungen.

    Nach der aktuellen bayerischen Infektionsschutzverordnung müssen sich Mitarbeiter von Pflegeheimen dreimal wöchentlich auf das Coronavirus testen lassen, auch wenn die Bewohner inzwischen den vollen Impfschutz haben. Besucher müssen einen negativen PCR- oder Antikörpertest vorlegen, der höchstens 72 beziehungsweise 48 Stunden zurückliegen darf. "Es ist eine Zumutung, wie wir unsere Pflegekräfte malträtieren müssen", beschreibt die Geschäftsführerin der sieben Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg, Eva von Vietinghoff-Scheel, die Situation.

    Pflegekräfte klagen über anhaltenden Würgereiz

    Andrea Wolf ist Altenpflegerin und Pflegedienstleiterin des Seniorenzentrums Estenfeld und bestätigt diese Schilderung. Viele Pflegekräfte klagen laut Wolf inzwischen über wunde Schleimhäute und anhaltenden Würgereiz bis hin zu Verletzungen der Schleimhäute, hervorgerufen durch den regelmäßigen Abstrich in Nase und Rachen. "Wir merken auch, dass  weniger Besucher kommen, weil sie mit den Tests nicht zurechtkommen", sagt Wolf. Das laste zusätzlich auf der Psyche der Bewohner.

    Gemeinsam mit dem Sohn einer Bewohnerin des Seniorenzentrums in Eibelstadt hat Andrea Wolf deshalb einen Eilantrag an den VGH gestellt, mit dem Ziel, die Testpflicht für Mitarbeiter und Besucher aufzuheben, wenn alle Bewohner geimpft sind. In den sieben Heimen des Landkreises haben Anfang der Woche die letzten Bewohner die zweite Impfung erhalten. Spätestens Anfang kommender Woche besteht damit der volle Infektionsschutz, sagt Eva von Vietinghoff-Scheel. Die Impfquote liege bei 98 Prozent. 

    "Wir haben damit einen Impfschutz, der besser nicht sein könnte", so die Juristin. Der ursprüngliche Zweck der Testpflicht, nämlich einen großen Corona-Ausbruch in einer Pflegeeinrichtung zu verhindern, sei damit erfüllt. Die Tests, die einen Eingriff ins Wohlbefinden der Beschäftigen und Besucher und damit in deren Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit bedeuten, seien deshalb nicht länger zu rechtfertigen.

    Rechtsanwalt sieht keine Grundlage für Grundrechtseingriff mehr

    Das unterstreicht auch Rechtsanwalt Alexander Lang von der Würzburger Kanzlei Steinbock und Partner, der die beiden Antragsteller vor dem VGH vertritt. "Wenn eine staatliche Maßnahme in Grundrechte eingreift, muss sie verhältnismäßig und wirksam sein", sagt Lang. Wenn die Risikogruppe der Hochbetagten durch eine Impfung geschützt sei, gebe es keine Grundlage mehr, an der Testpflicht festzuhalten.

    Lockerungen fordert auch Raimund Binder, Leiter des Marie-Juchacz-Hauses der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Würzburg. Bis auf vier seien inzwischen alle 103 Bewohner der Pflegeeinrichtung ein zweites Mal geimpft. "Deshalb muss es jetzt Erleichterung für die Beschäftigten und die Angehörigen geben", so Binder. Zumal weitere Schutzmaßnahmen, wie Abstandsgebot und das Tragen von FFP-2-Masken weiterhin gelten. "Das ist zwar anstrengend, schützt aber die Mitarbeiter davor, sich gegenseitig anzustecken." 

    "Wir haben gesehen, wie verantwortungsvoll Pflegekräfte und Angehörige auch ohne diesen Testwahn mit der Situation umgegangen sind."

    Eva von Vietinghoff-Scheel, Senioreneinrichtungen des Landkreises Würzburg

    Die Einschränkungen betreffen nicht nur die Heimbewohner, sondern auch die Besucher der Tagespflege des Marie-Juchacz-Hauses. Um das Abstandsgebot einhalten zu können, musste die Zahl der Betreuungsplätze dort von 18 auf zehn reduziert werden, so Raimund Binder. Inzwischen seien alle Besucher des Tagespflege ein zweites Mal geimpft. Deshalb sei es an der Zeit, die Beschränkung wieder aufzuheben, auch zur Entlastung der pflegenden Angehörigen.

    Eva von Vietinghoff-Scheel fordert mehr Eigenverantwortung für die Einrichtungen. "Wir haben in der Hochphase der Pandemie gesehen, wie verantwortungsvoll Pflegekräfte und Angehörige auch ohne diesen Testwahn mit der Situation umgegangen sind", sagt sie. Ethisch sei es ebenfalls nicht zu rechtfertigen, die Einschränkungen nach der Impfung aufrecht zu erhalten, etwa die Beschränkung auf Besucher aus einem einzigen Hausstand.

    Entscheidung über den Eilantrag fällt frühestens kommende Woche

    "Viele Bewohner sehnen sich nach ihren Enkeln und Urenkeln, die sie seit Monaten nicht mehr gesehen haben", so von Vietinghoff-Scheel. "Es tut einem im Herzen weh, das zu sehen." Die Aufhebung der Testpflicht könne deshalb nur ein erster Schritt sein. Über den Eilantrag entscheidet der VGH nach Auskunft eines Sprechers frühestens Ende kommender Woche. Inzwischen haben alle 32 Seniorenpflegeeinrichtungen in Stadt und Landkreis Würzburg eine Erstimpfung erhalten. In neun Einrichtung in der Stadt und fünf im Landkreis steht die Zweitimpfung noch aus, so der Verwaltungsleiter der Impfzentren, Michael Dröse, auf Anfrage.

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